Seite:Die Gartenlaube (1882) 593.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

wie sie nur kann, und wenn der Belagernde glaubt, daß bei einer unzufriedenen Bevölkerung oder nicht zuverlässigen Besatzung und einem energielosen Commandanten ein Bombardement zum Ziele, d. h. zu schneller Uebergabe führen könne, so wird auch dieses anscheinend barbarische Mittel angewendet werden.

Nun geht es aber nicht so rasch mit dem Schießen und große Vorbereitungen sind dazu nöthig, bevor wirklich der erste Gruß aus den Kanonen dem Ziele zugesendet werden kann.

Ehe man schießt, ist das Nächste, daß man sich Deckungen baut; das Bauen und Einrichten dieser Deckungen, in der Artillerie Batterien genannt, muß natürlich auch geübt werden, da ja im Kriege der Belagerungsartillerist dieselben sich selber bauen muß, eventuell unter Zuhülfenahme von zugetheilten Mannschaften der Infanterie.

Die Batterien sind nun Bauten aus Erde, Faschinen (lange Strauchbündel, die fest zusammengeschnürt sind), Schanzkörben (cylindrische Strauchgeflechte von circa 1 Meter Höhe und ½ Meter Durchmesser), Hurden (flache Strauchgeflechte von 1 Meter Höhe und 1½ Meter Länge) und verschiedenen Arten Hölzern, womöglich auch Eisenbahnschienen. Letzteres ist überhaupt ein herrliches Material, um sich eine feste Decke zu bauen, durch die der böse Feind sich nicht sofort mit seinen unhöflichen Geschossen hindurch arbeiten kann, und da es heutzutage in civilisirten Ländern kaum Festungen giebt, die nicht an Eisenbahnen liegen, so wird man dieses Hülfsmittel fast nie zu entbehren brauchen.

Auf dem Artillerieschießplatze: Schießübungen der reitenden und der Feldartillerie.

Wie nun die zum Bau der Batterien nothwendigen Materialien angefertigt werden, das hat der Soldat im Lager zu lernen.

Es werden hier die Faschinen gewürgt, Schanzkörbe und Hurden geflochten, Faschinenpfähle gespalten, Bindeweiden gedreht und Anker aus Draht gefertigt, auch noch andere Arbeiten vollbracht. Die einzelnen fertig gestellten Stücke werden auf ihre vorschriftsmäßige Abmessung und probemäßige Beschaffenheit geprüft, und wenn das ganze Pensum geleistet worden ist, was doch immerhin vier Stunden in Anspruch nimmt, marschiren die Compagnien in das Lager zurück.

Dem eigentlichen Bau der Batterie geht noch das Abstecken derselben, das Traciren, sowie das Einrichten des Batteriedepots voran. Da der Batteriebau am Tage nicht stattfinden kann, weil sonst der Vertheidiger den arbeitenden Soldaten das Leben sehr sauer machen würde, so wird vor dem Feinde mit seltenen Ausnahmefällen in der Nacht gebaut. Das muß auch im Frieden geübt werden. Aber da in der Dunkelheit der Nacht leicht Unordnungen und Mißverständnisse eintreten können, so müssen die Vorbereitungen so weit wie möglich am Tage stattfinden.

Zunächst erfolgt das Abstecken der Batterie: die Abmessungen werden durch Officiere und Unterofficiere auf der Erde bezeichnet und durch kleine Pfähle die Richtungen bestimmt. Hinter dem Bauplatz aber wird das sogenannte Batteriedepot errichtet, welches fertig sein muß, wenn der Bau beginnt.

Hier wird in einzelnen Unterabtheilungen Alles geordnet niedergelegt, was nur irgend zum Bau gebraucht wird: Spaten, Kreuzhauen, Aexte, Beile, Sägen, Bohrer und Nägel, weiter Faschinen, Schanzkörbe, Hurden, Bettungsrippen, Bohlen u. dergl. m.

Das Alles wollen wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit fest in’s Gedächtniß einprägen, um dann mit besserem Verständnisse dem Baue der Belagerungsbatterie zusehen zu können.

Allmählich verschwindet die Dämmerung; einzelne Sterne funkeln am Himmel; bald wächst ihre Zahl zu Myriaden an, und endlich hat die Nacht das weite Gefilde in ihren schwarzen Mantel eingehüllt. Nun kommen die Colonnen heranmarschirt, welche die Batterien bauen sollen. Die Leute sind im Arbeitsanzuge, aber die treue Büchse mit Patronen führen sie doch bei sich und legen diese Genossin im Kampfe unmittelbar in die Nähe des Arbeitsplatzes, um den Spaten sofort mit ihr zu vertauschen, wenn ein zudringlicher Feind sich nähern sollte. Den Leuten ist die größte Ruhe anempfohlen; Tabakrauchen ist untersagt, um sich dem Feinde nicht zu verrathen.

Diesen vertreten in Friedenszeiten Officiere, welche auf entsprechende Entfernung mit dem Auftrage entsendet sind, im Falle sie etwas von der geplanten Unternehmung hören oder sehen, es durch Signalschüsse markiren zu lassen. Auch Blendlaternen dürfen beim Bau so wenig wie möglich angewendet werden, und nur so, daß das Licht nie nach der Festung hinüberstrahlt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_593.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2023)