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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Die Arbeiter sind nun vertheilt worden; die Grundfaschine wird gelegt; darauf werden die Schanzkörbe gesetzt und mit Erde gefüllt. Diese Arbeit ist wichtig; denn wenn auch ein gefüllter Schanzkorb nicht einem vollem Geschoß aus der Kanone widerstehen kann, so sichert er doch gegen Shrapnel- und Infanteriefeuer. Und diesem Feuer kann die Truppe leicht ausgesetzt werden, denn ein aufmerksamer Feind verläßt sich durchaus nicht darauf, was seine stehenden Posten sehen oder hören. Kleine Schleichpatrouillen sind vielleicht in der Dunkelheit nahe an die Baustelle der Batterie herangekommen und haben die Meldung nach der Festung zurückgebracht. Auch ist das elektrische Licht ein Verbündeter der Vertheidiger: auf einem erhöhten Punkte in der Festung entsteht oft plötzlich ein heller Lichtstrom, der das Vorterrain in großer Breite erhellt. Langsam dreht sich diese elektrische Sonne um ihre Verticalachse und sucht gleichsam das Terrain vor der Festung ab. Langsam nähert sich der Lichtstrahl auch dem Bauplatze der Batterie, wo die Arbeiter aber auch schon ihre Spaten hingeworfen und sich möglichst gedeckt und platt auf die Erde gelegt haben. Nun beleuchtet der Lichtstrom das angefangene Werk. Still liegt Alles da, und nur schlechte Witze der Compagniespaßmacher lassen sich vernehmen, denen ein unterdrücktes Kichern oder eine ernste Ermahnung, sich nicht zu regen, folgt. Dank der Farbe der ausgeworfenen Erde, die sich in diesem Falle nicht vom Boden unterscheidet, ist der Feind nicht mißtrauisch geworden; langsam geht das Licht weiter, und Alles athmet auf; denn wenn der Bau entdeckt worden wäre, was leicht hätte geschehen können, so würde der Bauplatz alsbald mit einem Hagel von Geschossen überschüttet werden, der den Fortgang der Arbeiten sehr erschweren, unter ungünstigen Verhältnissen ganz verhindern würde.

Emsig wird weiter fortgebaut; die Brustwehr, welche Erde aus einem Vor- und Hintergraben erhält, verstärkt sich mehr und mehr, und im Innern der Batterie, dem Batteriehof, werden die Bettungen gestreckt. Der eigentliche Stand der Geschütze befindet sich natürlich auf der dem Feinde abgekehrten Seite der Brustwehr, aber nicht auf dem gewachsenen Boden, sondern circa dreiviertel Meter unter dem Bauhorizont. Hier können aber unsere Geschütze, die zum Theil im Vereine mit der Laffette ein sehr großes Gewicht repräsentiren, nicht auf der Erde selbst stehen. Deshalb bauen wir uns für die Geschütze eine sogenannte Bettung, das heißt eine ebene Plattform aus starken Kreuzhölzern und Bohlen, auf welche dann das Geschütz gestellt wird. Zwischen je zwei solcher Geschützbettungen befindet sich ein Unterkunftsraum für Mannschaften; diese Räume sind womöglich mit Eisenbahnschienen und Faschinen so fest eingedeckt, daß sie dem feindlichen Geschoß Widerstand leisten. Ferner sind Munitionsgelasse gebaut, um den vierundzwanzigstündigen Bedarf an Geschossen aufzunehmen, und auf einem Flügel findet die stark umhüllte Pulverkammer ihren Platz.

Es genügt nun nicht allein, daß in einer Nacht die Batterie als solche fertig gestellt wird, sondern sie muß auch armirt werden, das heißt die Geschütze müssen eingefahren werden (gewöhnlich sechs an der Zahl), auch muß sie mit Munition für vierundzwanzigstündigen Bedarf completirt werden. Beides klingt leichter, als es in der That ausgeführt werden kann. Die schweren Geschütze können schon auf der Straße nur mühsam fortbewegt werden – von der Straße über das Feld weg nach den Batterien wachsen die Schwierigkeiten noch mehr, und oft wird durch untergelegte Bohlen erst ein fester Fahrgrund geschaffen. Dabei darf kein Lärm verursacht werden, da sonst der wachsame Vertheidiger sein Feuer eröffnen würde. Auch der Munitionsersatz ist schwieriger, als man glaubt. Nimmt man eine schwere Mörserbatterie von sechs Geschützen an und normirt die Schußzahl auf vierzig pro Geschütz für vierundzwanzig Stunden, so muß man allein über dreihundertachtzig Centner Eisenmunition heranschaffen, da jede Einundzwanzig-Centimeter-Granate circa achtzig Kilo wiegt. Während des Kampfes ist aber ein Munitionsersatz nicht gut durchzuführen.

Sind diese Arbeiten nun alle ausgeführt und ist die Batterie am Morgen schußfertig, so ist das Pensum erfüllt. Gelingt es aber nicht, die Batterie in einer Nacht fertig zu stellen, und wird das feindliche Feuer nicht durch andere, schon fertig gestellte Batterien abgelenkt, so hat man natürlich einen schweren Stand, da der Vertheidiger den weiteren Ausbau der Batterie nach Kräften stören wird. Deshalb muß der Angreifer darnach streben, bei Beginn des Tages das Feuer aus der Gruppe fertig gestellter Batterien zu eröffnen, um seinerseits die Vertheidigungs-Artillerie zu überraschen. Ein Hoch auf den Kriegsherrn begleitet vor dem Feinde die ersten Schüsse aus der Batterie gegen die Festung.

Hier auf dem Uebungsplatze wird das Schießen mit der vielseitigsten Instruction verbunden, um es möglichst belehrend zu gestalten. Systematisch fängt man dabei mit dem Leichtesten an und endet mit dem Schwierigsten. Wir übergehen das Schießen nach einfachen Scheiben und wenden uns gleich den Uebungen zu, welche auf kriegerische Handlungen Bezug nehmen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes sind, wie unser Hauptbild zeigt, Erdwälle aufgeführt, welche gegnerische Batterien bedeuten; die feindlichen Kanonen, sowie ihre Officiere und Mannschaften, sind entweder roh aus Holz gezimmert oder durch einfache Bretter markirt, und die Pulverdämpfe, welche wir von dort aufsteigen sehen, rühren selbstverständlich von blinden Pulverentladungen her, die auf elektrischem Wege entzündet werden. In der Nähe dieser feindlichen Batterien sind in Schutzhütten Officiere postirt, welche die Treffer der im Vordergrunde feuernden Geschütze notiren und über die erzielten Resultate durch Telephone mit den Führern der Batterie correspondiren. So dauert die Kanonade schon längere Zeit fort, und die Mannschaft freut sich, einige gute Treffer erzielt zu haben. Aber da heißt es plötzlich: „Die Laffette des dritten Geschützes unserer Batterie ist demontirt, das Geschütz nicht mehr schußfähig.“

Schnell spielt der Telegraph nach dem Geschützpark, wo die Reservelaffetten auf kleinen Spurwagen verladen stehen; in wenigen Minuten gelangen dieselben auf der Bahn an die Batterie. Das Geschütz wird mit Hülfe eines starken Hebezeuges ausgelegt, die zerschossene Laffette beseitigt und die neue Laffette dafür eingestellt. So rasch wie möglich muß der Unterofficier, der das Geschütz commandirt, dieses wieder schußfertig machen; während dessen fährt das Feuer in der Batterie regelmäßig fort; würde nämlich der Feind ein Nachlassen im Feuer bemerken, so würde er sich mit verdoppeltem Eifer dieser Batterie widmen, um sie womöglich ganz zum Schweigen zu bringen.

Inzwischen belebt sich der Schießplatz immer mehr. Am frühen Morgen erscheinen auf demselben Abtheilungen der Feld- und der reitenden Artillerie, welche ihre Evolutionen machen und bald auch mit dem Feuern beginnen. Da werden unblutige Schlachten geliefert. Es heißt wiederum plötzlich: „Batterie N. N. wird von der feindlichen Cavallerie angegriffen,“ und in der That sehen wir einige auf einer Leinwandscheibe gemalte Reiter mit Galoppgeschwindigkeit gegen unsere Stellung vorrücken. Diese bewegliche Scheibe ist mit einem Drahtseil versehen, welches um eine Rolle läuft, von einigen im nahegelegenen Walde aufgestellten Pferden gezogen wird und so die Scheibe auf einem Schlittengestell vorwärts bewegt. Nun heißt es, diese Scheibe mit Granaten, Shrapnels etc. zu beschießen.

Doch da rückt langsamer schon eine andere Scheibe vor, und deutlich erkennen wir auf derselben gemalte Infanterietruppen, welche, wie die obenerwähnte, an einem Drahtseil von Soldaten vorwärts gezogen wird. So wird ein Infanterie-Angriff marquirt, der gleichfalls zurückgewiesen werden muß.

Nun donnert es aus den verschiedenen Batteriegruppen gegen die mannigfachsten Ziele, bis die letzte Granate des Tages das Rohr verlassen hat; „Feuer halt“ ertönt es nun aus den Batterien und als Antwort von den Scheiben.

Ein Theil der Truppen, die abgeschossen haben, sind commandirt, um die verschossene Munition in ihren Theilen wieder zu suchen, da ja die Geschosse sämmtlich crepiren sollen; einige derselben thun es aber nicht, und diese widerspänstigen aufzufinden und unschädlich zu machen, ist Aufgabe der Kugelsucher. Solche Geschosse können nämlich schon bei geringer Berührung crepiren und die Umstehenden in Stücke reißen. Die aufgefundenen Granaten werden an Ort und Stelle in folgender Weise unschädlich gemacht: eine Dynamitpatrone von einem halben Pfund wird auf das fragliche Geschoß gelegt, nachdem sie mit Bickford’scher (mit Kautschuk übersponnener) Zündschnur versehen ist. Die einige Minuten brennende Leitung wird entzündet; Alles entfernt sich bis auf einige hundert Schritt; die Detonation erfolgt, und durch den gewaltigen Druck der plötzlich wirkenden Gase wird das Geschoß in kleine Stücke zerschlagen, und zwar ist die Explosion so heftig und schnell, daß nicht einmal das Pulver der Sprengladung entzündet wird.

Das Schießen wird nun noch einige Wochen lang fortgesetzt;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_594.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2023)