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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

fünfzig Zelte zählendes Indianerlager. In den weißen, gespenstig aus der Dunkelheit hervorleuchtenden Wigwams, hier „Tipi“ genannt, flammten die Feuer und ließen die Umrisse der im Innern sich bewegenden und kauernden Gestalten als scharfe Silhouetten auf der Zeltwand erscheinen.

Ein ganzes Rudel Hunde stürzte uns entgegen und meldete unsere Ankunft; zugleich erschienen da und dort die dunklen Gestalten der Krieger, deren aus Adlerfedern gefertigter Kopfputz im Winde flatterte.

Mittelst Zeichen und Beigabe einiger indianischer Brocken, die der eine meiner Reisegefährten inne hatte, erklärten wir den Rothhäuten das Malheur, welches uns betroffen, und fragten, ob sie uns gegen eine Vergütung auf einem ihrer Karren zum Fort bringen wollten, da die Beine meiner Unglücksgefährten so angeschwollen waren, daß sie sich kaum noch weiter bewegen konnten. Einer der Indianer erklärte sich auch bereit dazu und ging, sein Pferd zu holen, welches an Stelle des Ponys als Vorspann dienen sollte. Doch warteten wir seiner Rückkunft vergeblich, und da sich die anderen Krieger bei der zunehmenden Dunkelheit immer weniger willig zeigten, so zogen wir endlich unverrichteter Sache ab. Eine oder zwei Meilen wanderten wir, und verloren in der Dunkelheit mehrmals den Weg. Da plötzlich tönte es hinter uns, wie Schakalgeheul, ein langgezogener, gellend endigender Laut, der uns das Blut in den Adern fast erstarren machte. Eine halbe Minute später ertönte der Schrei rechts, in demselben Augenblicke links, und gleich darauf hörten wir es neben uns rascheln, und ein halbes Dutzend Indianer versperrte uns den Weg. Im Nu waren die Revolver heraus; die Hähne knackten; wir standen Rücken gegen Rücken, und mein einiger Brocken der Siouxsprache mächtiger Gefährte forderte energisch die unheimlichen Gesellen auf, den Weg frei zu geben, widrigenfalls wir sofort schießen würden. Wie in den Erdboden versunken, war die Gesellschaft, die uns wohl unbewaffnet geglaubt, verschwunden, und so schritten wir, die Finger beständig am Drücker des Revolvers, vorsichtig weiter und weiter, immer aber hörten wir es im Prairiegrase rascheln und vernahmen das Geräusch unterdrückter Stimmen. So kamen wir, ein zweites vor uns liegendes Indianerlager in weitem Bogen umgehend, an einen kleinen Fluß, durchwateten denselben und schritten dann, als wir unsere ungebetenen Begleiter nun nicht mehr neben uns hörten, so gut uns die Beine tragen wollten, in der Richtung fort, in welcher das Fort liegen mußte. Einen auf der Prairie herumlungernden Indianer schreckten wir noch auf, der sich aber auf unseren drohenden Anruf schleunigst bei Seite drückte.

Es war eine unheimliche Nacht: Regen und Wind strichen über die Prairie, und nur ab und zu unterbrach das Schnauben eines der Thiere das eintönige Klirren ihrer Geschirre. Den Weg hatten wir ganz verloren und irrten auf’s Gerathewohl durch das nasse hohe Büffelgras. Die Riemen meines Koffers rissen, und ich mußte denselben nun, wollte ich ihn nicht zurücklassen, auf die Schulter nehmen. Endlich, endlich, als wir schon verzweifelnd in Berathung zogen, ob es nicht rathsam sei, das nutzlose Suchen aufzugeben und die Nacht auf der Prairie zu verbringen, hoben sich, kaum sichtbar, die Umrisse des breiten Hügelrückens gegen den Nachthimmel empor, hinter welchem, der Aussage des Treibers zufolge, das Fort Yates und die Standing-Rock-Agentur liegen mußten, und mit dem Rest unserer Kräfte schritten wir dem Hügel zu.

Noch eine Stunde harter Wanderung – dann blitzten uns Lichter entgegen; bald darauf sahen wir die Wigwams vor uns; dunkle Häuserumrisse wurden sichtbar; wir hörten Trompetensignale und den Anruf der Soldaten, und nun erreichten wir endlich das als Postamt dienende Gebäude – gerade in dem Augenblicke, als der eine meiner Begleiter ohnmächtig zusammenbrach und die schwere Last des Koffers meinen von Kälte und Regen erstarrten Händen entfiel. Wir waren in Sicherheit.

Damit endete diese abenteuerliche Episode meiner Reise in’s „romantische Land“.




Die Entwickelung der Kriegsflotten.

Von Contre-Admiral a. D. R. Werner.

Die Geschichte und ihre Denkmäler künden uns, daß die Schifffahrt eines der ältesten Gewerbe der Menschheit ist. Die vor nicht langer Zeit aufgedeckten ägyptischen Tempelgräber von Sakara zeigen in ihren Wandsculpturen Fluß- und Seeschiffe aus dem dritten und zweiten Jahrtausend vor Christo. Sie sind von verhältnißmäßig so hoher technischer Vollkommenheit, daß bei den damaligen Culturzuständen schon andere Jahrtausende verflossen sein mußten, bevor sie sich aus den Uranfängen der Schifffahrt, aus dem roh zusammengefügten Floß und dem vom Feuer ausgehöhlten Baumstamme, so weit entwickeln konnten.

Wir finden in ihnen Ruder- und Segelkraft vereint, zweckmäßige Form des Rumpfes und Elasticität bei genügender Stärke, um dem Anprall der Wogen gewachsen zu sein, sowie eine große Zahl jener einfachen und doch kunstreichen Hülfsmittel zur Erleichterung der Arbeit, wie wir sie noch jetzt in wenig veränderter Gestalt an Bord benutzen.

Diese Fahrzeuge dienten friedlichen und kriegerischen Zwecken zugleich; Handel und Seeraub gingen zu jener Zeit Hand in Hand; denn während die ersten Seefahrer, die Phönicier, auf kühnem Kiel zu den verschiedenen Inseln und Gestaden des Mittelmeeres schifften, um deren Bewohnern ihre Landesproducte feilzubieten, füllten sie auf der Heimreise die entleerten Räume mit geraubten Menschen für die Sclavenmärkte von Sidon und Tyrus. Ihr Beispiel reizte zur Nachahmung, und bald bedeckte sich das Meer mit Tausenden von Raubschiffen, die es beutegierig durchfurchten. Es wurde ein Krieg Aller gegen Alle; der Seehandel ging zu Grunde, und den Anfängen der Cultur drohte Vernichtung.

Da griff Minos von Kreta mit fester Hand ein, säuberte den griechischen Archipel von der Pest der Seeräuberei und schuf wieder gesicherte Bahnen für den friedlichen Verkehr, um dafür nach seinem Tode von dem dankbaren Volke auf den Richterstuhl der Unterwelt erhoben zu werden.

Wenn auch in mythischem Gewande, begegnen wir in diesen den Seeräubern feindlichen Schiffen des Minos der ersten Kriegsflotte, und zwar wurde sie nicht geschaffen, um den ruhm- und beutesüchtigen Gelüsten eines Fürsten zu dienen, sondern um Handel und Wandel zu schirmen und damit der Welt einen civilisatorischen Dienst zu leisten. Nur die Thatsache ist uns berichtet, über die Schiffe selbst und ihre Verwendung fehlen alle Angaben.

Jahrhunderte vergehen; dann tritt uns im Zuge der Griechen nach Troja die zweite Kriegsflotte entgegen, poetisch verherrlicht durch die Gesänge Homer’s. Doch die Schiffe, welche Achill, Ulysses und die andern griechischen Helden trugen, sind, wenn wir sie des dichterischen Nimbus entkleiden, wenig fortgeschritten gegen die der ägyptischen Königin Thutmosis auf den Grabwänden von Sakara. Wie jene führen sie eine Reihe Ruder, einen Mast, ein Segel; sie dienen nur zum Transport der Krieger, aber liefern keine Kämpfe auf dem Wasser.

Wieder entschwindet ein halbes Jahrtausend, von Sage umwoben, bis mit den gewaltigen Heereszügen des Darius und Xerxes die Geschichte in ihr Recht tritt, um fortan die Weltereignisse mit ehernem Griffel zu verzeichnen und für uns zu bewahren. Marathon und Salamis sind die Marksteine dieser Periode, in der sich historisches Licht von mythischem Dunkel scheidet, und ihnen ist es zu danken, daß nicht asiatisches Barbarenthum unseren Welttheil überfluthete und die aufblühende Cultur Europas wieder auf Jahrtausende erstickte.

Vor Allem aber ist es eine Kriegsflotte, welche diese Wendung herbeiführt und damit bestimmend in die zukünftigen Geschicke der ganzen Welt eingreift. Wie ein begnadeter Seher hat Themistokles nach Marathon den Griechen zugerufen: „Baut Trieren!“ und glücklicher Weise sind sie seinem Rathe gefolgt. Die Schlacht bei Salamis wird geschlagen, die gewaltigste, welche der Ocean gesehen, 336 peloponnesische Schiffe stehen gegen 800 persische – 70,000 Griechen gegen 160,000 Meder.

Der Kampf ist wild und blutig; er dauert bis zur Nacht, und Xerxes schaut ihm vom Fuße des Aegaleos aus zu. Doch bald wird sein Blick trübe und starr. Die regellose Masse seiner Schiffe wird von den Griechen decimirt; ihre ehernen Schiffsschnäbel bohren sich mit tödtlicher Sicherheit in die wehrlosen Flanken der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_626.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2023)