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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

früher auf den westindischen Inseln, und manche besitzen noch jetzt Zuckerplantagen daselbst. Sie verheirathen sich mit Amerikanern und besuchen auch deren katholische Kirchen, in denen englisch gepredigt wird, wogegen das „Quartier“ seine eigenen Kirchen mit französischem Gottesdienste hat, zwei presbyterische und eine römische, die St. Vincent de Paul, mit der eine Akademie für junge Damen verbunden ist. Die New-Yorker Presse hat zwei französische Zeitungen, den „Courier des Etats-Unis“ und den „Messager Franco-Américain“.

Die Franzosen der City sind ebensolche „Vereinsmeier“ wie ihre deutschen Mitbürger. An verschiedene Gesangvereine reiht sich eine große Anzahl von Gesellschaften der mannigfachsten Art, unter denen wir nur die bekannteste erwähnen wollen, den „Cercle Français de l’Harmonie“ mit seinem alljährlichen vielbesuchten und sehr eleganten Maskenball, wenn dieser auch nicht den Glanz und die Pracht der Maskenbälle erreicht, welche die deutschen Vereine „Arion“ und „Liederkranz“ veranstalten. Eine militärische Organisation ist die „Société Lafayette“.

Auch außer ihrem Lafayette haben die amerikanischen Franzosen ihre historischen Gestalten. Hier seien aus ihrer Reihe nur zwei erwähnt!

Marquis Armand de la Rouerie, in der Geschichte kurzweg als Oberst Armand bekannt, hatte um der berühmten Schauspielerin Mademoiselle Barré willen einen österreichischen Baron im Duell erschlagen und ging aus Reue darüber zu den schweigsamen Trappisten. Späterhin weihte er seine Dienste der jungen amerikanischen Republik und bildete die Armand’sche Legion, ein Cavallerieregiment, das zum großen Theil aus geborenen Pennsylvania-Deutschen bestand. Bei einem gefährlichen nächtlichen Ueberfalle, den er bei Yonkers am Hudson, oberhalb New-Yorks, gegen das britische Lager ausführte, stieß er auf die Hünengestalt des feindlichen Majors, der in solcher Eile aus dem Bette gesprungen war, daß er noch die grünseidene, betroddelte Nachtmütze auf dem Kopfe hatte. Oberst Armand sprengt dicht an ihn heran, ändert aber blitzschnell unter lautem Ausrufe der Ueberraschung die Richtung seines zum Todesstoße erhobenen Degens und trägt auf der Spitze desselben die durchbohrte Nachtmütze triumphirend davon, hinter ihm die wilde Jagd seiner kühnen Reiter. Jener Major war der todtgeglaubte österreichische Baron gewesen, und der Marquis verlor in Folge dieser Begegnung sein finsteres, schweigsames Wesen.

Auf einem längst geschlossenen New-Yorker Kirchhofe steht ferner ein Grabstein mit folgender Inschrift:

„A la Mémoire
de
Pierre de Landais,
Ancien Contre-Amiral
au service
Des États-Unis
Qui disparut
Juin 1818,
âgé 87 ans.“

Pierre stammte aus einer der ältesten, stolzesten und ärmsten Adelsfamilien der Normandie. Er hatte auf der „Ecole de la Marine“ studirt und diente bis zu seinem zweiunddreißigsten Lebensjahre als Unterlieutenant treu seinem französischen Vaterlande. Da kam unter Ludwig dem Sechszehnten ein früherer Page der Maitresse des Grafen von Vergennes nach Cherbourg und wurde sein Capitain. Entrüstet quittirte der heißblütige Pierre und widmete sich, von Baron Steuben empfohlen, der amerikanischen Republik. Er wurde in der Folge Fregattencapitain mit Admiralsrang und commandirte die „Alliance“ vom Jonas’schen Geschwader. Im September 1779 traf Jonas an der englischen Küste auf zwei britische Kriegsschiffe, die er nach hartnäckigem Kampfe zu seinen Prisen machte. Während des Treffens erschien plötzlich die „Alliance“ und feuerte auf das Schiff des eigenen Vorgesetzten, bis dieses sank. In Folge dessen wurde Pierre de Landais seines Amtes entsetzt, weil man annahm, er habe es gethan, um sich allein die Lorbeeren des Sieges anzueignen, obwohl er selbst es auf das Entschiedenste in Abrede stellte und mehrere Male im Duell mit dem Degen für seine Ehre eintrat.

Vierzig Jahre lang überschüttete er von da an den Congreß mit seinen Ansprüchen auf rückständiges Gehalt und auf Prisengelder; jedes Jahr fuhr er in dem alten Rumpelkasten, der damals die Bundeshauptstadt mit New-York verband, nach Washington und stets kehrte er mit leeren Taschen zurück, um den bitteren Kampf mit der Armuth wieder aufzunehmen. Er wurde zu einer der bekanntesten Straßenfiguren, der kleine, untersetzte Admiral in der verschossenen continentalen Uniform, den sauber gebürsteten Kniehosen, den abgetragenen gelbseidenen Strümpfen und dem kurzen Degen an der Seite. Er lebte in vollkommener Unabhängigkeit nur von seinem geringen Einkommen und wies jedes Geschenk, auch das auf das zartfühlendste dargebotene, zurück. Verschwunden ist er übrigens nicht, wie man aus seiner Grabschrift schließen sollte, diese hat er vielmehr selbst verfaßt, nach dem Vorbilde des greisen Aeschylus, wenn von seiner Tapferkeit auch kein marathonischer Hain, kein „tieflockiger Meder“ erzählt.


Blätter und Blüthen.

Der Sperber. (Mit Abbildung Seite 669.) Der gemeinste unter unseren Raubvögeln, der strolchende Dieb und Wegelagerer der gefiederten Welt ist es, den wir heute unseren Lesern in Bild und Wort vorführen – in der Gallerie unserer Thierbilder ein charakteristisches Pendant zu dem blut- und beutegierigen Heermännchen (vergl. Nr. 22 dieses Jahrgangs). Der kühne und gewandte Sperber hat Europa und den größten Theil Mittelasiens zu seiner Heimath; in den schneebedeckten Fichtenwäldern Skandinaviens und in Griechenlands Cypressenhainen, an des Amurs nebligen Ufern und auf der sonnigen Insel Madeira baut er sein Räubernest, und wenn die singenden Schaaren der Finken und Lerchen im Herbst ihre Wanderungen nach dem Süden unternehmen, dann pflegt er oft ihnen zu folgen bis nach Indien und den Küstenländern von Nordafrika. Waldungen aller Art bilden in der Regel seinen Aufenthaltsort, aber er scheut keineswegs die Nähe der Menschen und schlägt gern dicht neben Dörfern und Städten sein Standquartier auf. Seine wilde Jagd beschränkt er dabei nicht auf Wald und Flur, sondern plündert und mordet auch die kleine gefiederte Welt, die in den Baumgärtchen rauchgeschwärzter Städte von den Menschen gastlich bewirthet wird. So gehört er zu den bekanntesten Raubvögeln, und wer dem Leben und Treiben in der Natur ein regeres Interesse entgegenbringt, der hat ihn oft gesehen. Wir ersparen uns daher eine genauere Beschreibung seines schwärzlich aschgrauen Gefieders, welches an der Unterseite weißlich erscheint und mit rostrothen Wellenlinien geziert ist, und heben nur hervor, daß das Sperberweibchen stärker ist, als das etwa zweiunddreißig Centimeter lange und vierundsechszig Centimeter breite Männchen. Dieser Größenunterschied ist oft so bedeutend, daß man lange Zeit hindurch das Weibchen für eine besondere Art hielt, der man den Namen des großen Sperbers beilegte.

In manchen Gegenden nennt man diesen Raubvogel Finkenhabicht, Schwalben- oder Sperlingsstößer, da er seine Angriffe vorzüglich gegen die kleinen Vögel richtet und nur selten sich an Rebhühnern oder Hasen vergreift.

Wiewohl er im Gegensatz zu anderen Raubvögeln in der Kunst der Verstellung ein großer Meister ist und oft durch veränderten Flug das zur Beute auserlesene Opfer zu täuschen versucht oder sich an dasselbe heranzuschleichen weiß, so giebt er doch, wenn seine Raubgier einmal erregt worden ist, Beweise der blindesten Wuth und kühnsten Verwegenheit. Brehm erzählt in seinem „Thierleben“, daß Sperber selbst im Innern von Häusern oder fahrenden Wagen gefangen wurden: „sie hatten ihre Beute bis dahin so gierig verfolgt, daß sie alles übrige vergaßen. Gefangene Vögel im Bauer vor oder hinter den Fenstern sind vor dem Angriffe des Sperbers ebenso wenig gesichert wie die freilebenden. Der Glasscheiben nicht achtend, stürzt er sich auf die Gebauer, zerbricht, nicht immer ohne Lebensgefahr, in jähem Anpralle das Glas und greift im Zimmer, unbekümmert um die aufschreienden Bewohner, nach dem Vogel.“

Ist ihm der Fang gelungen, so trägt er seine Beute an einen verborgenen Ort, rupft ihr die großen Federn aus und verzehrt sie hierauf in Ruhe. Da er ausschließlich Vögel kröpft, so ist er in der Gefangenschaft sehr schwierig durchzufüttern und verschmäht das gewohnte Raubthierfutter unserer Zoologischen Gärten, das Fleisch des edlen Rosses. So geht er frühzeitig im Käfig zu Grunde, wie O. von Riesenthal treffend bemerkt, als eine getreue Illustration des Sprüchworts „Friß, Vogel, oder stirb!“

Nur die geschicktesten unter dem kleinen Geflügel fürchten nicht den Sperber, und die Rauchschwalben verfolgen ihn sogar mit lautem Geschrei, seine gefährliche Gegenwart den anderen Vögeln verrathend. Aber er hat auch Feinde, die ihm überlegen sind. Schon mit den Krähen muß er oft harten Strauß ausfechten, und die größeren Edelfalken wie auch der Habicht fressen ihn ohne Umstände.

Bei uns stellt ihm auch der Jäger nach, und nur in Mittelasien wird er von vielen Völkern als ein vortrefflicher Baizvogel geachtet. Man füttert die Jungen im Sommer auf und benutzt sie im Herbst zur Jagd. Dabei wählt man nur die kräftigeren Weibchen aus. Im Winter läßt man die abgerichteten Vögel wieder fliegen, weil es sich nicht lohnt, sie den Winter hindurch zu füttern.

Mit den abgerichteten Sperberweibchen werden im Südural, in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_671.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)