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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

eines Schattenbildes haben, aus welchem die Stellen, die an der Wand als Lichter erscheinen sollen, ausgeschnitten sind, klebt er nun auf den auf dem Druckcylinder zurückgebliebenen „Margebogen“, indem er ganz genau mit den Contouren seiner „Zurichtung“ denen auf dem „Margebogen“ folgt. Fände die geringste Abweichung statt, so würde der Effect des Bildes ganz gestört werden, und zwar aus folgendem Grunde: mit der „Zurichtung“ wurde durch das Aufkleben und Ausschneiden eine Art von Relief geschaffen; der Druck des Cylinders wird natürlich die größten Erhöhungen des „Zurichtung“-Reliefs am stärksten treffen, weßhalb diese Stellen im Druck am kräftigsten erscheinen werden, während umgekehrt die ausgeschnittenen tiefer liegenden Stellen einen schwächeren Druck empfangen, demgemäß zarter erscheinen. Wie subtil aber der Drucker zu Werke gehen muß, läßt sich daraus beurtheilen, daß das dünnste Seidenpapierblättchen zu viel oder zu wenig den Eindruck schädigen wird, ja selbst ein Papierstreifen, unter den zolldicken Holzblock gelegt, übt durch diesen hindurch eine Wirkung auf die correspondirende Stelle des Abzuges.

Hieraus erhellt, wie wichtig das oben erwähnte genaue Zusammenpassen der Contouren war, und wie sehr jedes Verrücken während des Drucks den Eindruck ändern würde. Um solches zu vermeiden, wird der „Margebogen“ daher auch mit anderen glatten Bogen oder mit einem feinen Stoff überspannt, welcher die Zurichtung festhält.

Wenn nun endlich alles in Ordnung ist, veranstaltet der Drucker einen neuen Abzug und stellt einen nochmaligen Vergleich mit dem Musterabdrucke des Xylographen an. Auch dieser Abdruck wird in den seltensten Fällen ein befriedigendes Resultat geben, schon weil der Drucker sich bei der Zurichtung hat in Acht nehmen müssen, nicht des Guten zu viel zu thun, und deshalb vorsätzlich eher etwas zu wenig thut; denn hat er die richtigen Grenzen von Licht und Schatten einmal überschritten, so ist es viel schwieriger, rückwärts auf das richtige Maß zu kommen, als durch nochmaliges Auflegen diese Grenze zu erreichen, wenn er noch nicht an sie gelangt war. Hat er jedoch so weit nachgeholfen, daß er die Grenze, die er für die richtige hält, erreicht hat, so kann der Druck, nachdem die Form sorgfältig gereinigt worden, beginnen. Nachbesserungen sind freilich fast immer noch während des Drucks nothwendig, wenn die Zurichtung durch diesen zusammengepreßt worden ist („sich gesetzt hat“). Um dem Leser die Wirkung der beschriebenen Manipulationen zu veranschaulichen, bringt die heutige Nummer der „Gartenlaube“ auf Seite 689 zwei Abdrücke eines und desselben Holzschnittes, von denen der eine ohne und der andere mit „Zurichtung“ gedruckt wurde.

(Schluß folgt.)



Herbst-Lied.

Im zerborst’nen Fensterbogen
Lehn’ ich müd’ – der Uhu schreit – –
Herbstesabend, grau umzogen,
Liegt auf Wald und Wiesen weit.

5
Nach der warmen Schneeeshülle

Sehnt die Erde fröstelnd sich,
Sehnt sich, in der tiefsten Stille
Auszuruhen winterlich.

Sterbenssehnsucht hat durchzogen

10
Nun auch dich, mein Herz, mit Macht –

All dein Glück, es ist verflogen
Mit des kurzen Sommers Pracht.

Nun du sel’gen Kosestunden
Heiß nicht mehr entgegenschlägst,

15
Fühlst du nur die Feuerwunden,

Die du tief im Innern trägst.

Und auf der Erinn’rung Stätten
Seufzest du der Sehnsucht „Ach!“,
Und in dürren Blätterbetten

20
Rauscht es dir der Herbstwind nach – –


Da – fernab, wie ich noch träume,
Glüht das Abendroth empor;
Goldbestrahlte Wolkensäume
Gaukeln mir den Frühling vor.

25
Frühling wird einst auferstehen

Und mit ihm mein todtes Glück –
Herbstwind mußt’ es mir verwehen;
Lenzeshauch bringt’s mir zurück.

Neue Lieb’ ist dann erstanden;

30
Neuer Frühling uns beglückt –

Wieder liegt das Herz in Banden,
Wonnebebend, lieb’ umstrickt .....

Im zerborst’nen Fensterbogen
Lehn’ ich müd’ – der Uhu schreit – –

35
Frühlingsgleich, von Glanz umzogen,

Naht dein Bild mir – süße Maid!

C. del Negro.




Blätter und Blüthen.


Geschwänzte Menschen. Bis auf unsere aufgeklärte Zeit hat sich die Fabel erhalten: daß es irgendwo in fernen Ländern Völker gebe, denen die Natur einen wirklichen Schwanz verliehen habe. Die oft behauptete Thatsache hatte für den Naturforscher sogar etwas Verlockendes; denn nach der Darwin’schen Theorie könnte man ja eine derartige geschwänzte Menschenrasse für den Vorläufer der Gattung „Mensch“ halten, für eine Uebergangsstufe zwischen dem modernen Europäer und der großen Zahl der geschwänzt einherwandernden Vierfüßler. Einst war der Glaube an die Wahrheit dieser Fabel allgemein verbreitet, und im Alterthume huldigten ihm selbst die aufgeklärtesten Geister. Gelehrte, wie Plinius und Ptolemäus, erzählten in ihren Werken, daß es im Innern Afrikas und auf Inseln, die hinter dem Ganges liegen sollten, Menschen mit Schwänzen gebe, und auch griechische Schriftsteller berichteten von derartigen Völkern, welche gewöhnlich Satyrn genannt wurden. Sie sollten bald Hunde-, bald Ziegenschwänzchen haben oder auch Schwänze viel kleiner als die der Pferde.

Die geistige Richtung des Mittelalters war am wenigsten dazu angethan, in diese phantastischen Erzählungen Licht zu bringen. Die Geister jener Zeit hielten an diesen Ueberlieferungen mit besonderer Vorliebe fest, und so trieben sich neben dem geschwänzten Teufel auch ganze geschwänzte Völker in der Phantasie unserer Vorfahren herum. Mit dem Vorrücken der Wissenschaft und der geographischen Entdeckungen wich aber auch das muthmaßliche Vaterland jener merkwürdigen Rasse in immer weitere Fernen zurück. Bald tauchten derartige menschliche Wesen in Amerika, bald in Afrika, bald in Asien auf, und schließlich wurde ihre Heimath auf den engen Bezirk des Hinterindischen Archipels reducirt, wo noch in jüngster Zeit verschiedene Reisende Menschen mit Schwänzen gesehen haben wollen.

In manchen Fällen ist der Irrthum durch genauere Nachforschung aufgeklärt worden. So deutet z. B. Schweinfurth in einfacher Weise die Entstehung der Fabel von den Schwänzen der Niam-Niam im Innern Afrikas folgendermaßen: Die Krieger jenes Stammes schmücken ihre nackten Hüften mit dem Fell der Zibethkatze oder demjenigen einen langgeschwänzten Affen und lassen nun den Schwanz dieser Thiere von hinten herabhängen. Aus der Ferne gesehen, erscheinen diese Wilden wirklich als geschwänzt – nur sind die Schwänze künstlich und nicht natürlich. Jedenfalls ein sonderbarer Modegeschmack!

Sehr heiter verlief dagegen die Expedition, welche in jüngster Zeit unser Landsmann Carl Bock[1] auf der Insel Borneo organisirte, um das Land der geschwänzten Rasse aufzusuchen. Als er das Sultanat Kutei bereiste und in die Nähe von Tangarung kam, erfuhr Carl Bock, daß er sich nur in geringer Entfernung von der Heimath diesen Volkes befände, das im Sultanat Passir und an dem Teweh-Flusse leben sollte.

Die Eingeborenen waren von der Wahrheit ihrer Erzählung nicht weniger fest überzeugt, als weiland Plinius und Ptolemäus. Tjiropon, ein alter und treuer Diener den Sultans, versicherte unserm Landsmann in Gegenwart seiner Hoheit, er selbst hätte die „Orang-buntut“, das heißt das Schwanzvolk, vor einigen Jahren in Passir gesehen. Das schwanzartige Anhängsel dieser Leute sollte nach der ernsthaften Versicherung Tjiropon’s zwei bis vier Zoll lang sein, und außerdem hätten diese Menschen in ihren Häusern kleine Löcher im Fußboden, in welche sie den Schwanz hineinsteckten, um bequem sitzen zu können.

  1. Wir weisen bei dieser Gelegenheit auf das soeben erschienene Werk „Unter Cannibalen auf Borneo“ hin, in welchem Carl Bock die Resultate seiner zu wissenschaftlichen Zwecken unternommenen Reisen auf Borneo und Sumatra in äußerst anziehender und allgemein-verständlicher Form mittheilt. Die sehr geschmackvolle Ausstattung diesen an Abbildungen reichen Werken gereicht der Firma, in deren Verlage es erschienen (Hermann Costenoble, Jena), zur vollen Ehre.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 691. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_691.jpg&oldid=- (Version vom 27.7.2023)