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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Schranken kennen. In der Regel erleichtern jedoch vortreffliche Zeichner, die zum Theil sich nur dem Zeichnen von Vorlagen für den Holzschnitt widmen und somit das Wesen und die Erfordernisse des letzteren auf das Genaueste kennen, den Holzschneidern ihre Aufgabe sehr. Diese Künstler behandeln diejenigen Theile der Zeichnungen, bei welchen Alles auf die exacte Wiedergabe ankommt, mit der größten Gewissenhaftigkeit, überlassen aber die Partien, bei welchen sie der Technik des Holzschneiders vollständig vertrauen können, diesem zur freien Behandlung. Einen bemerkbaren Einfluß hat die französische Schule auf Stuttgart geübt, wo oft mit großem Glück Zeichner und Holzschneider sich in französischer Art in die Hände arbeiten.

Alle solche allgemeine Charakteristiken und Vergleiche bedürfen natürlich in den einzelnen Fällen der Correctur; denn es ist selbstverständlich, daß es Engländer giebt, die sich die Eigenschaften der Deutschen aneignen – und umgekehrt.

Was den Illustrationsdruck betrifft, stehen die drei großen Culturländer wohl auf gleicher Stufe der Vollkommenheit, doch läßt es sich nicht in Abrede stellen, daß ein englisches oder französisches Prachtwerk in seiner Totalität in der Regel einen vornehmeren und zugleich harmonischeren Eindruck erzielt als ein deutsches. Zum Theil liegt dies in dem aristokratisch-ruhigeren Charakter der lateinischen (Antiqua) Schrift und in der Vorzüglichkeit des Papiers, theils trägt dazu eine größere Einheitlichkeit in der Mache bei, indem keiner der an der Herstellung Betheiligten sich hervorzudrängen, jeder aber voll zu dem Ensemble beizutragen bemüht ist, selbst wenn seine Rolle nur eine kleine ist. In dem eigentlichen Druck steht Deutschland keinem andern Lande nach, sondern übertrifft eher seine Rivalen.

Im deutschen Reiche sind es namentlich die Städte Leipzig und Stuttgart, die im Illustrationsdruck die Führung haben: Stuttgart zeichnet sich durch die Herstellung zahlreicher dort verlegter Werke aus, die sich meistens auf dem Gebiete der Länder- und Völkerkunde, sowie der Culturgeschichte bewegen, während Leipzig nicht allein die eigenen illustrirten periodischen Unternehmungen und Werke, sondern auch die hauptsächlichsten Berliner Blätter und viele Prachtdrucke für auswärts liefert, außerdem den Holzschnittdruck vielfach für seinen großen wissenschaftlichen (anatomischen, naturwissenschaftlichen und technischen) Verlag ausbeutet.

Berlin ist in dem Illustrationsdruck etwas hinter Stuttgart und Leipzig zurückgeblieben, dagegen hat sich in Oesterreich in jüngerer Zeit diese Specialität, namentlich aber der xylographische Buntdruck mächtig gehoben. In Wien herrscht, wie in Stuttgart, eine höchst glückliche Verbindung der Kunst mit dem Kunstgewerbe, welcher ganz besonders durch das „Museum für Kunst und Industrie“ und durch die Unternehmungen der „Gesellschaft für bildende Kunst“ (gegründet 1871) Vorschub geleistet wird.

Hat der Holzschnitt, wie wir oben gesehen, Vieles von seinem ursprünglichen, eigenthümlichen Charakter eingebüßt, indem er sich die Nachahmung des Stahlstiches, ja selbst der Kreidezeichnung und der Radirung zur Aufgabe stellte, so hat er doch auf diesen neuen Wegen einen staunenswerthen Grad von Vollendung erreicht. Seine innige Verbindung mit dem gedruckten Worte wird ihm stets die Gunst des Volkes sichern, welches ihm so manchen hohen Genuß, so vielseitige Belehrung und Unterhaltung verdankt. Es scheint fast, als sei kein anderes Material findbar, in welchem sich Härte und Zähigkeit in dem Grade glücklich vereinigt, wie in dem Buchsbaum. Für alle Arten von Arbeiten, bei denen es darauf ankommt, wirkliche Kunstproducte für die Buchdruckerpresse zu schaffen, wird deshalb der Holzschnitt kaum durch ein anderes Verfahren je verdrängt werden.

Es giebt jedoch eine nicht geringe Anzahl von für den Hochdruck berechneten Arbeiten, zu welchen der Holzschnitt sich nicht eignet, wozu namentlich alle kartographischen gehören, mit ihren unter die Terrainzeichnung gemischten vielen kleinen Schriften. Schrift correct in Holz zu schneiden ist eine unendlich schwierige, zeitraubende und also auch kostspielige Aufgabe. Dies veranlaßte schon in dem vorigen Jahrhundert die berühmten Buchdrucker und Schriftgießer J. G. I. Breitkopf in Leipzig und W. Haas in Basel, nachdem die Schwierigkeiten des Musiknotensatzes glücklich überwunden waren, den Versuch zu wagen, Landkarten mit beweglichen Typen zu setzen. Sowohl die Genannten wie ihre Nachfolger auf dieser Bahn lernten jedoch die praktische Unmöglichkeit ihres Unternehmens einsehen.

Da traten in der Neuzeit Chemitypie und Zinkhochätzung als vortreffliche Helferinnen ein. Beide Verfahren werden gewöhnlich als ein und dasselbe betrachtet, sind jedoch von einander sehr verschieden. Bei der von dem Dänen C. Piil erfundenen, in Leipzig zur Ausführung gebrachten Chemitypie wird eine Zinkplatte zuerst mit einem Deckgrund, wie die Kupferplatte, überzogen, dann die Zeichnung mit der Nadel gemacht und geätzt. Die vertiefte Zeichnung wird mit leichtflüssigem Metall ausgegossen und dies mit der Oberfläche der Platte, von welcher der Deckgrund entfernt wurde, ans gleiche Höhe gebracht. Hierauf wird die Zinkplatte dem Aetzen unterworfen und die ganze Oberfläche der Wirkung der Säure ausgesetzt, welcher jedoch die in die Vertiefungen eingegossene Metallmischung widersteht. Diese letztere bildet nun, über die Zinkplatte herausragend, eine in der Buchdruckpresse verwendbare Platte. Dieses Verfahren hat ganz besonders für die Herstellung von Karten eine enorme Wichtigkeit, indem es hierdurch unter Mithülfe der Mehrfarbenschnellpressen möglich geworden ist, farbige Karten zu fabelhaft billigen Preisen zu liefern.

Die Zinkhochätzung eignet sich mehr für leichte Federzeichnungen, Reproductionen von älteren Drucken und Holzschnitten und dergleichen. Wie schon Eingangs erwähnt wurde, läßt sich die Zinkplatte wie der lithographische Stein leicht mit präparirter Kreide oder fetter Tusche bezeichnen. Fertigt man nun eine derartige Zeichnung oder trägt einen mit fetter Farbe gemachten Umdruck auf eine Zinkplatte und ätzt diese, so wird nur das reine Metall angegriffen, nicht aber werden die durch die Zeichnung oder den Umdruck geschützten Stellen dadurch alterirt. Durch fortgesetzte Aetzung tritt diese Zeichnung so hoch über die Platte hinaus, daß sie sich auf der Buchdruckerpresse drucken läßt; ja sogar Deckelplatten für Büchereinbände sind in dieser Weise herzustellen. Das ganze Verfahren ist ein ebenso rasches wie billiges und eignet sich sehr gut zur Herstellung von Illustrationen, an die keine zu hohen Ansprüche gestellt werden, z. B. für die leicht hingeworfenen Bilder in den französischen Witzblättern.

Wird nun auch die Xylographie immer für wirklich künstlerische Blätter den unbestrittenen Vorrang behaupten, da durch die Zinkhochätzung weder die Tiefe des Holzschnittes noch die Reinheit der feinen Linien und Schattirungen, noch endlich die angemessenen Abstufungen des Vorder-, Mittel und Hintergrundes zu erzielen sind, so hat die Letztere doch muthmaßlich noch eine große Zukunft. Wie die Pfennigmagazine zu den illustrirten Zeitungen führten, so mußten letztere wieder die Gedanken unternehmender Köpfe auf illustrirte Tageblätter lenken. Ohne Hülfe der Zinkographie könnte indessen ein solcher Gedanke kaum festen Boden fassen; denn nur durch diese in Verbindung mit der Rotationsmaschine wird es möglich, innerhalb vierundzwanzig Stunden eine Zeichnung auf Zink hinzuwerfen, sie in eine Hochdruckplatte zu verwandeln und zu drucken. Als europäische Versuche im Kleinen können wir die Witterungskarten, Schlachtenpläne und Kriegskarten mehrerer Zeitungen erwähnen; in Amerika hat man schon ein Tageblatt, welches jährlich 6000 Abbildungen bringt, wenn es auch nicht als eine nur den Tag illustrirende Zeitung bezeichnet werden kann.

Doch ergehen wir uns nicht in Zukunftsphantasien, deren Inscenesetzung wir zunächst unseren Collegen jenseits des Oceans in ihrem tollen Jagen, um einander eine Kopflänge abzugewinnen, überlassen müssen, und welche die Bestrebungen der „Gartenlaube“ nicht berühren. Diese wird ihrer alten Verbündeten, der „Xylographie“, treu bleiben und fortfahren, durch Mitwirkung derselben manches schöne Bild tüchtiger Künstler in gediegener Ausführung ihren Lesern vorzuführen.



Blätter und Blüthen.

Vermißte. (Fortsetzung von Nr. 34):

69) Der Sohn einer Wittwe, Robert Fromm aus Berlin, am 24. December 1850 geboren, früher als Jockey im königlichen Marstall dienend, verließ Berlin 1871, schrieb ab und zu aus Belgien, und zum letzten Male, am 12. Juli 1877, aus Wittleria auf dem Cap der guten Hoffnung. Auf Nachforschungen durch das „Auswärtige Amt“ des Reichs erfolgte am 25. April 1879 die Mittheilung, daß Fromm als Polizeibeamter im Caplande angestellt und gesund sei. Dennoch blieben die Briefe der Mutter unbeantwortet, weshalb sie sich an die britische

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_707.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2023)