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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

er noch hinzufügt: da will ich der Erste sein. So sehen wir ihn das beinahe fertig gebaute Nest der Hausschwalbe usurpiren und in gleicher Weise die ihm zugänglichen Nistkasten den nützlichen Höhlenbrütern zänkisch und malitiös streitig machen.

Er macht sich an allen Orten frech geltend, wohin ihn auch immer sein Diebssinn, seine Gewohnheiten, seine Launen führen mögen. Die Sucht des Sich-Hineinmischens in alle fremden Verhältnisse und Vorkommnisse der Vogelwelt, das freche, anmaßende, unruhige und lärmende Wesen des Herrn Spatzen vertreibt denn auch die lieblichsten und nützlichsten Vögel, die mit ihm unsere Wohnstätten umschwirren; ja wir sind mit dem vortrefflichen Beobachter und Kenner des Vogellebens E. F. von Homeyer zu der Ueberzeugung gekommen, daß alle zarten Sänger die Oertlichkeiten meiden und fliehen, an welchen der Sperling sein Wesen treibt.

Fassen wir nun noch die unumstößliche Thatsache in’s Auge, daß sich die Sperlinge von Jahr zu Jahr – und gerade in diesem letzten ganz besonders merklich – außerordentlich vermehrt haben, sodaß Flüge von Tausenden das Wachsthum der Felder und Gärten ernstlich beeinträchtigen, so muß entschieden der Stab über den Angeklagten ob seiner mannigfachen Unbilden gebrochen werden. Es ist von Homeyer festgestellt worden, daß 3 Morgen Weizenacker, auf 30 oder 36 Scheffel Ertrag geschätzt, bis auf 1 Scheffel Ernte durch Sperlinge zerstört wurden; es ist von uns constatirt worden, daß Gärten durch diese Vögel ihres edlen Obstes beraubt worden sind; wir haben in vielen Jahren, in besonders auffallendem Grade aber während dieses Nachsommers, Schwärme von mehreren Tausend Sperlingen über stehende Fruchtäcker, sowie über Garben Weizen, Gerste und Hafer herfallen sehen und nach kurzer Zeit diese befallenen Stätten bis auf ein Weniges zerstört gefunden. Solcher Schaden trifft in der Regel die Besitzungen unmittelbar an den Dörfern, die dann eben vollständig ruinirt werden. Der Spatz ist, wie das Kaninchen, örtlich, sporadisch in hohem Grade schädlich, aber den Werth seiner Zerstörungen zu berechnen, ist kaum möglich.

Wir haben oben gesagt, daß die Existenz des Sperlings als eines Culturvogels an die Ackerbauwirthschaft gebunden sei. Dies hat sich überall bewahrheitet, wohin auch der Mensch diesen gefiederten Räuber gebracht hat. Er ist nach Amerika, nach Australien verpflanzt worden und hat sich dort allerorts zum Schaden des Feld- und Gartenbaues erstaunlich vermehrt. Wir sehen die Einzelregierungen Neuhollands bereits eingreifen in die Reihen dieser diebischen Vogelart; denn man hat daselbst Preise für Lieferungen von Sperlingsköpfen ausgesetzt. Es wurden für je 100 Eier 2,5 Schilling und für 12 Köpfe 0,8 Schilling gezahlt, wonach in einem Zeitraume von zwei Monaten 81,600 Eier und 8000 Sperlingsköpfe eingeliefert wurden, gegenüber der dortigen Massenvermehrung des Vogels immerhin noch ein unzulängliches Resultat.

Angesichts der thatsächlich auffallenden Ueberhandnahme des Sperlings sollten in unserem Vaterlande die Regierungen nicht hinter den Behörden des Auslandes zurückstehen und die Frage ebenfalls in ernste, gründliche Erwägung ziehen; die Sächsische Kammer hat ja neuerdings die Aufhebung des Schongesetzes für den Haussperling bereits in ernste Erwägung gezogen.

Der Vermehrung dieses schädlichen Vogels muß unbedingt entgegengetreten werden. Schon die Consequenz in Hinsicht auf die Verfolgung anderer Vogelarten, eben der besprochenen Krähen und Dohlen, bedingt dies.

Bereits vor einem Jahrzehnt schlugen wir in unserem mehrerwähnten Werke vor, daß die Regierungen der einzelnen deutschen Staaten nicht gerade Vertilgungsverordnungen gegen den Sperling erlassen, die zu allerlei grausamen Ausschreitungen gegen diese Thiere führen könnten, wohl aber dem Landmanne und Weinbergsbesitzer, dem Inhaber von Gärten und Obstpflanzungen außer der Brutzeit die Freiheit der Nothwehr gegen den Spatz gestatten möchten.

Heute müssen wir einen Schritt weiter gehen und nicht allein das Erlegen des Sperlings außer der Brutzeit, sondern auch das Ausheben der Nester desselben empfehlen. Dies ist bei seinem allgemeinen Nisten an zugänglichen Oertlichkeiten der Wohn- und Hofgebäude leicht zu bewirken und hält, wenn es während mehrerer Sommer consequent und gründlich durchgeführt wird, die Vermehrung nieder. Ausrotten läßt sich der kluge, pfiffige Sperling so wenig wie der Gauner Fuchs, dem gewiß waidmännisch mit allen Kräften nachgestellt wird und der, widerstandsfähig wie er ist, trotz alledem sich siegreich behauptet. Bei allen Anstrengungen zur Verhütung der Zunahme wird der lebenszähe Spatz stets ein hinlängliches Contingent zur zeitweisen Raupenlese im Vorsommer abgeben.

Haltet die Ausbreitung des Sperlings nieder und schützt unsere Meisen, unsere Spechte und die entschiedenen Kerffresser! Das sei das Losungswort des Vogelschutzes in Bezug auf diesen argen geflügelten Dieb!

(Schluß folgt.)


Die Lachsfischereien am Columbia in Oregon.

Von Theodor Kirchhoff.

Es sind gerade siebenzehn Jahre vergangen seit jener Zeit, da ich den Lesern dieser Blätter zum ersten Male von den Lachsfischereien am Columbia, jenem gewaltigen Strome im Nordwesten der Union, erzählte.[1] Damals waren es Indianer, welche der Jagd dieses Bewohners der salzigen Tiefe bei seinen jährlich wiederkehrenden Massenwanderungen in die Flüsse jener Küstengebiete an den Stromschnellen der Dalles oblagen. Die Wildnisse des fernen Oregon haben sich seitdem in einen blühenden Culturstaat verwandelt, und meine vor mehr als anderthalb Decennien gemachten Andeutungen, daß der Lachsfischerei am Columbia im Laufe der Jahre eine großartige Entwickelung bevorstände, haben sich in einem Grade bewahrheitet, wie ich es mir damals nicht habe träumen lassen.

Als ich bei einer sich für mich alljährlich wiederholenden Geschäftsreise nach Oregon und dem Territorium Washington am Ostersonntage vorigen Jahres in Astoria, dem Emporium der Lachsfischereien am unteren Columbia, einen unfreiwilligen Aufenthalt nehmen mußte, benutzte ich die mir gegebene Mußezeit, um dort den Salmenfang und den Proceß des Präservirens der Lachse in den Lachspackereien gründlich kennen zu lernen, und will ich jetzt den Lesern dieser Blätter das Ergebniß meiner nicht uninteressanten Aufzeichnungen in möglichst klarer Weise vorlegen.

Astoria ist das Namenskind unseres weltberühmten Landsmannes, des New-Yorker Millionärs Jacob Astor. Dieses weitschauende kaufmännische Genie erkannte bereits beim Beginne unseres Jahrhunderts die Wichtigkeit des fernen nordamerikanischen Nordwestens und beschloß – es war im Jahre 1810 – an der Mündung des Columbia eine Handelsstation zu gründen, welche der damals allmächtigen Hudsonsbai-Pelzcompagnie in jenem entlegenen Lande Concurrenz machen sollte. Der Platz, den man zuerst für die Gründung des Handelsemporiums im Nordwesten bestimmte, wurde etwa 20 englische Meilen von der Mündung des Columbia an seinem linken Ufer gewählt, wo eine weitgeschweifte Bucht den über die gefährliche Barre einlaufenden Seeschiffen einen sicheren Ankergrund gewährte. Die Hoffnung des Gründers von Astoria, dort eine bedeutende Handelsstadt entstehen zu sehen, hat sich aber nicht erfüllt; es war vielmehr der 106 englische Meilen oberhalb Astoria am Willamette, einem Nebenflusse des Columbia, im Jahre 1845 gegründeten Stadt Portland vorbehalten, das Handelscentrum des Nordwestens zu werden. Könnte der alte Astor heute sein Namenskind besuchen, so würde er sich wahrscheinlich über dessen äußeren Anblick bitter enttäuscht fühlen. Aber er würde dort in der Nähe ein ganz neues Element der Größe finden, an welches er nie gedacht: eine Industrie, welche nach wenigen Jahren ihres Bestehens bereits mit Millionen rechnet und die in Astoria ihr natürliches Centrum findet: – ich meine eben die weltberühmten Lachsfischereien am unteren Columbia.

Die Stadt Astoria, welche etwa 3500 ständige Einwohner zählt, beherbergt zur Zeit des Lachsfanges fast die doppelte Zahl von Bewohnern und ist dann einer der lebhaftesten Plätze in Oregon. Im vergangenen Jahre wurde von den bei Astoria liegenden Lachspackereien (Canneries) etwas über eine Million Dollars an Fischerleute, Arbeiter etc. ausbezahlt, welche Summen


  1. Die Indianer beim Lachsfang“. Jahrgang 1865, Nr. 48.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_768.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)