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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

in die Hände gefallen wäre, und ich hoffte bereits, daß die träge Natur Angelo’s das consequente Festhalten solch finsterer Pläne, als zu anstrengend, wieder aufgegeben habe, aber ich täuschte mich.

Wir spazierten eines Nachmittags im Park der Villa Borghese, und um dem Geräusch und Geschwätz der fashionablen Welt auszuweichen, hatten wir hier eine abgelegene Ecke aufgesucht. Die alte, zerbröckelnde Mauer, die schlanken dunklen Cypressen, das lang wuchernde Gras und über dem Ganzen der schimmernde römische Himmel – all das bot ein gar harmonisches Bild. Wir saßen auf einer moosgrünen, halbkreisrunden Bank und plauderten und beobachteten die flinken Eidechsen auf den sonnenwarmen Steinen. Eine halbe Stunde mochten wir so verbracht haben – da erspähte Helene an dem Fuße einer alten Cypresse das erste Frühlingsveilchen. Sie erhob sich mit einem Ausruf der Freude und eilte, es zu pflücken; dann wanderte sie weiter, um noch mehr von den lieblichen Blümchen zu suchen.

Wenzel saß zurückgelehnt und beobachtete die sich langsam entfernende Gestalt und den Schatten derselben auf dem Grase. Endlich war Helene hinter einem Flügel der Villa verschwunden. Frau Dörpinghaus machte den Vorschlag, die Bank nunmehr aufzugeben und dem Mädchen zu folgen. Wir waren aber kaum einige Schritte gegangen, als Helene wieder hinter der Ecke hervorkam; sie befand sich augenscheinlich in großer Aufregung; sie blickte mehrmals über ihre Schulter zurück, während sie beschleunigten Schrittes uns wieder zu erreichen strebte. Gleich darauf sah ich, daß ihr Jemand folgte, ein hochgewachsener Mann – Angelo Beati.

Helene sah bleich, fast verstört aus; es mußte etwas Besonderes zwischen den Beiden vorgegangen sein. Als sie bei uns angelangt war, stand auch Angelo dicht vor uns. Auch er war bleich, und zwischen diesen beiden farblosen Gesichtern erschien jetzt das meines Freundes Wenzel, glühend roth vor Zorn. Ich fürchtete einen Auftritt, und um denselben zu verhüten, ging ich schnell auf Angelo zu. Der aber richtete den umwölkten Glanz seiner schwarzen Augen der Reihe nach auf alle Mitglieder unserer Gesellschaft, und dann, gleichsam als Antwort auf meine noch ungesprochene Anrede, erhob er seine Hand mit einer Geberde, welche deutlich sagte: ‚Laßt mich – ich suche keinen Streit, aber ich weiß sehr wohl, was ich will.‘

Auf meinen Wink forderte Wenzel die Damen auf, mit ihm den Weg fortzusetzen. Aber wunderbar! Helene stand zögernd da; sie hatte ihre großen blauen Augen mit einem weichen, fast enthusiastischen Ausdruck auf Angelo geheftet – da faßte ihr Verlobter rauh ihren Arm, und sie folgte ihm, während das Blut ihr heiß in die Wangen stieg.

Frau Dörpinghaus, die nichts Böses ahnte, sagte in ihrer raschen, ungenirten Weise:

‚Was für ein schöner junger Mann!‘

Und damit folgte auch sie gleichmüthig ihrem voranschreitenden Bruder.

Angelo und ich blieben allein zurück.

‚Fürchten Sie nicht, daß ich Lärm zu machen gedenke!‘ sagte der junge Italiener mit düsterem Lächeln. ‚Ich habe während der letzten drei Wochen hier in Rom gelernt, wie ein Cavalier sich zu benehmen hat. Wer ist jene junge Dame?‘

‚Jene junge Dame geht Sie nichts an, mein Freund‘ erwiderte ich, ‚ich will hoffen, daß Sie Cavalier genug gewesen sind, dieselbe nicht anzureden.‘

Er schwieg eine Weile, und seine Blicke folgten der am Arme Wenzel’s in der Entfernung verschwindenden leichten Gestalt. Dann antwortete er:

‚Doch! Ich habe mit ihr gesprochen – und sie hat mich auch verstanden. Aber beruhigen Sie sich – ich sagte ihr nichts, was sie nicht hätte hören dürfen. Was ich aber sagte, o, das hat sie verstanden. Sie ist Ihres Freundes amica – ich weiß schon. Seit einer halben Stunde habe ich Sie alle hinter jenen Bäumen hervor beobachtet. Die Dame ist schön – sehr schön. – Leben Sie wohl! Ihnen zürne ich nicht, Ihrem Freunde aber sagen Sie, daß ich ihn nicht vergessen habe. Ich warte nur auf meine Gelegenheit, und die wird eines Tages kommen. Umbringen werde ich ihn nicht, aber ich werde eine Rache an ihm nehmen, die er fühlen soll, so lange er lebt.‘

Er wendete sich zum Gehen; da fiel sein Blick noch einmal auf das Paar in der Ferne; er blieb stehen und schaute ihm nach, bis es außer Sicht war.

‚Der Mensch da hat ein ganz unverschämtes Glück,‘ stieß er zwischen den Zähnen hervor. ‚Den Topas – und die Perle! Haha! Doch, nur immer zu! Nur zu!‘

Damit ging er schnell davon.“

(Fortsetzung folgt.)


Die Lachsfischereien am Columbia in Oregon.

Von Theodor Kirchhoff.
(Schluß.)

Um das Verpacken der Salmen nach eigener Anschauung kennen zu lernen, wollen wir jetzt eine der großen „Canneries“ besuchen, welche die Bucht von Astoria in meilenlanger Reihe umkränzen. (Vergl. unsere nebenstehende Abbildung.)

Ich muß zunächst das freundliche Entgegenkommen dankend anerkennen, das mir durch den Besitzer der Anstalt zu Theil wurde. Ein mir wildfremder, mit dem Lachsgeschäft wohlvertrauter Amerikaner, gegen den ich den Wunsch äußerte, ich möchte mir einige möglichst genaue Notizen über den Proceß des Lachspräservirens machen, um dieselben zu einem Berichte für ein deutsches Weltblatt zu verwenden, das von mindestens drei Millionen Deutschen in allen Theilen der Erde gelesen würde, setzte sich sofort hin und schrieb mir einen ausführlichen Bericht über das Gewünschte nieder.

Die „Canneries“ sind alle wie nach der Schablone angelegt: sie gleichen einander, wie ein Ei dem andern. Es sind große, auf Pfeilern in den Columbia hineingebaute, aus Holz aufgeführte Gebäude, meistens einstöckig und im geräumigen Innern mit nur wenigen Nebenabtheilungen versehen. An der dem Flusse zugewendeten Seite, wo die Fischerböte an Treppen anlegen, befindet sich eine überdachte breite Gallerie. Die Gebäude sind so schmucklos wie nur denkbar, was dem praktischen Zwecke dieser Anstalten auch vollkommen entspricht.

Die Arbeiter, welche in den „Canneries“ Beschäftigung finden, sind ihrer großen Mehrzahl nach Chinesen. Die kleineren Packanstalten beschäftigen 50 bis 60, die größeren 120 bis 150 Zopfträger und dabei nur 5 bis höchstens 10 Weiße, welche als Aufseher, Maschinisten etc. Verwendung finden. Man versuchte es früher, weiße Knaben in den „Canneries“ zu beschäftigen, mußte den Plan aber wieder aufgeben, weil kein Verlaß auf sie war und es mitunter vorkam, daß sie ihren Posten in Momenten verließen, wo sie am wenigsten zu entbehren waren. Wie unangenehm muß es für den Besitzer einer großen Salmenpackerei sein, wenn ihm seine Arbeiter gerade zu der Zeit fortlaufen, wo die Lachse ihre Hauptgeschwader stromaufwärts entsenden, und die Fischerböte täglich 3000 bis 5000 Fische abliefern, die sofort verpackt werden müssen! Erwachsene Weiße aber sind als Arbeiter in den „Canneries“ schwer zu erlangen, da die Saison nur vier Monate dauert und sich nur Wenige von jenen für eine so kurze Zeit verpflichten mögen.

Daß die Besitzer der Packanstalten unter diesen schwierigen Verhältnissen den Chinesen als Arbeitern vor den Weißen den Vorzug geben, ist selbstverständlich; denn jene sind durchaus zuverlässig und arbeiten, sobald sie einmal eingelernt sind, wie die Maschinen. Die Abneigung der Oregonier und Californier gegen die bezopften Asiaten, welche ihnen durch ihr knauseriges, heimtückisches Wesen und ihre fremdartigen Manieren besonders zuwider sind, kann bei einem Geschäftsgange, wie er in den Lachspackereien unumgänglich nothwendig ist, nicht in Betracht kommen.

Was die Lohnverhältnisse betrifft, so beziehen die Chinesen einen Dollar und zehn Cents pro Tag und erhalten einen Platz zum Schlafen, müssen aber für ihre Verpflegung selbst sorgen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 776. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_776.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2023)