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verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

in Folge dieser Asphaltdecke zur Regenzeit überschritten werden kann; unter den Strahlen der Sonne weicht dagegen diese Decke auf. Früher hatte der See aus der Tiefe so reichlichen Zufluß von Bitumen, daß das dickflüssige Pech überströmte, das dreiviertel Stunden entfernte Meer erreichte und dort Asphaltriffe in die See hinaus bildete.

In Limmer wird der rohe Asphaltstein gegenwärtig von zwei Gesellschaften ausgebeutet, welche auch die größeren Asphaltbrüche bei Vorwohle erworben haben. Während sich die eine dieser Gesellschaften, die „United Asphaltos-Company“, ein mit englischem Capitale betriebenes Unternehmen, bisher lediglich auf den offenen Tagebau beschränkte, ist auf ihren dicht angrenzenden Terrains die „Deutsche Asphalt-Actien-Gesellschaft“ schon seit Jahren zu dem rationelleren unterirdischen Betriebe übergegangen.

Unsere Abbildung zeigt uns den alten Tagebau der „Deutschen Gesellschaft“, von welchem zur linken Hand der Eingang in die unterirdischen Werke führt. Beim Schein der Grubenlampe treten wir in einen langen, von hölzernen Pfählen gestützten Gang, der sich bald bedeutend erweitert. Mächtige, hohe Hallen, von großen steinernen Säulen getragen, liegen vor uns. In pittoresken Formen springt das Gestein an den Wänden aus, und von den Decken tropft, mit Oel vermischt, das Wasser hernieder, mit dumpfem Ton gegen den Felsboden schlagend. Weiter schreiten wir durch die dunklen Gänge, da blitzen im Hintergrunde und in schmalen Seitengassen Lichter auf; Gestalten regen sich, und der dunkle Klang der Hacke, welche das weiße Gestein spaltet, ertönt neben dem regelmäßigen Stampfen der Dampfpumpen, die das andringende Wasser zur Erdoberfläche hinaufbefördern. Endlich dringt auch ein schwacher Schimmer des Tageslichts in die Tiefe herab; wir stehen vor einem Förderschacht, in dem das gewonnene Gestein durch einen Elevator gehoben wird. Auf schmalen Geleisen rollen kleine Wagen, mit Asphalt beladen, herbei, fahren auf eine Plattform und werden mit dieser emporgezogen. Auf demselben Wege verlassen auch wir die unterirdische Welt und gelangen nach wenigen Augenblicken oben in den Fabrikräumen an.

Die Fabrikationsmethode des Asphalts ist sehr einfach: Der rohe Asphaltstein wird durch Maschinen zerkleinert und kommt dann in eine Mühle, welche ihn zu Pulver zermalmt. Dem Pulver werden einige Procent Trinidad-Asphalt zugesetzt, und dann wird die Masse in großen Kesseln, in welchen eine Rührvorrichtung sich beständig dreht, zum Kochen gebracht. Bergtheer, Paraffin oder Rückstände der Petroleumraffinerie dienen dazu, die Masse leichter in Fluß zu bringen. Nach vierstündigem Kochen wird der Asphalt in Brodformen gegossen, welche dann unter dem Namen „Mastix“ in Schwere von siebenundzwanzig Kilo in den Handel kommen. Bei der späteren Verwendung zu Pflasterungen und baulichen Zwecken wird der Asphaltmastix abermals gekocht, erhält dabei einen Zusatz von dreißig bis vierzig Procent Kies und wird dann über eine Unterlage von Beton gegossen. Während nun zu Fußwegen fast ausschließlich der gegossene Asphalt gebraucht wird, hat man für Fahrstraßen seit einigen Jahren mit sehr günstigem Erfolge auch pulverisirten Asphaltstein ohne Zusatz von Kies verwendet, indem man denselben leicht erwärmt und durch heiße Walzen comprimirt. Für diese Zwecke zeigte sich indessen das Gestein von Seyssel und dem Val du Travers bisher geeigneter, als die an Bitumen bedeutend reicheren Asphalte von Limmer. Dagegen haben Mischungsversuche von Limmer Asphaltpulver mit dem mageren Steine von Vorwohle neuerdings zu Resultaten geführt, welche den schweizerischen Fabrikaten auch auf dem Gebiete der Stampfarbeiten gleichkommen.

Die Asphaltlager beider Gesellschaften in Limmer sind so ergiebig, daß selbst bei starkem Betriebe noch auf lange Zeit hin genügendes Rohmaterial zur Verfügung bleibt. Außerdem erstrecken sich die Asphaltflötze auch noch über die südöstlich angrenzenden Felder, deren Ausbeutung gegenwärtig von Privatunternehmern in Angriff genommen wird. Von Interesse werden daselbst auch die Ergebnisse von Tiefbohrungen auf Petroleum sein, welche man in dem ölreichen Gesteine auffälliger Weise früher noch niemals versuchte. Schon heute aber ist bei der Limmer Asphaltindustrie das rege Streben anzuerkennen, welches die Schwierigkeiten der großen ausländischen Concurrenz überwand und für das deutsche Fabrikat auch auf dem Weltmarkt einen guten Ruf und damit bedeutenden Absatz errungen hat.




Land und Leute.
Nr. 52. 0 Die Zuydersee und ihre Anwohner.
Von Julius von Altenau.

Zu den merkwürdigsten Flecken europäischer Erde gehört unstreitig das Königreich der Niederlande. Einem alten Sprüchworte zufolge sind bekanntlich diejenigen Frauen die besten, von denen am wenigsten gesprochen wird. Ist der Satz richtig und darf man, was er von den Frauen behauptet, auch auf die Länder anwenden, so wäre das Gebiet zwischen Nymwegen und Rotterdam, zwischen Groeningen und Breda ohne Zweifel den vortrefflichsten Ländern der Welt beizuzählen; denn gesprochen wird von den Niederlanden und ihren Bewohnern schon seit Langem selten genug, und noch seltener verirrt sich der Fuß des Reisenden in diese so nahen und doch von den großen Heerstraßen des europäischen Verkehrs so weit abseits gelegenen Gegenden. Dennoch bietet auch dieses kleine Stück unseres Erdtheils, wie in geschichtlicher und cultureller, so namentlich auch in geographischer und ethnographischer Beziehung des Bemerkenswerthen und Interessanten eine so reiche Fülle, daß eine kurze Beschäftigung mit ihm wohl kaum zu den unfruchtbaren Aufgaben gerechnet werden darf.

Was hier von den Niederlanden im Allgemeinen gesagt wurde, das gilt in verstärktem Maße von den flachen, unwirthlichen und melancholischen Gestaden, welche die Zuydersee umrahmen, jene tiefe, beinahe herzförmige Einbuchtung der Nordsee, welche das Königreich Holland sozusagen in zwei, an Größe sehr ungleiche Hälften trennt, die nur durch den schmalen Streifen der südlichen Provinzen mit einander in Verbindung stehen. Die heute einen Flächenraum von etwa sechszig Quadratmeilen bedeckende Zuydersee liegt demnach zwischen den Provinzen Nordholland, Utrecht, Gelderland, Overyssel und Friesland und wird von der Nordsee durch eine bogenförmige Inselreihe, die sogenannten friesischen Inseln, geschieden, welche auf den ersten Blick sich als die ursprüngliche Küste des Landes darstellt und somit die Zuydersee eigentlich nur als einen großen Binnensee erscheinen läßt.

In der That gab es eine Zeit, da die geographische Formation des nördlichen Theiles der Niederlande ein von der gegenwärtigen sehr verschiedenes Bild darbot. Wo heute die Zuydersee ihre trüben und von riesigen Sandbänken durchzogenen Fluthen wälzt, da prangten einst lachende und fruchtbare Fluren, da standen blühende Dörfer, da erhoben sich reiche und mächtige Städte, deren Ruhm weit hinaus drang in die Lande. Wer hätte nicht von der alten Hansastadt Stavoren gehört und von der stolzen Frau, deren frevelhafter Uebermuth der Sage zufolge den Zorn Gottes auf die ganze Stadt herabbeschwor?

„Im Südersee Stavoren, wer hat die Stadt geschaut?
Mit Thürmen und mit Thoren gar stolz ist sie gebaut;
Paläste siehst Du ragen noch heut’ so hoch als eh’,
Doch Alles hat beschlagen die unermeßliche See.“

Heute ist Stavoren nichts als ein verfallenes Nest von wenigen hundert Seelen, in dessen Straßen das Gras wächst, aber wenn das Bewußtsein, Unglücksgenossen zu haben, irgend welchen Trost zu verleihen vermag, so steht solcher den ärmlichen Einwohnern Stavorens in besonders hohem Maße zu Gebote, denn Enkhuizen, Medemblik, Hindeloopen und viele andere einst blühende Gemeinwesen theilten Stavorens Geschick und sind, wie dieses, heute kaum noch ein trostloser Schatten ehemaliger Größe. Ihre Häfen sind versandet: die Zeiten des Glanzes, der Macht und des Reichthums sind unwiederbringlich vorüber, und die lethargische Ruhe, welche seit Jahrhunderten das eigenthümliche Merkmal jener öden Ufer und ihrer Anwohner bildet, ist die unheimliche Ruhe eines einzigen großen Kirchhofs.

Was der Zuydersee ein ganz eigenthümliches Interesse verleiht, ist der Umstand, daß sie sozusagen ein historisches Meer ist; ihr Entstehen fällt durchweg in den Bereich der menschlichen Geschichte. Aus positiven Quellen wissen wir, daß, wie bereits

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verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1882, Seite 814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_814.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)