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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

stattlichen weiblichen Thiere gleicher Art seit September 1871 im Garten.

Viel friedlicherer Natur als diese Thiere sind die beiden Nilpferde des Hauses, ein junges, noch nicht ausgewachsenes Pärchen. Das Weibchen ist im Jahre 1876 auf Veranlassung des deutschen Consuls in Kairo gekauft und durch einen Griechen nach Berlin gebracht worden, das Männchen aber stammt aus dem Thierpark des ehemaligen Vicekönigs von Aegypten und wurde im Jahre 1879 vom jardin d’acclimatation in Paris erworben und nach Berlin verkauft. Es war ein höchst beschwerliches Unternehmen für Dr. Bodinus, das junge Thier in der strengen Märzkälte jenes Jahres von Marseille aus bis in seinen Garten zu schaffen; aber es gelang, und das vortreffliche Gedeihen beider Thiere unter der gegenwärtigen sorgsamen Pflege lohnt alle Mühen reichlich, sodaß wir es getrost wagen dürfen, falls beide am Leben bleiben, Zukunftsträume von Nilpferdezucht an der Spree auszuspinnen.

Den Beschluß des Thierbestandes am Elephantenhause bilden zwei amerikanische Tapire, ein 1875 gekauftes Männchen und ein 1877 von einem anderen Wohlthäter des Gartens, Herrn Ernst Schotte in Berlin, dem Besitzer einer geographisch-artistischen Anstalt, geschenktes Weibchen. Zeitweilig beherbergt das Elephantenhaus auch einzelne Gäste; beispielsweise überwinterte daselbst letzthin einer der Lieblinge der Besucher des Gartens, die Seelöwin „Mary“. So viel für heute über das Berliner Elephantenhaus! Die deutsche Reichsmetropole darf stolz sein auf den Besitz dieses Dickhäuter-Asyls. A. Woldt.     




Schloß Ambras.
Von Karl Stieler.

Im Söller der alten Reichsstadt Augsburg sitzt ein dunkeläugiges Mädchen. Die Maiensonne streift ihr die Stirn; sie hat das kleine silberbeschlagene Buch bei Seite gelegt, in welchem sie bedächtig gelesen, und wie eine leise Melodie klingt ihr das Lied noch im Herzen nach:

„Sanges ist der Wald so voll,
Daz thut den kleinen Vogelin wohl.“

Da erschallt plötzlich Lärm im Hofe des gewaltigen Welserhauses; man hört Hufschlag und Rüdenlaut, und neugierig lugt die Kleine hinunter. Ein langer Waarenzug war aus Wälschland gekommen, auf der alten Bergstraße, die über Innsbruck und Mittenwald gen Augsburg führt, und nun drängten sich die müden Saumthiere im Hofe, bis man ihnen die schwere Bürde vom Rücken nahm; die Führer aber, welche sie durch’s Gebirg geleitet, trugen die Spielhahnfeder am Hut und jauchzten übermüthig dem Hausvogt zu, der ihnen einen frischen Labetrunk entgegenbrachte. Wie glänzten ihre braunen wetterfesten Züge, wie manche Mär ward da berichtet von der steilen Fahrt! Hier klang ein Gruß und dort ein Fluch – und überall Fröhlichkeit.

Das dunkeläugige Mägdlein aber sah ihnen zu, und ein erster Zug von Wandersehnsucht hob ihr das junge Herz. Wie muß es herrlich sein in der geheimnißvollen großen Welt der Berge! O, wenn sie nur einmal die blauen Gipfel sähe, wo die Karawanen ihres Vaters vorüberziehen! Da ist freier Weg und freies Leben; da starrt meilenweit das trotzige Gestein in den Felsenkahren, und wie eng sind hier die steinernen Mauern! Der alte Perlachthurm, die grauen Wälle, das finstere Hallthor!

„Philippine!“ rief es von drinnen, und die liebliche Gestalt verschwand vom Fenster. –

Jahrzehnte sind seitdem vergangen; in dem herrlichsten Schlosse von Tirol, auf das blaue Bergesgipfel herniederschauen, sitzt eine zauberschöne Frau am Söller, und lachende Kindlein legen ihr die Hand auf’s Knie. Das ist Philippine Welser, Erzherzog Ferdinand’s Ehegemahl; der Bergestraum von ehedem ist zur Wahrheit geworden, und mehr noch wurde wahr als jener Traum.

Nun sind seitdem abermals Jahrhunderte vergangen, aber der alte Zauber des Namens Ambras (auch Amras) blieb bestehen. Es ist noch jetzt ein Juwel der Natur, eine Schatzkammer kunstvoller Schönheit und eine Heimath holder Erinnerung; den Grundton dieser Erinnerungen aber bildet der Name der lieblichen Welserin.

Die Lage des Schlosses ist entzückend schön, weithin herrschend, wie es ja im Zwecke jener alten Castelle liegt; allein noch mächtiger als diese Quadern und Zinnen schaut uns die Landschaft selber an. Langgezogen dehnt sich die riesige Bergeskette hin, zu deren Füßen die Stadt liegt, und bis in den Sommer hinein glänzt der Schnee noch auf ihren Höhen; drunten rauscht der Inn durch die Brücken; nicht weit davon liegt der kampfberühmte Berg Isel, und von da geht es auf dem uralten Brennerpfade nach dem Süden. Oft kommt sein lockender Hauch mit dem Föhn herüber; wir stehen gleichsam vor dem Thore, das die Wege zwischen Deutschland und Wälschland scheidet. Und das alles ist jetzt vom ersten vollen Grün durchwoben; aus den dunklen Wäldermassen glänzen die lichtfrischen Buchen, auf den hohen Wiesen wogen die Glockenblumen – alles summt und webt und flimmert. Darüber aber liegt jenes Himmelsblau, das die Seele dehnt – so bin ich in Junitagen durch die Pforten von Ambras gezogen, so steht es noch heute vor meiner Seele.

Wohl reicht es in graue Zeit zurück, daß die ersten Mauern an dieser Stelle erstanden; schon die eiserne Hand der Cäsaren hat hier gebaut, und jetzt noch künden die römischen Meilensteine im Schloßhofe von jenen Tagen. Dann kamen die deutschen Dynastengeschlechter (unter ihnen die Grafen von Andechs), bis die Burg allmählich an das Erzhaus Oesterreich gelangte. Nun erst begannen die Tage ihres Glanzes; räumlich und künstlerisch wurde bald das Schloß erweitert, um dem Statthalter von Tirol und seiner schönen Gemahlin Obdach zu bieten. Das aber war Ferdinand und Philippine Welser.

Die Sammlungen, welche der Erzherzog besaß, gewannen schon unter den Zeitgenossen einen hohen Ruhm; denn es war ja noch jene Glanzepoche, wo jeder Fürst auf seine „Kunstkammer“ hielt und wo das kleinste Geräth im Hause einen Anhauch künstlerischer Form besaß.

Um für solche Schätze Raum zu schaffen, wurden mannigfache Neubauten nöthig, aber auch für den stattlichen Hofhalt und die zahlreichen Gäste, die er aus allen Landen versammelte, ward es manchmal zu enge, und so wuchs das Schloß allmählich in jene gewaltigen Formen aus, welche wir heute an demselben gewahren. Durch die Verbindung mit den großen italienischen Fürstengeschlechtern, den Gonzagas, den Medicis und Anderen, kam so manches neue Juwel zu den alten Beständen, und die Kenner aller Länder bewunderten und beschrieben die Sammlung, wenn sie durch Innsbruck den Weg nahmen.

Es ist bekannt, daß in den napoleonischen Kriegen, als Tirol an Baiern kam, die Hauptmasse der Ambraser Sammlung nach Wien gebracht wurde, wo sie noch jetzt unter diesem Namen das Belvedere schmückt, aber selbst die Reste, die erst kürzlich systematisch geordnet und ergänzt wurden, bieten noch ein prächtiges Bild. Um die Eintheilung und Verzeichnung derselben haben sich die Herren Ilg und Böheim großes Verdienst erworben, auf deren treffliches Büchlein wir alle Jene verweisen, die sich für das Einzelne interessiren.

Zwei Hauptmassen sind es, in die der imposante Bau sich gliedert, und die ihm schon vor Jahrhunderten sein Gepräge gaben: das ist das Unterschloß und das Hochschloß. In dem ersteren befindet sich die Waffensammlung, während in den oberen Räumen die Gemälde und die kunstgewerblichen Schätze verwahrt sind, aber wo wir auch weilen mögen, überall ruhen unsere Blicke wie gefesselt auf diesen Lebensspuren vergangener Kraft.

Frühlingsstille liegt das Schloß jetzt da, doch welch schallendes Treiben herrschte damals in den weiten Sälen, in dem steinernen Hofe, in Park und Garten! Da ragten gewaltige Basteien in’s Land hinaus, und schlanke Edelknaben eilten über die Stufen oder lehnten lauschend am Pfeiler; sie hatten ihr eigenes „Losament“, wie auch ein eigenes „Ballhaus“ bestand; im Thiergarten tummelte sich das Wild, und neckendes Spielwerk war überall in den quelldurchrauschten Anlagen verborgen.

Mitten im Felsen aber befand sich eine gewaltige Höhle, wo die zechenden Ritter saßen und schwere Humpen schwangen; denn das Ungestüm der Zeit war auch mit dem Becher nicht schonsam. Da gab es harte Proben, die der „Novize“ hier zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 863. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_863.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)