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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

noch ein gar junges und schwaches Pflänzlein, erst einen Winter alt und zart bewurzelt und bestockt. Der Verein hat zehn oder zwölf Mitglieder – es giebt eben nicht viel deutsche Studenten an den Pariser Facultäten – die einmal wöchentlich in einem Bierlocal des lateinischen Viertels zusammenkommen, um sich in der Fremde das Bild deutscher Burschenherrlichkeit vor die Seele zu zaubern. Man singt deutsche Commerslieder – aber leise; trinkt deutschen Gerstensaft – aber mäßig, und raucht aus deutschen Porcellanpfeifen – aber mehr symbolisch als überzeugt. Der sympathische Verein hat einen Obmann, Schrift- und Säckelwart, und kein deutscher Student, der sich eine Weile in Paris aufhält, sollte versäumen, sich ihm anzuschließen.

Die wichtigste Rolle spielt, soweit das eigentliche Vereinsleben in Betracht kommt, der „Deutsche Turnverein“, dem die eingangs erwähnten Angriffe des französischen Patriotenbundes galten. Im September 1863 begründet, hatte er ganz bescheidene Anfänge. Die Aufmerksamkeit der Pariser zog er zum ersten Male auf sich, als er im Frühling 1865 ein öffentliches internationales Schauturnen veranstaltete, dessen Schauplatz der „Pré Catalan“ war. Ein zahlreiches Publicum wohnte dem Feste an, welches den Parisern etwas völlig Neues war, und die turnerischen Leistungen der Vereinsmitglieder machten auf die Zuschauer einen so mächtigen Eindruck, daß viele Franzosen sich zur Aufnahme in den Verein meldeten, sodaß die Befürchtung laut wurde, letzterer werde durch die Ueberhandnahme des französischen Elements seinen deutschen Charakter verlieren. Bis zum Kriege zählte der Verein zahlreiche französische Mitglieder, und hervorragende französische Gelehrte, Politiker und Schriftsteller rechneten es sich zur Ehre an, in demselben gelegentlich Vorträge zu halten; denn von seiner Gründung an hat der Verein in hoher Erfassung seiner Aufgabe nicht blos für die leibliche Entwickelung, nicht blos für die Unterhaltung und Zerstreuung, sondern auch für die geistige Fortbildung und Erhebung seiner Mitglieder gesorgt, indem er während des Winters wöchentliche Vorträge aus allen Gebieten des Wissens veranstaltete; die Geisteselite der Pariser Deutschen und hervorragende Gäste aus der Heimath hielten es für ihre patriotische Pflicht, das Bildungsstreben des Vereins zu unterstützen, und wenn wir die Liste der Redner überblicken, welche an den Vortragsabenden des Vereins gesprochen haben, so finden wir Karl Vogt, Ludwig Bamberger, Ludwig Simon (Trier), Gottfried Kinkel, Julius Oppert, Rudolph Virchow und ähnliche Namen von vornehmstem Klange.

Der Verein war angesehen, wohlhabend, materiell in voller Blüthe, als der Krieg ausbrach und ihn gleich einer Sturmfluth aus der Pariser Gesellschaft wegfegte. Nach wiederhergestelltem Frieden fanden sich wohl einige Mitglieder von Neuem in Paris zusammen, aber für’s Erste konnten sie noch nicht daran denken, die alten, ihnen lieb und theuer gewordenen Vereinstraditionen wieder anzuknüpfen. Es galt zunächst, sich möglichst klein zu machen, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, dem frischen Haß der Pariser gegen alles Deutsche keine Nahrung zu bieten. Im Jahre 1872 aber schritten die eifrigen und treuen Mitglieder zur Wiederbelebung des Vereins.

In der Wohnung des berühmten Augenarztes Dr. Eduard Meyer versammelte man sich, anfangs blos ein Häuflein von zwölf bis fünfzehn Getreuen; allmählich erweiterte sich der Kreis; neue Elemente schlossen sich dem alten Kern an, und heute zählt der Verein wieder 250 Mitglieder. Dr. Eduard Meyer ist noch immer Präsident desselben; seine Verdienste um den Verein können nicht genug gewürdigt werden. In schwierigsten Zeiten, als ein hoher moralischer Muth dazu gehörte, in Paris den erbitterten Franzosen gegenüber deutsche Bestrebungen zu vertreten, als es sogar mit wirklicher Gefahr verbunden war, an der Spitze einer deutschen Gesellschaft zu stehen, leitete er den Verein mit geradem Sinne und fester Hand, beschwichtigte das Mißtrauen der Behörden, trat den Zeitungsangriffen entgegen, erhielt durch Beispiel und Reden in den Vereinsmitgliedern die Liebe zum Vaterlande, einen hehren deutschen Idealismus und Vertrauen zur Zukunft des Vereins lebendig und war überhaupt der gute Geist des deutschen Turnvereins. Wenn der letztere seine jüngste Krise ohne Schaden überstanden hat und sich anschickt, in einem neuen Local weiter zu blühen, so schuldet er auch dafür seinen Dank in erster Reihe der Unerschrockenheit und festen Treue seines Präsidenten Dr. Eduard Meyer.

Der Turnverein besitzt heute ein Vermögen von über 7000 Franken, eine Bibliothek von 4000 Bänden, die durch Spenden deutscher Schriftsteller und Verleger fortwährend bereichert wird, eine Turnhalle und einen Vereinssaal, den die Büsten Goethe’s, Schiller’s und Vater Jahn’s schmücken. Er veranstaltet wöchentlich gesellige Zusammenkünfte, bei denen Chöre gesungen, Musikstücke und Vocalquartette aufgeführt und Vorträge gehalten werden; er feiert die großen Jahrestage der Literaturgeschichte, den Weihnachts- und Fastnachtsabend durch Feste, die durch die frische Jugend, das Talent und die überschäumende Lebensfreudigkeit der Mitglieder einen poetischen Aufschwung nehmen, und er ersetzt den Letzteren im Allgemeinen Familie und Heimath, soweit diese in der Fremde eben zu ersetzen sind. Im Turnverein steht man auf deutschem Boden. Man fühlt sich da von Lüften der Heimath umweht und verliert auf Stunden vollständig die kalte Empfindung des Fremd- und Vereinzeltseins in der großen Menschenwüste Paris.

Aus dem Turnverein hat sich ein „Deutscher Quartett-Verein“ entwickelt, der, wie sein Name besagt, besonders der Pflege classischer Kammermusik obliegt, während ein anderer Verein, die „Teutonia“, den Männergesang cultivirt. Die „Teutonia“ konnte in diesem Jahre das Fest ihres fünfundzwanzigjährigen Bestandes feiern, zu dem Emil Rittershaus einen schönen poetischen Gruß sandte.

Dies sind die sechs deutschen Vereine, die augenblicklich in Paris wirken und gedeihen. Alle haben sich edle und hohe Ziele gesteckt und streben mit idealen Mitteln darnach, sie zu erreichen. Wenn sie von einem Theile des französischen Publicums scheel angesehen werden, so geschieht dies nur so weit man ihre Thätigkeit nicht kennt. Ein Franzose, der nur ein einziges Mal die Jahresausweise des Hülfsvereins mit ihren imposanten Summen der Unterstützungen überflogen, der nur ein einziges Mal die Musterherberge des protestantischen Jünglingsvereins besucht und dessen Sonntags-Zusammenkünften angewohnt, der nur ein einziges Mal mit dem Studentenverein gekneipt, nur einen einzigen Abend im Turn-, im Quartett-, im Männergesangsverein verbracht hat, der wird, er mag sonst für die Deutschen noch so feindselige Empfindungen haben, vom deutschen Vereinsleben in Paris gewiß nie wieder anders als mit Achtung und Anerkennung, vielleicht mit Bewunderung sprechen.




La Befana.

Von E. von Hörschelmann.


Schon bei den alten Römern gab es ein Fest der „Erscheinung“, Praesentia Jovis, gleichbedeutend mit dem griechischen Epiphania.

An diesem Feste der „Erscheinung“ pflegte – der Sage nach – Jupiter sich auf die Erde nieder zu lassen. „Und bei dem Erscheinen des Gottes bebten die Gewölbe des Himmels; die Festen der Erde erzitterten; die Thiere flohen erschrocken in ihre verborgensten Höhlen und Gruben, für die Menschen aber war das Fest der ‚Erscheinung‘ ein Fest der Freude und des Jubels und zugleich ein Tag der Furcht und des Schreckens; – des Jubels für diejenigen, welche Gnade vor den Augen des Gottes gefunden; denn sie durften an diesem Tage auf die Erfüllung ihrer sehnlichsten Wünsche rechnen – der Furcht für diejenigen, welche ihn erzürnt; denn über ihnen entlud sich sein Grimm.“

Nachdem das Christenthum sich die Weltherrschaft erobert und an die Stelle des Olymp und seiner Götterschaaren der Hügel von Golgatha mit dem gekreuzigten Weltheiland getreten war, verwandelte sich das ehemalige Fest der „Erscheinung Jupiters“ in das Fest der „Erscheinung Christi“, oder der ersten Manifestation dieser Erscheinung in Form der Anbetung der heiligen drei Könige, die dem neugeborenen Kinde ihre Opfergaben darbrachten.

War das Fest der Praesentia Jovis (der „Erscheinung Jupiters“) im Alterthum ein Fest der Segenspende für diejenigen gewesen, die der Gott begünstigte, so behielt die volksthümliche Bedeutung des christlichen Epiphaniafestes – ebensowohl an die Sagen des Alterthums, wie an die Darbringung der Geschenke der Könige anknüpfend – den durch jene Reminiscenzen bedingten Charakter in jedem Sinne bei.

Die eigentliche Feier bestand nach wie vor in der Spendung unerwarteter Gaben und in Ueberraschungen, die man sich wechselseitig bereitete.

Unter den mancherlei besonderen Sitten und Gebräuchen, die sich von jeher an das Epiphaniafest knüpften, taucht schon im dreizehnten Jahrhundert das noch heutzutage in Deutschland und Frankreich bekannte „Bohnenfest“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 868. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_868.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2023)