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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

gelagert haben könnten. Uebrigens scheint die Sehnsucht von der Palme und der Fichte, wie sie Heine so wunderbar einfach und stimmungsvoll besingt, sich an diesem Orte erfüllt zu haben; denn im Tode vereint lagern hier tropische Hölzer in stiller, friedsamer Geselligkeit neben den nordischen Kindern – bis die gefräßigen Sägen dem träumerischen Stillleben ein jähes Ende bereiten.

Es ist ganz erstaunlich, was dieses Heer von Gatter-, Cirkel, Band- und Handsägen mit ihren Haifischzähnen in Jahr und Tag aufzehren, und man möchte dem Schöpfer danken, daß die schönen Zeiten des Freiholzes in sagenhafte Fernen gerückt sind. Diese einzige Fabrik hätte sicher in nicht zu langer Frist ganz Sachsen kahl gefressen. Jetzt betheiligen sich, dank den Eisenbahnen, weite Länder daran, den Rabenauer Holzbedarf zu decken. Nur die weichen Hölzer liefert ausschließlich noch immer Sachsen; die Eichen schafft hauptsächlich Oesterreich-Ungarn herbei, und den Hauptbedarf decken, die grünen Buchenwälder im nördlichen Deutschland. Auf der rothen Erde besitzt die Fabrik einen eigenen Forst mit einer Schneidemühle, welche gleich die zugeschnittenen Stuhlbeine und ähnlichen Massenbedarf nach Rabenau abliefert.

Die Rabenauer Möbelfabrik.
Nach einer Skizze von A. Flamant.

Besonders sehenswerth ist die fabrikmäßige Herstellung des Rabenauer Hauptartikels, der sogenannten gebogenen Möbel, die ja aller Welt bekannt sind. Vielleicht sitzt so mancher Leser auf einem Rabenauer Kaffeehausstuhl Nr. 14 oder liegt hingegossen auf einem Schaukelstuhl Nr. 19 b, wenn er diesen Artikel zu Gesicht bekommt. Für diesen Fall möchte der Verfasser bitten, der Beschreibung durch die Anschauung zu Hülfe zu kommen.

Das zierlich verschlungene Holzwerk eines solchen Möbelstückes, welches sich in graziösen Schwingungen und Windungen so gefällig an einander schmiegt und in einander verläuft, unterscheidet sich in rohem Zustande kaum von einer gewöhnlichen Zimmermannslatte. Einige Dutzend Rundhobelmaschinen bearbeiten zunächst diese vierkantigen Holzstäbe, die in vielen Tausenden der Veredlung harren, und geben ihnen die feineren Nuancen in der Stärke, die Verjüngungen und Anschwellungen, welche ein Element der Arabeske bilden.

Auf diese Weise schafft man sich ganz bedeutende Vorräthe von kurzen und langen, dünnen und dicken Stuhl-, Tisch- und Sophabeinen, Sitzen und Lehnen, die zunächst nur harte Stäbe darstellen. Aber man schichtet sie in großen Dampfretorten eng zusammen, setzt sie unter einen Dampfdruck von vier Atmosphären

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_029.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2023)