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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Die gegenwärtig in Deutschland weilenden Samojeden stammen von der Insel Warandei her und sind die ersten ihres Stammes, die überhaupt nach Europa gekommen sind. Ein russischer Kaufmann, Namens Kalinzoff, trieb lange Zeit Handel mit den Samojeden und kam auf den Gedanken, einige dieser Leute zu einer „Kunstreise“ nach der civilisirten Welt zu veranlassen. Es gelang ihm auch wirklich, zwei Männer mit ihren Frauen und einem Kinde für diesen Plan zu gewinnen, und nachdem die fünfköpfige Gesellschaft ihr Hab und Gut auf Schlitten geladen hatte, zog sie von Warandei nach Archangelsk und von dort nach Petersburg. Das älteste Mitglied dieser Truppe erlag in Prag einer Krankheit; es war der alte Wasco, welcher schon arg verstümmelt zu uns gekommen war, da er im Kampfe mit einem Eisbären einen Fuß und an der rechten Hand drei, an der linken Hand aber zwei Finger verloren hatte. Die übrigen vier Samojeden erfreuen sich guter Gesundheit und werden hoffentlich ohne Unfall in ihre Tundra heimkehren.

Unsere heutige Abbildung zeigt uns die Leute und ihre Jurta, wie sie in dem zoologischen Garten zu Leipzig aufgeschlagen war. Die ältere Frau, Njeja, ist die Wittwe des verstorbenen Wasco und zählt vierzig Jahre; sie hat ihm vor sechs Jahren den Knaben Ortje geschenkt, der, in ein Renthierfell eingenäht, mit europäischem Spielzeug sich die Zeit zu vertreiben weiß. Das junge Ehepaar, der neunzehnjährige Iderach und die siebenzehnjährige Piripitja war kinderlos, als es die Reise antrat. Vor Kurzem aber erblickte ein munterer Samojedenknabe in unserer Kaiserstadt das Licht der Welt und das Heidenkind wurde in der russischen Capelle getauft.

Die Samojeden im zoologischen Garten zu Leipzig.
Nach der Natur aufgenommen von Gustav Sundblad.

Die kräftig gebauten, vier bis fünf Fuß hohen Leute machen keineswegs einen unangenehmen Eindruck, und widerwärtig ist nur ihr Anblick, wenn sie rohes Renthierfleisch oder blutige Weißfische verzehren. Auch ihr Hab und Gut: die Jurta, einige Kleidungsstücke aus Renthierfellen, die üblichen Schneeschuhe und ihre Hausthiere, die Renthiere, deren Zahl auf acht Stück zusammengeschmolzen ist, und der sibirische Hund, bietet viel Interessantes.

Wenn nun unsere seltenen Gäste in das Land ihrer Väter heimgekehrt sein und in der langen Polarnacht ihren Landsleuten von den Ländern und Völkern, die sie gesehen, erzählen werden, dann wird wohl ein großes Staunen im Samojedenlande herrschen, bis die Ungläubigen Herrn Iderach und seine Gemahlin, sowie die verwittwete Njeja im Stillen einer maßlosen Aufschneiderei beschuldigen.

v. J.




Vor zwölf Jahren in Paris.

Eine Kriegserinnerung, von Friedrich Hofmann.
1.00Am 7. Februar 1871.

Vierundzwanzig Stunden im Paris der bittern Noth“ – so lautet die Ueberschrift eines Artikels in Nr. 12 der „Gartenlaube“ von 1871, in welchem ich meine Erlebnisse am 7. und 8. Februar in der damals, in Folge des Abschlusses der Kapitulation von Paris und des Waffenstillstandes, erst seit wenigen Tagen dem Verkehr wieder erschlossenen Stadt zu schildern versuchte. Da ich den Plan hegte, über meine „Fünf Wochen in Frankreich, vom 12. Januar bis 14. Februar 1871, mit Abstechern nach Straßburg, Nanzig, Orleans und Paris“, in einem besonderen Buche ausführlichen Bericht zu erstatten, so wollte ich auch von dieser Pariser Fahrt nur das Hervorstechendste erzählen, das geplante Buch blieb jedoch so unvollendet, wie der oben genannte Artikel, ersteres wohl, ohne vermißt zu werden; war doch der Büchermarkt mit Kriegserinnerungen so reich bestellt, daß ich mich scheute, auch meinen Beitrag dazu zu geben. Jetzt aber, wo ein Zeitraum von zwölf Jahren das Bild von Paris, wie es damals war, das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_097.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2023)