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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Spielleute, von denen die höfische Kunst der Minnesänger dem Volke übermittelt, verdeutlicht und angeeignet wurde. Wie weit aber der Weg von Walther von der Vogelweide bis zu Heinrich Heine sein mag, ihr Gebiet ist dasselbe und nicht größer oder kleiner als das Menschenherz mit seiner Fülle von Lust und Leid, und dieses Gebiet beherrscht Julius Wolff mit gleicher Sicherheit und vollendeter Meisterschaft. Auch hier ist der Erfolg nicht ausgeblieben, mit erklärlicher Vorliebe bemächtigen sich alle Tonsetzer seiner Texte, er gehört jetzt schon zu den meistcomponierten Dichtern, und die Concertprogramme wetteifern mit den Theaterzetteln in der Verkündung seines Ruhmes.

Nicht minder genau als das Menschenherz kennt er das Wesen und Walten der Natur, ihre Gebilde und Erscheinungen sind ihm vertraut, alle ihre Stimmen dem der Vogelsprache Kundigen verständlich. Das dankt er seiner Heimath, dem Harzgebirg, wo im Thal der wilden Bode seiner „goldnen Jugend Stromgebiet“ belegen. Der Heimath dankt er aber auch ein besonderes Lied, das er nur von ihr empfangen und ihr wieder gewidmet hat. „Der wilde Jäger. Eine Waidmannsmär“ erschien 1877 und beginnt mit einer Schilderung des erwachenden Frühlings, die zu dem Schönsten gehört, was unsere Literatur an beschreibender Poesie besitzt. Von allen Dichtungen Wolff’s ist dies vielleicht die vollendetste, namentlich in der Handlung einheitlichste und wirksamste, hier auch der geschichtliche Ausblick der klarste und weiteste. Der wilde Jäger, die Versinnbildlichung der trotzig auf sich beruhenden Manneskraft, die, selbst eine elementare Gewalt, im Kampfe mit den Mächten der Natur ihre höchste Bethätigung findet und der Muskelstärke des Eigenwillens gegenüber weder die Berechtigung des Geistes, noch die Schranke des Gesetzes und der Sitte anerkennt, ist von der Sage auf die Grenze zwischen das germanische Heidenthum und den siegreichen Christusglauben gestellt; durch die vergeistigte Natur, welche den Todesseufzer des gekreuzigten Erlösers wehmüthig widerhallt, jagt lärmend und heulend, unter Donner und Blitz, der gespenstische Spuk einher, ein begrabenes Geschlecht, das zu mitternächtigem Scheinleben erwacht. Wolff hat dies zwar festgehalten, seinen Grafen Hans Hackelberend aber untergehen lassen auf der Scheide einer späteren, uns näher liegenden Zeit. Er fällt, ein Vertreter und Verfechter des eigensüchtigen, hartherzigen Faustrechts, der Himmel über der erstürmten Burg ist von der rächenden Flamme des Bauernkrieges blutig geröthet, und unaufhaltsam wälzen über die zusammenstürzenden Wälle die Schaaren der Unterdrückten und Rechtlosen sich herein, die mit den Werkzeugen der Arbeit das Schwert in der eisernen Ritterfaust zerschlagen.

Wie wunderbar aber die versinkende Welt gewesen, welch unverwelkliche Blüthen auf ihrer Höhe sie getrieben, deren berauschender Duft die spätesten Geschlechter noch entzücken und berücken wird, das hat so stimmungsvoll und überzeugend kein Anderer uns noch gezeigt, wie „Tannhäuser. Ein Minnesang“ von Julius Wolff.

Das Jahrhundert der Hohenstaufen und der Kreuzzüge, der Kaiser und Päpste, Welfen und Ghibellinen, der Ritter und Minnesänger, Turniere und Minnehöfe – hier steigt es auf in alter, unvergänglicher Pracht, mit reicher Fülle der Gestalten, glühendem Farbenglanz und strotzender Lebenskraft. Abend- und Morgenland, die Meeresbraut Venedig, das ewige Rom und Byzanz mit seinen goldenen Kuppeln fesseln die Blicke, aber als Mittelpunkt des Ganzen erhebt sich aus dem deutschen Walde die liebliche Wartburg. Des Gottesfriedens, des echten Ritterthums und der reinen Minne schützende Veste bannt sie den Zauber des unheimlichen Hörselberges, in dessen Tiefe Frau Venus dem Fall des strauchelnden Sängers lockend die Arme entgegenstreckt. Sie vermag ihn nicht zu halten, im Feuer der Leidenschaft wird nur das reine Gold seiner Saiten für den unsterblichen Gesang seines kurzen Lebens geläutert. Entronnen aus dem Banne der Teufelinne, in strengster Verborgenheit sich haltend, schickt Heinrich von Ofterdingen seinem Volke als Abschiedsgruß das Nibelungenlied, reitet auf das Schlachtgefild, und „niemals gelangte wieder Kunde von ihm zu eines Menschen Ohr“.

In diese glänzenden Schilderungen hat Wolff seine schönsten Lieder gestreut, im Sängerkrieg den höchsten Gipfel seiner Kunst erstiegen; das „ergreifende Singen“, mit welchem der schon besiegte Tannhäuser dem siegreichen Wolfram von Eschenbach den Kranz wieder aus der Hand und den Sieger selbst an seine Brust zwingt, wird auch die strengsten unter den heutigen Richtern hinreißen.

Das deutsche Volk hat seinen Richterspruch gefällt; seit acht Jahren erst ist ihm der Name Julius Wolff genannt, und weit über hunderttausend Bände sind mit diesem Namen seitdem in alle Welt gegangen, in jedem Jahre mehren sich die Auflagen der erschienenen Werke, denen hoffentlich noch viele neue folgen werden.

Auch auf dramatischem Gebiete hat Wolff sich versucht, ohne bisher einen entschiedenen Erfolg zu erzielen; seine Stärke liegt vor Allem in seinen Liedern, in deren Ursprung das Geheimniß ihrer Wirkung ruht:

„Die Blumen flüstern sie mir zu
Und wildes Waldgesinde,
Ich höre sie bei guter Ruh’
Im Wasser und im Winde.
Aus Mädchenaugen les’ ich sie
Mit Lachen und mit Scherzen,
Aber sie kommen anders nie,
Als auf dem Weg zum Herzen.“




Ein Triumph deutscher Kriegs-Industrie.

Wenn auch die Reichstagsverhandlungen über den Militäretat und der Steuerzettel uns Bürgern des neuen deutschen Reichs die Allen angeborene Freude am Soldatenleben bisweilen mehr oder weniger verleiden, so genügt doch schon ein Blick in die Geschichte unseres Volkes, namentlich der letzten zwei Jahrhunderte, um uns die Schatten über etwaige Ansprüche unseres Kriegsministers rasch zu verscheuchen. Wie viele Milliarden deutschen Staats- und Volksvermögens, wie unsägliches Familienelend, wie viel Trauer und Schmach über verlorene Schlachten und Gebiete hätten unserem Vaterlande erspart werden können, wenn man nicht nur allzu oft mit den Millionen für tüchtige Kriegsrüstung gegeizt, oder sie für den oft nichtswürdigsten Luxus verschwendet hätte! – Ja, der Steuerzettel ist jetzt manchmal drückend, aber wie erleichtert fühlt sich unser Herz, wenn wir heute auf unser Heer und nach unseren Grenzen schauen! Mit welcher Ruhe, mit welchem Vertrauen können wir dies! Die in der Weltgeschichte einzig dastehende Feuerprobe des zum ersten Mal seit Jahrhunderten im Kampfe vereinigten und alleinstehenden deutschen Heeres in Frankreich erfüllt uns mit der Zuversicht, daß bis ins Herz Deutschlands kein Feind wieder dringen werde.

Eben deswegen überschlagen wir beim Zeitungslesen sicher keinen Bericht, der uns über neue Versuche und Fortschritte auf dem Gebiete unserer Kriegsrüstungen belehrt. Wir wissen, daß nur die vollendetste Schlagfertigkeit und Waffentüchtigkeit unserer Land- und Seemacht uns den Frieden sichert. Besonders anziehend für uns alle ist die Großartigkeit, die in dem technischen Theile des Rüstungswerkes uns am anschaulichsten vor Augen tritt. Bekanntlich stehen seit langer Zeit sich Schutz- und Trutzwaffen im Wettstreite gegenüber, und namentlich überbieten sich gegenseitig die Kaliber der Geschütze und die Stärke der schützenden Panzerplatten von Schiffen und Landbefestigungen. Gerade auf diesem Gebiete ist nun der deutschen Technik ein Fortschritt gelungen, über welchen unseren Lesern sicherlich eine illustrirte Belehrung willkommen sein wird.

Das letzte Jahrzehnt hat nämlich unser Vaterland in vielen Beziehungen aus der ehemaligen drückenden Abhängigkeit von auswärtiger Industrie-Übermacht erlöst. Ebenso wie das friedlichste Werkzeug, die Nähmaschine, ihre amerikanische Schwester nicht nur völlig erreicht, sondern in mancher Richtung überholt hat, konnte auch die deutsche Flotte sich von Englands Walzeisenwerken lossagen, indem seit 1878 die Dillinger Hütten an der Saar die für die kaiserliche Admiralität zum Bau neuer Panzerschiffe erforderlichen Walzeisenplatten in vorzüglichster Güte liefern. Schließlich, und das muß als ein großer Triumph gelten, ist es Deutschland in wenigen Jahren gelungen, das beste Material für die Panzerung seiner Land- und Küstenbefestigungen in dem sogenannten Hartgußeisen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_207.jpg&oldid=- (Version vom 25.12.2023)