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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

„Meine Hülfe überflüssig zu machen!“ ergänzte Raimund. „Ich hätte es vorher sehen können! Und die Frau weigert sich natürlich, die Unterstützung von meiner Hand anzunehmen?“

Feldberg zuckte die Achseln und schwieg.

Der Freiherr brach mit einer krampfhaften Bewegung das Papier zusammen, das er noch in der Hand hielt.

„Gut, so senden Sie das Geld den Armen von Buchdorf; da das Gut Eigenthum meines Neffen ist, wird man ihnen die Annahme hoffentlich erlauben. Sollte es dennoch nicht der Fall sein, so melden Sie es mir.“

Er gab dem Verwalter einen Wink, sich zu entfernen, aber Feldberg blieb stehen und sagte zögernd:

„Ich habe noch etwas mitzutheilen, gnädiger Herr. Ich fürchte, es wird Ihnen unangenehm sein, aber erfahren müssen Sie es ja doch – die große Ceder im Parke ist heute Morgen gefallen.“

Raimund fuhr auf, und sein Auge richtete sich forschend und finster auf den Sprechenden.

„Wie konnte das geschehen? Der Wind war ja doch ganz unbedeutend heute Nacht, und die Ceder hat länger als fünfzig Jahre den heftigsten Stürmen Widerstand geleistet. Der Fall muß irgend eine Ursache haben.“

„Die hat er auch und eine schlechte dazu!“ sagte Feldberg. „Der Stamm ist während der Nacht heimlich durchsägt worden, und da fiel der Baum beim ersten Morgenwinde.“

Raimund hatte sich erhoben, sein Auge sprühte auf in wildem Schmerz oder Zorn, man sah es, dieser Nachricht hielt auch seine Gelassenheit nicht Stand, aber er sprach kein Wort.

Paul dagegen brach empört aus:

„Das ist ja ein Bubenstück ohne Gleichen! Die prachtvolle Ceder, die in der ganzen Umgegend berühmt war als die Krone der Werdenfels’schen Gärten, die ein Menschenalter hindurch gegrünt hat und auf das Sorgsamste gepflegt worden ist! Raimund, diese Niederträchtigkeit darfst Du nicht ungestraft hingehen lassen. Der Baum war Dein Liebling, ich weiß es!“

„Eben deshalb mußte er fallen!“ sagte Raimund tonlos. „Man wird erfahren haben, daß er mir lieb war. – Aber laß Feldberg ausreden.“

„Die That muß von Mehreren verübt worden sein,“ berichtete Feldberg. „Wir haben auch bereits eine Spur gefunden, die nach dem Dorfe weist. Wenn Sie befehlen, gnädiger Herr, so soll die Untersuchung sofort –“

„Nein,“ unterbrach ihn Werdenfels. „Ich will nichts entdecken, was mich zwingen würde, zu strafen. Lassen Sie die Untersuchung fallen.“

„Ich begreife Deine Langmuth nicht,“ rief Paul unmuthig.

Der Verwalter aber sah ungemein erleichtert aus. Der Befehl des Freiherrn schien ihm sehr willkommen zu sein; er verneigte sich und ging.

(Fortsetzung folgt.)




Zu Richard Wagner’s Tod.

Von Ferdinand Avenarius.

Und so wäre es denn wahr: Richard Wagner ist todt! Wir wollten’s nicht glauben, daß er auch einmal alt werden, daß er gar sterben könne, er, der, so lange wir ihn kannten, nur wuchs und wuchs, der in jedem seiner Werke in vollerer Manneskraft vor uns zu treten schien. Und doch ist’s wahr, Richard Wagner weilt nicht mehr unter uns! Noch ein erhabenes Werk schuf er und fast ohne Krankheit trat er aus unserer Mitte. Wahrlich, hätte dieser Mann im Alterthum ein solches Leben so geschlossen – die Mythenbildung hätte sein Scheiden verklärt, und wie bei dem des Pythagoras würde die staunende Welt nicht sagen: er ist todt, sondern: er ist zu den Göttern entrückt.

Aber der Künstler Wagner lebt ja noch! Er wird leben und uns vom Alltagsleben zu freier Höhe emporziehen, so lang uns seine Klänge durchrauschen. Der Mensch Richard Wagner, der kleine große Mann mit dem entschlossenen Mund, den durchdringenden Augen, der gewaltigen Stirn – seiner freilich werden wir uns nie mehr erfreuen. Und wie wir einem treuen Freund, der auf immer von uns geht, noch einmal recht tief und innig in’s Antlitz schauen, uns seine Züge treuer zu bewahren, so suchen wir uns heut die Züge tiefer einzuprägen, die das Bild des Menschen im Geschiedenen formten.

Ein wenig dazu soll auch das Folgende beitragen. Nicht aber von dem Wagner der letzten Jahrzehnte will ich sprechen, nein, von dem Wagner will ich erzählen, von dem noch kein Musiker sprach, den Keiner kannte, als der, der mit ihm verkehrte – vom Knaben Wagner. Und keine Biographie will ich geben: der Abriß seines Lebens ist ja uns allen bekannt, und wär’s auch nur durch jenen Aufsatz, den die „Gartenlaube“ vor ein paar Jahren brachte. Ein wenig plaudern wollen wir zusammen, mein lieber Leser, wie wir von theuren Todten in der Dämmerstunde zu plaudern gewohnt sind – taucht doch ihr Bild klarer vor uns herauf, wenn wir statt Daten und Jahreszahlen dem freundlichen Gruß kleiner lieber Erinnerungen lauschen, wie sie kommen und gehen und uns anheimelnd durch die Seele klingen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_220.jpg&oldid=- (Version vom 27.12.2023)