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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Gesundheit des die Ausstellung besuchenden Publicums und für die Sicherheit ausgestellter Gegenstände nur bei massiv ausgeführten Gebäudeconstructionen übernommen werden könnte. War man daher früher aus finanziellen Gründen vor dem Gedanken zurückgeschreckt, für vorübergehende Zwecke massive Bauten auszuführen, so lag jetzt die Nothwendigkeit so dringend vor, daß „die finanziellen Rücksichten nicht mehr vorwiegen konnten“.

Als selbstverständlich ging die furchtbare Lehre, welche durch den Brand der Hygiene-Ausstellung der ganzen civilisirten Welt zu Theil geworden war, nicht verloren. Ich sehe ab von der Geschichte der Wiederherstellung des Werkes – die ganze Presse hat dieselbe ja Schritt für Schritt verfolgt – nur das Eine mag auch hier wiederholt werden, daß der Vorstand am Tage nach dem Brande, gestärkt und ermuthigt durch die Beweise der lebhaftesten Sympathie, die ihm vom deutschen Kaiserpaare, dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, dem Fürsten Bismarck, den höchsten Behörden und allen Schichten des Volkes zugingen, sofort den Beschluß faßte, unter allen Umständen den großartigen, der Ausstellung zu Grunde liegenden Gedanken nun erst recht und in vollendeterer Form in’s Leben zu rufen. Dadurch, daß der deutsche Kaiser dem Unternehmen 100,000 Mark bewilligte, und durch die Munificenz der Stadt Berlin, die 200,000 Mark hergab, und durch die überaus ergiebigen Einzeichnungen zum Garantiefonds sahen wir uns in den Stand gesetzt, gleich nach den ersten Organisationsarbeiten auf Grundlage eines sorgfältig aufgestellten Entwurfes eine beschränkte Concurrenz für ein massives Ausstellungsgebäude, hauptsächlich in Eisenconstruction, ausschreiben zu können, und in dem Augenblicke, da diese Blätter zum Drucke gehen, wird das Gebäude bis auf einen Theil der majestätischen Kuppel, wie es die beiliegende Abbildung giebt, vollendet dastehen.

Ganz abgesehen von seiner Feuersicherheit bietet das neue Gebäude noch darin eine sehr wichtige Eigenthümlichkeit, daß die Ingenieure Dr. Pröll und Scharowsky in Dresden statt durchgehender Hallenbauten, wie es das Programm eigentlich verlangte, selbstständig neben einander gesetzte Eisensysteme in’s Leben riefen. Es liegt nämlich die Möglichkeit vor, daß man die Gebäude am Schlusse des Jahres wird abbrechen müssen, da das Grundstück dem Staate gehört. In diesem Falle erleichtert das gewählte System den Abbruch und Wiederaufbau ganz außerordentlich, und wird dieser Bau nach dem Schlusse unserer Ausstellung demnach noch oft genug ähnlichen humanen Zwecken dienen können.

Die Schöpfer des Entwurfes haben ihn in constructiver Beziehung sehr tüchtig durchgearbeitet, während nach der künstlerischen und architektonischen Seite hin die Architekten Kyllmann und Heyden die ihnen gewordene Aufgabe bei aller Einfachheit in musterhafter Weise gelöst haben. Die Ausführung der Arbeiten selbst ist so beschleunigt worden, daß man die bestimmte Zuversicht hegen darf, daß die Eröffnung der Ausstellung auf den Anfang Mai dieses Jahres festgesetzt werden kann. Das Gebäude bedeckt eine Fläche von 11,500 Quadratmeter, und wird die umstehende Abbildung das Verständniß der kurzen Notizen über die in ihr durchgeführten Verhältnisse erleichtern. Den Einzelsystemen ist ein Maß von neunzehn Metern zu Grunde gelegt. An die fünfundzwanzig Systeme der quadratförmigen Gruppe schließen sich in der Hauptaxe drei weitere Systeme und zwei polygonale Hallen. Letztere umfassen zwei größere, zu Restaurationszwecken bestimmte Höfe, während sich in den mittleren Systemen vier kleinere Höfe einbauen, welche zur Schaffung von seitlichem Licht und für die Zwecke der Wasserableitung angeordnet sind.

Die äußere massiv in Rohbau ausgeführte, von Portal- und Fensterbauten durchbrochene Umfassungsmauer ist 4 Meter und die darüber befindliche Fensterwand 5,7 Meter hoch. Außer dieser directen seitlichen Beleuchtung erhält jedes System noch hohes Oberlicht durch die 2 Meter hohen senkrechten Wände des oberen Aufsatzes. Das Mittelsystem der Hauptfront ist als Kuppelbau mit besonders vorgezogenem Hauptportal ausgebildet. Die Größe der bebauten Grundfläche beträgt im Ganzen 75,500 Quadratmeter oder rund 30 Morgen. Die Einzelbauten nehmen 3600 Quadratmeter, die Restaurationshallen 3200, die Eisenbahnhalle 1500 Quadratmeter ein.

Das neue Gebäude macht den Eindruck einer großen Einfachheit und eines gewissen Ernstes. Aber auch in diesem Jahre hat man nicht versäumt, für eine gediegene künstlerische Ausstattung desselben zu sorgen.

Das große Eingangsportal des Hauptgebäudes ist durch eine Kolossalgruppe in bronzirtem Gyps geschmückt, zu welcher der Bildhauer Arnold Brütt das Thonmodell fertiggestellt hat. Ein hoheitsvolles Weib, die Göttin der Gesundheit, steht in der Mitte und soll gleichzeitig eine Personification der Menschenliebe sein, deren Symbol, das rothe Kreuz, ihrem Diadem eingefügt ist. Ein der Göttin zur Heilung übergebenes krankes und nun wieder genesenes Knäbchen gleitet aus ihrer Linken in die Arme der beglückten Mutter herab, die es knieend entgegennimmt. Zur rechten Seite klammert sich ein gestrandeter Schiffer, von Segelfetzen umflattert, mit der Linken an einen zerbrochenen Mast, während seine Rechte in den von der Göttin dargereichten Rettungsgürtel greift.

Ein anderer Bildhauer, Peter Brener, hat die Büste der Kaiserin ausgeführt, die in der Mitte des großen Kuppelsaales ihre Aufstellung finden wird. Sie krönt ein schlankes viereckiges Postament, zu dessen Füßen eine halbnackte, weibliche, ideale Gestalt sitzt und das lächelnde Antlitz dem Beschauer zuwendet. Der rechte Arm umschlingt das Wappen des Heimathlandes der erhabenen Protectorin, der linke das des deutschen Reiches. Das Postament selbst wird fast vollständig verdeckt durch Genien, die es mit Rosenketten und Draperien umwinden; Velarien, von Professor Preller in Dresden gemalt, bilden den Hintergrund, von dem sich die Büste der Kaiserin abhebt; auch sie repräsentiren ideale Seiten der Ausstellung, die Wohlthätigkeit, verkörpert durch die heilige Elisabeth, während auf der anderen Seite Genesene im Tempel des Aesculap zu Epidauros für ihre Heilung dem heilenden Gotte Dankopfer darbringen.

Im letzten Pavillon des Hauptausstellungsgebäudes befindet sich das Rundgemälde, welches in diesem Jahre an die Stelle von Christian Wilberg’s zerstörtem Meisterwerke getreten ist. Dasselbe ist nach den Plänen des Baurath Kyllmann und Professor Hertel ausgeführt, und Gastein, das durch seine heilkräftigen Quellen, wie durch den Zauber seiner Naturschönheit berühmt, wiederzugeben, war die dem Künstler gewordene, von ihm in vielbewunderter Genialität gelöste Aufgabe.

Wir blicken auf das herrliche Bad. Felsentreppen führen an einem rauschenden Wasser vorüber, das mit der mächtigen vom Bildhauer Herter ausgeführten Figur der Quellennymphe geschmückt ist, zu einer Gebirgshütte, von der aus nach drei Seiten hin sich die Blicke auf die Hochalpenwelt öffnen. In der mittleren Aussichtsstelle befindet man sich dem hoch an der Felsenwand schwebenden Wildbad Gastein gegenüber. Rechts und links hat der Maler die Nebenthäler Gasteins mit einer entzückenden Frische wiedergeben, und auch der Kaiser in seinem Gastein so bekannten Wagen fehlt nicht.

Indessen so sehr auch einer solchen Ausstellung der küstlerische Schmuck ziemt, so ist er doch nur etwas Nebensächliches, den zahlreichen Objecten gegenüber, die in den Pavillons dieses Glas- und Eisenpalastes sich zusammengefunden haben. Nicht in diesem Augenblicke kann es die Aufgabe sein, die einzelnen Objecte auch nur flüchtig zu skizziren; es fällt dies der ständigen Berichterstattung zu. Nur das mag schon heute hervorgehoben werden, daß die Ausstellung bei Weitem reichhaltiger geworden ist, als dies im vorigen Jahre der Fall war. Sie wird ein in dieser Vollständigkeit noch nicht dagewesenes Bild der Leistungen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, Gesundheitstechnik und des Rettungswesens geben. Der soeben vollendete Katalog weist über 1000 Nummern auf, und da gerade die kostbarsten Objecte fast alle gerettet worden sind und Regierungen, Gemeindeverwaltungen und Private darin gewetteifert haben, das Zerstörte wieder herzustellen, so können wir jetzt, nach wieder einem Jahre schwerer Arbeit mit freudigem Stolze sagen, daß durch die allgemeine Theilnahme der Nation ein Werk zu Stande gekommen ist, welches Deutschland in jeder Beziehung zur Ehre gereichen wird.

Es mag noch gestattet sein, auf die Umgebung des Ausstellungsgebäudes zur ersten Orientirung einen Blick zu werfen. Inmitten der Parkanlagen befindet sich eine Wasserfläche von circa 3000 Quadratmeter, um welche sich die mit hübschen Bäumen und Bosquets bepflanzten Wege ziehen. Restaurants, Musikpavillons und eine stattliche Anzahl von weiteren Einzelbauten umsäumt die Gartenanlagen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_278.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2023)