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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Nimmt das Mädchen die vorläufige Bewerbung durch den Dudelsackpfeifer günstig auf, so darf der Bursche doch noch nicht selber kommen. Er muß nun Brautwerber schicken, welche der cimpoeru in das Haus der Begehrten führt. Im Sonntagsschmuck, ein Sträußchen am Hute, ein Sträußchen am Wamms und ein Sträußchen in der Hand, so treten sie vor die versammelte Familie hin, und der sprachgewandte, sangeskundige Pfeifer beginnt salbungsvoll:

„Hier, in dem Lande unserer Vorfahren, sind wir auf die Jagd gegangen. Im Walde, am See und auf der Haide sind wir dem Wilde nachgezogen, indem wir uns vom Honig der Bienen, von der Milch der Schafe und von den Eiern der Vögel nährten. Da trafen wir endlich, nachdem wir nur häßliche Schildkröten gefunden, auf ein edles, schlankes Reh; aber es ist entflohen, und als wir seiner Fährte folgten, so gelangten wir hierher. Und hier muß sich unsere Beute verborgen halten; sagt an, habt ihr es nicht gesehen, das schlanke Reh?“

Nach dieser Anrede wird der Dudelsack so lange bearbeitet, bis sich das Mädchen entfernt hat und in eine Kammer eingeschlossen worden ist. Dann antwortet der Vater oder die Mutter:

„Ihr seid auf falscher Fährte, edle Jäger. Ein solches Wild birgt unsere Hütte nicht; doch sehet selbst!“

Dabei wird die Großmutter vorgeführt.

„Sucht Ihr diese?“ fragt der Vater.

Ein energisches, stummes Kopfschütteln der Brautwerber verwahrt sich gegen diese Beute.

„Oder diese?“ fährt das Familienhaupt fort, indem die Mutter des Mädchens hervortritt.

„Das ist es nicht, das schlanke Reh,“ antwortet der Pfeifer.

„So kann es nur noch diese sein“ – und eine häßliche, schmutzige Magd wird mit der ernsthaftesten Miene vorgestellt.

„O nein, o nein,“ entgegnen die Burschen abwehrend und sichtlich entrüstet. „Unser Wild hat Haare, gelb wie Gold, hat Augen wie ein Falke, hat Perlenzähne in dem kirschrothen Mündchen, hat den Körper einer Löwin, die Brust einer Gans, den Hals eines Schwanes und Finger, zarter als Wachs; sein Antlitz aber ist leuchtender als Sonne und Mond. So gebt es denn heraus, denn es hat sich hier verborgen.“

Was thun? Der Dudelsack mahnt stürmisch zur Auslieferung, und so tritt sie denn hervor, züchtig und verschämt. Sie wird dem abwesenden Liebhaber feierlich zugesprochen, dann kehrt sie sogleich in die Kammer zurück, welche sie bis zum Hochzeitstage nicht mehr verläßt.

An diesem Tage hat der Bräutigam seine Ankunft im Hause der Braut durch Hochzeitsboten, colaceri, anzumelden. Die Verwandten des Mädchens stellen sich aber auf dem Wege auf, ergreifen die colaceri, und führen sie als Gefangene in das Haus.

„Was habt Ihr hier vor unserer Hütte zu suchen, Ihr fremden Eindringlinge?“ fragt der Vater der Braut.

„Wir kommen, Euch den Krieg zu erklären,“ ist die Antwort. „Wir werden nicht ruhen noch rasten im Kampfe, bis wir die Festung im Sturme erobert haben.“

Unterdessen ist auch der Bräutigam, hoch zu Roß und begleitet von der Cavalcade seiner Freunde, eingetroffen, und sogleich beginnt der Kampf. Die Verwandten der Braut auf der einen, die Begleiter des Bräutigams auf der andern Seite – sie schwingen sich auf die bereitgehaltenen, kleinen, munteren Klepper und ordnen sich zum Streite, das heißt zum Wettrennen; Frauen und Mädchen zeigen sich da als ebenso gewandte Reiterinnen, wie die Burschen. Am Ziele steht die Braut mit den zwei Ehrenpreisen; der beste Reiter erhält auf den Hut ein langes, dreifarbiges Band, die schnellste Reiterin wird mit der mahrama geschmückt, jenem kleidsamen, golddurchwirkten und seidegestickten Schleier, wie er zur Nationaltracht gehört.

Jetzt erst, nach beendetem Wettkampfe, in welchem nach stillschweigendem Einverständnis gewöhnlich der Bräutigam als Sieger hervorgeht, erfolgt der Kirchgang zur Trauung. Vor dem Altare ist ein Teppich ausgebreitet, und unter diesen Teppich werden Geldstücke so ausgestreut, daß die Brautleute während der kirchlichen Feier dieses Geld mit Füßen treten. Es soll damit angedeutet werden, daß die Neuvermählten ihr Glück nicht im Gelde, nicht im Reichthum suchen sollen und wollen, sondern nur im stillen Frieden des Hauses; nur das Flittergold, welches der Braut (auch in den Städten noch) in die Zöpfe geflochten wird, soll symbolisch auch das materielle Wohlbefinden in der Ehe andeuten.

Zum Schluß der kirchlichen Ceremonie setzt der Pope einen Kranz, die cununa, dem jungen Ehepaar auf die Häupter, während einer der Hochzeitsgäste Haselnüsse ausstreut; diese gelten als Symbol des kindischen Spieles, und wie bei den alten Römern die Braut am Hausaltare den Penaten ihr Spielzeug opferte, wenn sie dem Hymen ihr Gelübde bringen wollte, so vernichtet sie heute bei den Daco-Romanen symbolisch ihr Spielzeug, indem sie die Haselnüsse zertritt.

Im Hause ihrer Eltern ist unterdessen die Hochzeitstafel angerichtet. Das junge Brautpaar nimmt die Ehrensitze ein, die Verwandten und Gäste ihnen zur Seite. Der cimpoeru darf hier selbstverständlich auch nicht fehlen; er hat sogar ein halbes Dutzend Zigeunerlautare (die lautari sind die nationalen Musikanten) mitgebracht, und Laute, Dudelsack, Geige und Hirtenflöte überbieten sich in den verworrensten Phantasien. Jede Lautarbande hat ihren Sänger, der sich selbst mit der Laute, mit der Guitarre begleitet. In theatralischer Position, die dunklen Gluthaugen unverwandt auf die Neuvermählten geheftet, singt er seine Liebeslieder, welche in ihrer urwüchsigen Naivetät und Derbheit allerdings nicht hoffähig sind; dazwischen brummt der Dudelsack, jauchzt die Fiedel, klagt die Flöte.

Ist die Tafel aufgehoben, so geht es zum Tanze, vorher aber erfolgt die Vertheilung der Hochzeitsgeschenke. Es ist in der That eine Vertheilung, denn nicht nur die Brautleute nehmen die Angebinde der Gäste in Empfang, sondern jeder Theilnehmer am Hochzeitsfeste erhält von Braut und Bräutigam ein Geschenk zur Erinnerung an den Freudentag.

Ein geeigneter Raum im Hofe ist zum Tanzplatze hergerichtet worden, und es ordnet sich der Zug – die Lautare an der Spitze – zum Aufbruch dahin. Vor der Thür aber, welche aus dem Gastzimmer führt, steht ein riesiger Topf, gefüllt mit Wasser; daneben liegt ein Stück Brod mit Honig bestrichen. Mit einem kräftigen Tritte wirft die Braut das Gefäß um, sodaß sich sein Inhalt weithin ergießt: so viele Tropfen den Boden befeuchten, so viele Jahre soll die glückliche Ehe währen, so viele Kinder und Kindeskinder sollen sie segnen. Und das honigbestrichene Brod? Der Kampf um des Leibes Nahrung und Nothdurft ist schwer; darum soll Mann und Weib treu und fleißig zusammen schaffen und arbeiten, und wie jetzt Braut und Bräutigam das Honigbrod mit einander theilen, so wollen sie auch künftighin immer in Freud’ und Leid, in Arbeit und Genuß zusammenhalten.

Der Tanz währt bis zum Abend, es ist der Chorus der alten Römer, die Hora. Die Arme gegenseitig über die Schultern geschlungen, bilden Tänzer und Tänzerinnen einen großen Kreis, und nach einer eigenthümlich eintönigen, dabei aber leidenschaftlich wilden Melodie bewegt sich dieser Kreis rhythmisch bald nach rechts, bald nach links, während der Vortänzer, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf, in gewissen Zwischenräumen die Strophen eines Liebesliedes declamirt, dessen Refrain unter kräftigem Fußstampfen von Allen nachgesprochen wird.

Ermüdet und erschöpft kehrt endlich die Gesellschaft in das Haus zurück, und noch einmal, wie bei der Verlobung, wird die Braut in eine Kammer eingeschlossen. Der junge Mann verlangt seine Frau. Da stellen sich die Verwandten derselben, mit Beilen und Säbeln bewaffnet, vor der Kammerthür auf; er muß sich die Angetraute mit einem Geschenke an diese waffenstarrende Garde erkaufen. Vor dem Thore steht der Wagen bereit, welcher die junge Frau in das Haus ihres Gatten führen soll. Die Sestra, die Mitgift, ist bereits aufgeladen; jetzt wird sie in das Gefährte gehoben, in welchem Mutter und Schwiegermutter neben ihr Platz nehmen.

Der Bräutigam und seine Freunde schwingen sich auf ihre Pferde und begleiten den vom Ochsengespann oder von munteren Rossen gezogenen Brautwagen. (Vergl. Abbildung S. 305.) Peitschen knallen, Pistolenschüsse krachen, Hurrahrufe und Jauchzer beleben die wilde, fröhliche Fahrt bis an die Schwelle des Hauses. Und selbst hier wird dem jungen Eheherrn sein Weib noch einmal streitig gemacht; noch einmal stellen sich ihre Verwandten vor der Kammerthür auf, hinter welche sie sich geflüchtet hat. Er muß sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_306.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2023)