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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Sofort wird das Feld dort geräumt. Kaum ist das unterliegende Stockwerk erreicht, da erdröhnt die Luft; ein furchtbarer Krach, die Mauern erbeben – der Dachstuhl ist zusammengebrochen, das Schwerste ist gethan! Jetzt ist Luft da, jetzt läßt sich der Herd des Feuers in seiner ganzen Ausdehnung beherrschen. Riesenhoch zum nächtlichen Himmel stürmen die bis dahin gefesselten Flammen, ein Funkenmeer breitet sich aus über das ganze Stadtviertel.

Dort aber, mitten aus dem Feuermeer, da wirbelt eine weiße Dampfsäule in die Höhe. Dort ist die Stelle, wohin jetzt die Dampfspritze ihren armdicken Wasserstrahl sendet. Minutenlang verweht sie in leichtes Gewölk, die Flammen scheinen sie gierig zu umschmiegen und zu verhöhnen, doch langsam weichen sie scheu zurück, niedriger lodert ihre Gluth. Dort auf der Firste des Daches vom Nachbarhause kann man jetzt, da die Flammen sich niedriger halten, einige Feuermänner erkennen. Sie stehen unbeweglich auf schwindelnder Höhe, vor ihnen das Feuermeer, unter ihnen die Tiefe, sie leiten den Strahl der Handspritze auf das zischende, dampfende Mauerwerk, um die Ausdehnung des Herdes zu verhindern. Dort benutzen zwei Andere eine ausgehobene Stubenthür als Schild gegen die rasende Gluth; langsam dringen sie vor, um immer neue Strahlen in das brennende, knisternde, prasselnde Gebälk zu lenken.

Immer größer wird die Dampfwolke, nur widerstrebend, oft sich wieder riesenhoch erhebend, züngeln die Flammen niedriger. Schwarzes Holzwerk schimmert auf Augenblicke hindurch, immer neue Wasserstrahlen kämpfen ohne Unterlaß weiter gegen das rasende Element.

Die Gefahr ist vorüber. Das Feuer kann nicht mehr weiter um sich greifen.

Immer kleiner werden die Flammen, sie züngeln nur noch hier und da an den rußigen Mauern, huschen über das schwarzgebrannte Gebälk, verschwinden immer mehr im gelblichen Qualm und im Wasserdampf.

„Schlauch zurück!“ ertönt das Signal.

Der Feuermann da oben auf dem Nachbardach läßt das messingene Mundstück seines Spritzenschlauches sinken; er fängt mit dem Munde das letzte noch herausquellende Wasser auf zur Erfrischung seines ausgetrockneten Gaumens, seines mit Qualm und Ruß gefüllten Mundes, seine beschmutzte Hand fährt über das schweißtriefende, vom Rauch geschwärzte Gesicht, er verläßt mit vorsichtigem Schritt die schwindelnde Höhe.

Die Flammen sind erstickt, nur hier und da glüht es noch im Gebälk und unter dem Schutt. Laternen erscheinen jetzt da oben im Dunkel der Nacht; wie Leuchtkäfer bewegen sie sich zwischen den geschwärzten Wänden und Balken, jedes Fleckchen wird untersucht, ob nicht noch irgendwo das feindliche Element versteckt heimtückisch brütet. Die Mannschaft löscht ab. Geschäftige Hände bringen Mollen und Schippen, der heiße Schutt wird hinunter geschafft.

Zwei Stunden sind vergangen nach dem ersten Signal. Das Gros der Feuerwehr rückt ab; nur Wachtposten beobachten noch die gespenstisch hervorragenden Balkenreste und Steinruinen des Giebels.

Alles ist still.

Das Dach, das noch vor zwei Stunden dem Hause unversehrt Schutz bot, es ist verschwunden, die reingefegte Diele des Bodens wird von den Sternen beschienen.

Auf dem Hofe sind die Reste des Gebälkes regelrecht aufgeschichtet, der Schutt liegt in geordnetem Haufen.

Der ehrsame Wirth und Bäckermeister hat sich nach und nach von seinem Schrecken erholt. Jedes Gesicht der Mannschaften hat ihn mit Zutrauen und mit Zuversicht erfüllt. Nun mag, so denkt er, die Versicherungsgesellschaft ihm den Schaden ersetzen. Er geht hinab in den Keller, wo der Backofen seiner wartet, und mischt und knetet tapfer mit den Gesellen die für den Morgen bestimmte Waare.

Nur die Familie im obersten Stockwerk kann keine Ruhe finden. Noch immer trieft das Wasser durch die Decke, und stets an anderer Stelle muß das Hausgeräth vor der Nässe geschützt werden. Ihnen ist die Nacht verloren; erst als der Morgen graut, können sie die übermüdeten Augen schließen.

Die Spritzen, Wasserwagen, Personenwagen sind in ihre Depôts zurückgekehrt. Die Pferde werden versorgt, die Utensilien geordnet, die rußigen Gesichter erfreuen sich des kühlenden erfrischenden Wassers. Endlich, nachdem alle Geräthe sorgfältig gereinigt sind, können die kräftigen Gestalten wieder auf ihrer Pritsche sitzen. Sie rauchen und plaudern und würden sich nicht wundern, wenn von Neuem die Alarmglocke läutete, wenn sie von Neuem hinausmüßten zu „Groß Feuer!“




Zehntausend Meilen durch den Großen Westen der Vereinigten Staaten.[1]

Von Udo Brachvogel.0 Mit Illustrationen von Rudolf Cronau.
II.
Von Dacotah nach Montana. – Das jüngste Weide- und Viehland der Vereinigten Staaten. – Ein erster Blick auf die Felsengebirge. – Nach dem Wunderlande des Yellowstone. – Die Mammuth-Thermen des Nationalparks.

Dacotah ist das drittgrößte Gebiet der, mit Ausschluß Alaskas und des südlich von Kansas gelegenen Indianerterritoriums, zur Zeit aus achtunddreißig Staaten und acht organisirten Territorien bestehenden Union. Den ersten Platz nimmt Texas mit seiner das ganze deutsche Reich fast um ein Viertel seiner Größe übertreffenden Bodenfläche von 274,354, den zweiten Californien mit 157,801 englischen Quadratmeilen[2] ein. Dacotah selbst mißt deren 150,932. Ihm an Größe zunächst stehend ist das als sein unmittelbarer westlicher Nachbar ihm auch zunächst liegende Territorium Montana, mit einer um etwa 7000 Quadratmeilen geringeren Ausdehnung.

Aber trotz dieser unmittelbaren westlichen Nachbarschaft und trotz der völligen Gleichheit der Breitengrade, unter denen die beiden gewaltigen Gebiete sich erstrecken, bilden ihre klimatischen Verhältnisse einen solchen Contrast, daß man sich, wenn man den Gürtel der Bad lands des Little Missouri, der ungefähr ihre Grenze bildet, überschritten hat, thatsächlich in eine neue Welt versetzt findet. Allerdings nicht für das Auge, oder doch wenigstens nicht für jenes, welches nur auf das rein Landschaftliche gerichtet ist. Dieses sieht sich erst nach abermals drittehalbhundert Meilen einem wirklichen Wechsel, dann aber freilich auch jenem vollständigen, gewaltigen und langersehnten Decorationswechsel gegenüber, welcher in dem magischen Wort „Rocky Mountains“ verkörpert ist. Bis dahin ist dieses Territorium Montana gar weit davon entfernt, seinem im wahrsten Sinne des Wortes hochtönenden, eine ganze Berg- und Gebirgswelt verheißenden Namen Ehre zu machen.

Nach wie vor herrscht auch hier der Charakter der ebenen, baumlosen Prairie des Westens vor, bestimmt er ausschließlich die Physiognomie der ganz und gar aufgerollten, eintönigen Landschaft. Und wenn auch die das Territorium von Westen nach Osten quer durchströmenden Hauptflüsse desselben, der Missouri und der Yellowstone[3], sowie die zahlreichen kleineren Zuflüsse dieser beiden, inmitten schmaler Streifen von Pappelgehölz und in Thälern und Einsenkungen dahinfließen, die immer enger und tiefer werden, je weiter man nach Westen kommt: so kann doch innerhalb dieser ganzen östlichen zwei Drittel Montanas ebenso wenig von einem Waldland, als von einem Berglande die Rede sein, wie man es fast achthundert Meilen westlich vom Mississippi doch nachgerade erwarten sollte. Unmerklich von der Tieflandprairie zum Hochplateau der den Felsengebirgen vorgelagerten „Plains“ ansteigend, dehnt


  1. Unter Meilen sind in diesen Artikeln stets englische Meilen verstanden, von denen 46/10 auf die deutsche Meile gehen.
  2. Es gehen etwa 211/10 englische Quadratmeilen auf die deutsche Quadratmeile.
  3. Der Yellowstonefluß ist der bedeutendste südliche Nebenfluß des Missouri, welchem er, in dem nach ihm benannten Wunderlande entspringend, nach einem Lauf von etwa 500 Meilen in Nord-Montana zuströmt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_375.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2024)