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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

getragen von einer Idee, ohne Unterschied des Geschlechtes, des Glaubens und des Standes, zu einem guten Werke die Hände reichen.

Doch die Begeisterung hat mich durch Zeiten und Länder getragen, und ich vergaß, daß ich an Ort und Stelle noch Pflichten zu erfüllen habe – vergaß – nicht oft mag das im Leben geschehen – über der Großmutter die keineswegs mehr in den Windeln liegende, sondern auch schon recht stattlich herangewachsene Enkelin. Sie hat in geringer Entfernung von der Volksküche, nur getrennt durch den Pavillon von carne pura, ihr Zelt aufgeschlagen und nennt sich „Kochschule des Hausfrauenvereins“.

Die Enkelin der Volksküchen habe ich die Kochschule genannt, denn sie ist eine Tochter des Berliner Hausfrauenvereins, und dieser wiederum ward in’s Leben gerufen in einer Generalversammlung des Vereins der Berliner Volksküchen am 20. November 1873 durch einen Vortrag der Frau Lina Morgenstern: „Was vermögen die vereinigten Hausfrauen gegen die Vertheuerung der Lebensmittel?“

Der Hausfrauenverein hat während seines jetzt bald zehnjährigen Bestehens mancherlei Anfechtungen erfahren, es ist ihm aber gelungen, eine ganze Reihe von Anstalten zu begründen, die vereint und einzeln recht wichtige Factoren auf dem Felde socialer Wirksamkeit, wie der Bestrebungen für die Verbesserung der weiblichen Erziehung geworden sind. Es gehören dahin die Verkaufsstellen von Lebensmitteln zu Engrospreisen im Einzelnen für die Mitglieder, die Unterstützungscasse für Notleidende, die Casse für Prämiirung und Altersunterstützung treuer Dienstboten der Mitglieder, die von Frau Lina Morgenstern redigirte „Hausfrauenzeitung“, die unentgeltliche Stellenvermittelung, und endlich die Kochschule, mit welcher wir es hier vorzugsweise zu thun haben.

Die Anstalt hat den Zweck, junge Mädchen aus den gebildeten Ständen für ihren künftigen Beruf, sei es als Leiterin eines Hausstandes, sei es als Gehülfin in einem solchen, auszubilden und sie in Küche und Speisekammer nicht in empirischer Weise, sondern an der Hand der Wissenschaft, mit Berücksichtigung der Chemie und Gesundheitslehre einzuweihen. Es werden zu diesem Behufe Vorträge gehalten, an vorhandenen Wachsapparaten wird der Bau des menschlichen Körpers erklärt, die Lebensmittel werden auf ihren Nährgehalt, auf ihre Einwirkung auf den menschlichen Organismus, auf ihren Werth und ihre Verfälschung geprüft.

Indeß „grau, theurer Freund, ist alle Theorie, und grün ist nur des Lebens goldner Baum“. Was nützte es, wären die Köpfe mit all diesem Wissen angefüllt und die Hände verstünden doch die der Gesundheit zuträgliche Speise nicht schmackhaft zu bereiten? Daß die Kochschule dieser Aufgabe gerecht wird, davon können sich sämmtliche Sinne Derjenigen überzeugen, welche das von der Lehranstalt auf der Ausstellung bezogene kleine Haus besuchen.

Dasselbe ist ein überaus behaglicher Raum, der eine vollkommene bürgerliche Kücheneinrichtung enthält. Unter der Aufsicht einer Vorstandsdame und der Leitung der Kochlehrerin sind eine Anzahl junger Damen in einfacher Kleidung, angethan mit blendend weißen Schürzen, emsig mit Zubereitung der Speisen beschäftigt. Da wird gerührt, abgeschäumt, Schnee geschlagen, da wird Gemüse geputzt, der Braten begossen und umgewendet, da kreischt in der Pfanne die Butter, da schmort und brodelt es vielverheißend in Töpfen und Tiegeln. Liebliche Düfte steigen gleich Opferduft zum Aether hinauf, und mit glühenden Wangen walten die Priesterinnen ihres Amtes, mit dem sie es so ernst nehmen, daß sie sogar die beschwerliche Arbeit des Herzens der Kochmaschine eigenhändig verrichten.

Das Werk – oder vielmehr die Werke loben dann aber auch Meister und Schülerinnen. Kunstvolle Aspics, leckere Braten und Fische, kräftige Suppen, süße Speisen, eingesottene Früchte, verführerisch duftendes Backwerk, kurz – Herz, was begehrst du – gehen aus den Händen der jungen Kochkünstlerinnen hervor. In einem angrenzenden Speisezelt, das mit einem äußerst sauberen, praktischen Fußboden und Glasfliesen ausgestattet ist, stehen Tische bereit, an welchen die Auserwählten sich niederlassen und ein Diner von sechs Gängen einnehmen dürfen.

Die Auserwählten, sage ich, nicht sowohl deshalb, weil der Preis eines solchen Diners 2,50 Mark beträgt, was sich immerhin nur eine Minderheit leisten kann, sondern weil das Monopol des Herrn Bauer es nöthig macht, unter dieser Minderheit noch eine Auswahl zu treffen. Nur fünfundzwanzig Couverts dürfen täglich verabreicht werden, und diese Zahl ist im Nu erreicht. Wer zu spät kommt, muß sich mit dem Anblick begnügen, wenn ihm nicht eine milde Hand einen Leckerbissen spendet, den er, wie es sich gerade schicken will, stehend oder sitzend verzehrt und für den er sich durch eine der Unterstützungscasse dargereichte Gabe erkenntlich zeigt.

In der Kochschule befindet sich ferner noch eine Collectivausstellung von Nahrungs- und Genußmitteln, von Kücheneinrichtungen und Haushaltungsgegenständen, die sich theils, wie das schöne Geschirr aus Gußeisen von Ravené in Berlin, der gesammten Ausstattung einfügen, theils, wie der Pumpernickel, das Brod, die Conserven etc., mit servirt werden, theils mit ausführlichen Gebrauchsanweisungen zur Ansicht ausgestellt sind. Endlich ist auch noch eine reiche Literatur aus dem Bereiche der Kochkunst und der Ernährungsfrage vorhanden, an welcher die Leiterin und Begründerin der Kochschule, Frau Lina Morgenstern, in hervorragender Weise betheiligt ist.

Die Volksküche und die Kochschule auf der Hygiene-Ausstellung bilden ein organisches Ganzes, nicht blos weil ihr Ursprung auf dieselbe Quelle zurückzuführen ist, nicht nur, weil sie in Personal-Union von einem Kopfe regiert werden, sondern auch, weil sie beide dazu bestimmt sind, eine nachhaltige und segensreiche Einwirkung auf die Ernährung und Gesundheitspflege breiter Schichten der Bevölkerung zu üben, und weil sie die Frau für ihre hochwichtige Stellung in der Gesellschaft als Verwalterin der Güter, als Haushälterin, als Pflegerin der Gesunden und Kranken, der Armen und Schwachen, der Greise und Kinder, ausbilden und sie an den ihr in dieser Beziehung gebührenden Platz stellen. Von einer Frau für Frauen und mit Frauen gegründet, nehmen sie eine hoch beachtenswerte Stelle ein im Haushalte der Nation.

Jenny Hirsch.




Blätter und Blüthen.

Raben auf der Hasenjagd. (Mit Illustration auf Seite 469.) „Das Leben der Hasen,“ sagte einst unser geschätzter Mitarbeiter Adolf Müller, „ist fast eine ununterbrochene Kette der Drangsal, der Noth und des Leidens, denen die Geschwister Wachsamkeit und Vorsicht zwar auf dem Fuße folgen, welchen aber auch das allbekannte, weniger bemitleidete als verspottete Kind, die Hasenfurcht, gleichsam riesig über den Kopf wächst. Schickt doch das ganze Heer unserer einheimischen Raubthiere unter Säugern und Vögeln die Spione, Schleicher, Wegelagerer und Raubmörder hinter dem Friedlichen und Wehrlosen her, das stille Eden seiner Fluren und Wälder in einen Plan der Bedrängniß und des Todes umzuwandeln.“

Diese vogelfreie Stellung in der Natur war es, welche schon zu der Zeit, da kaum ein richtiger Waidmann auf die Hasenjagd ging, die Dichter unsern Lampe zum Sinnbild der verfolgten Unschuld erheben ließ. Und doch ist der Hase keineswegs so harmlos, wie man glaubt. Schlechte Behandlung erzeugt bei Menschen schlechten Charakter, warum sollte dasselbe nicht auch im Thierleben der Fall sein?

Und in der That sind im Laufe der Zeit gar schlimme Charakterzüge bei denen vom Lampegeschlechte beobachtet worden. So lesen wir in Brehm’s „Thierleben“ einen Satz von Dietrich aus dem Winckell, wonach das größte Laster des Hasen seine Bosheit sei, die er nicht allein durch Kratzen und Beißen, sondern durch Verleugnung der elterlichen Liebe und oft durch Grausamkeit gegen junge Häschen in empörendster Weise bethätigt.

Geben wir hier nur ein Beispiel, wie der Hasenvater beschaffen ist. Der obengenannte Gewährsmann berichtet darüber wörtlich:

„Ich hörte einst einen jungen Hasen klagen, glaubte aber, da es in der Nähe des Dorfes war, ihn in den Klauen einer Katze und eilte dahin, um dieser den Lohn mit einem Schusse zu geben. Statt dessen aber sah ich einen Rammler vor dem Häschen sitzen und ihn mit beiden Vorderläufen von einer Seite zur andern unaufhörlich so maulschelliren, daß das arme Thierchen schon ganz matt geworden war. Dafür mußte aber der Alte seine Bosheit mit dem Leben bezahlen.“

Und die Hasenmutter! Sie ist bekanntlich eine sehr lose und leichtfertige Person und kümmert sich darum wenig um ihre Jungen. Sie wirft ja die Jungen manchmal auf den flachen Boden und giebt sich überhaupt keine Mühe, ein richtiges Lager zu bereiten. Nach fünf bis sechs Tagen verläßt sie ihre Kinder, und wenn ihnen schon früher Gefahr drohen sollte, so eilt sie in der Regel davon. Nur selten hat man beobachtet, daß sie sich gegen Feinde aus Mutterliebe zur Wehr setzte, und einen solchen Ausnahmefall hat der geniale Thiermaler Deicker heute unsern Lesern in der lebenswahrsten Darstellung vor Augen geführt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_479.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2024)