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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

sobald die Vögel bei den Händlern zweiter Hand und schließlich bei den Liebhabern an noch andere, wenn auch durchaus zuträgliche Futtermittel und an fremdes Trinkwasser gewöhnt werden.

Dies gilt im Wesentlichen nur von den großen sprachbegabten Papageien, insbesondere von dem Jako oder Graupapagei; alle übrigen Vögel oder doch fast alle, nur mit Ausschluß einer geringen Anzahl, ertragen die geschilderten Reisebeschwerden in wahrhaft staunenswerther Weise, sterben nur in verhältnißmäßig unbedeutender Anzahl, erholen sich dagegen, wenn sie auch noch so zerlumpt im Gefieder und beschmutzt ankommen, auffallend schnell, mustern sich auf das Beste heraus und beginnen nach überraschend kurzer Frist ihre höchste Lebensthätigkeit, eine fröhliche und erfolgreiche Brut.

Seit langen Jahren führe ich in meiner Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ und in meinen Hand- und Lehrbüchern einen ernsten Kampf gegen die erwähnten unseligen Verhältnisse, aber nur allmählich läßt es sich erreichen, daß im Laufe der Zeit Bildung und Kenntniß und damit dann auch Humanität, milde und liebevolle Behandlung der Thiere bei jenen rohen Menschen, durch deren Hände der Handel mit unseren gefiederten Lieblingen geht, geweckt werden.

Eine unbegründete Voreingenommenheit herrscht übrigens im Allgemeinen gegen die Händler. Selbst in manchen naturgeschichtlichen Werken wird ihnen noch vorgeworfen, „daß ihre Buden von Schmutz starren, daß sie die Vögel roh und grausam behandeln und schlecht verpflegen“ – wer aber dergleichen behauptet, kennt die Verhältnisse nicht. Es würde in der That einem Händler große Verluste bringen und sein Geschäft nur zu bald dem Verfall entgegenführen, wenn er derartig verfahren wollte. Vielmehr ist es eine Lebensfrage für ihn, daß er die Vögel zweckmäßig halte und mit aufmerksamer Beachtung aller im Lauf der Zeit gewonnenen Erfahrungen verpflege. Eine andere Handlungsweise würde ihm, zumal die Concurrenz jetzt auf diesem Gebiet eine außerordentlich regsame ist, wohl schnell gründlich verleidet werden. In der That darf ich sagen, daß die Vogelhändler in Deutschland und auch in allen übrigen genannten Ländern die eifrigsten Leser meiner Bücher und folgsamsten Schüler meiner Anleitungen zur praktischen Vogelpflege sind. In Hamburg u. a. finden wir heutzutage bereits elegant und geschmackvoll ausgestattete Vogelhändlerladen, und selbst diejenigen, welche man als Schmierbuden zu bezeichnen pflegt, ergeben sich für den verständnisvollen Blick doch als zweckmäßig eingerichtet, mindestens aber werden in allen Fällen die Vögel gut behandelt und sorgfältig verpflegt.

In jeder Wochennummer der „Gefiederten Welt“ sehen wir im Anzeigenteil viele Dutzend Arten und Hunderte von Exemplaren ausgeboten und zwar so, daß jede Jahreszeit ihre bestimmten Vögel zur Geltung bringt. Ebenso bietet dieser Vogelmarkt zu regelmäßiger Zeit den massenhaften Ertrag der Canarienvogelzucht, ferner die Züchtungsergebnisse fremdländischer Finkenvögel und Papageien, sodann einheimische Vögel, von den Sprossern der Bukowina, den Nachtigallen, Schwarzplättchen und mancherlei anderen aus den östeereichischen Landen bei uns zum Verkauf kommenden vorzüglichen Sängern, den abgerichteten Dompfaffen aus Thüringen, bis zu Hänfling, Zeisig und Stieglitz aus dem nächsten Hain.

Bei dieser Aufzählung erschrickt wohl mancher begeisterte Vogelfreund und empfindsame Thierschützer und schreit Ach und Wehe über den Vandalismus, der in solchem Vogelhandel liege – aber jedes Ding hat doch seine zwei Seiten, und bevor man ohne weiteres den Stab bricht, wolle man mir, der doch im Laufe von einem Vierteljahrhundert für den praktischen und tatsächlichen Vogelschutz gewirkt hat, einmal das Wort gestatten.

Vor Allem halte ich mich an den alten Ausspruch: Thatsachen reden – in diesem Falle nämlich haben wir die Thatsache vor uns, daß zunächst jene vielen Tausende der in den Handel gebrachten Vögel stets ihre eifrigen Abnehmer finden, ferner daß die Käufer die Vögel keineswegs mehr, wie es wohl in früherer Zeit geschah, lediglich als Spielzeug betrachten, denn dazu haben dieselben ja heutzutage doch zu hohe Preise, sondern sie vielmehr stets und überall liebevoll und mit Verständniß auf Grund ausreichender Kenntnisse verpflegen.

Sodann aber hat der Stubenvogel in der Häuslichkeit anerkanntermaßen einen hohen erziehlichen Werth, indem er den Sinn der Jugend zu naturgeschichtlichen Dingen hinlenkt, Neigung für die Natur erweckt und schließlich zum ernsten Studium führt. So bilden die Vögel nicht allein einen Schmuck, sondern auch einen beachtenswerthen Gegenstand der Anregung und Belehrung in der Familie. Ferner giebt es viele Leute, welche durch kenntnißvolle und erfolgreiche Züchtung von Stubenvögeln oder durch Zähmung und Abrichtung von sprachbegabten Papageien sich einen bedeutsamen Nebenerwerb zu verschaffen vermögen. Weiter sind die Vögel dadurch, daß sie zu geringen Preisen in ihren Heimathsländern eingekauft, dann hier durch zweckmäßige Behandlung am Leben erhalten, eingewöhnt und nun für hohe Preise verkauft werden können, zu einem wichtigen Handelsgegenstande geworden. Schließlich ist es gewiß nicht zu unterschätzen, daß einerseits durch den Vogelhandel zahlreiche Arten überhaupt erst zu uns und in die wissenschaftlichen Sammlungen gelangten, und daß andererseits durch die Züchtung solcher bisher kaum bekannten Vögel deren Lebensweise, Nest, Eier, Nest- und Jugendkleid, Winter- und Sommerkleid, Geschlechtsunterschiede etc. beschrieben und also Forschungen gemacht werden konnten, zu denen die Reisenden in den fernen Weltgegenden vielleicht noch in vielen Jahrzehnten nicht gelangt wären. Das zoologische Museum von Berlin hat im Laufe der Jahre aus meiner Vogelstube viele Arten im Jugendkleide und zugleich eine beträchtliche Anzahl von lebend eingeführten Vögeln, welche es überhaupt noch nicht besaß, empfangen.

Im fernen Westen Nordamerikas, tief in der Wildniß und weit ab von jeder Civilisation, haben sich eine Anzahl Deutscher versammelt, welche meistens aus großen Entfernungen herbeigekommen sind. Vor ihnen steht ein Vögelchen aus der alten Heimath, ein deutscher Dompfaff oder Gimpel, dessen eingelernte Lieder, „Die Wacht am Rhein“ und „Ein Sträußchen um Hute“ Erinnerungen wecken und den bärtigen Männern Thränen in die Augen locken. So trägt ein Vögelchen deutsche Gemüthlichkeit in die weite Ferne, stärkt den Sinn für deutsche Sitte bei Denen, die vom alten Vaterlande losgerissen und in die Prairie oder den Urwald verschlagen sind!




Ein Gründer des sechszehnten Jahrhunderts.

Von Dr. Roderich Irmer.

Es liegt nahe, daß die große kirchliche Revolution des sechzehnten Jahrhunderts und die mit derselben im engsten Zusammenhange stehenden politischen Unruhen des Bauernaufstandes, sowie des Württembergischen und Schmalkaldischen Krieges auch einen wesentlichen ungünstigen Einfluß auf den Handel Deutschlands gehabt haben. Die großen süddeutschen Handelsfirmen, wie die Fugger und die Welfer in Augsburg, welche noch im ersten Drittel des sechszehnten Jahrhunderts fast den gesammten ausländischen Import nach Deutschland beherrschten, verloren bedeutend an Einfluß und mußten denselben den holländischen und englischen Kaufleuten überlassen. An Stelle der gerühmten deutschen Solidität der guten alten Zeit trat mit dem Niedergange des deutschen Handels die Speculation und zwar gleich in so gefährlicher Form, daß unsere modernen Gründer gegen die jener Zeit noch als lichte Engel erscheinen.

Als Mittelpunkt des Binnenhandels im obersächsischen Kreise galt damals Leipzig, und Magistrat wie Staatsregierung gaben sich redlich Mühe, ihm diesen Ruf zu erhalten. Im Frühling des Jahres 1578 kam der Inhaber einer bedeutenden importirenden Firma der Stadt Augsburg, Conrad Roth, nach Dresden, um Kurfürst August von Sachsen zur Unterstützung einer großen kaufmännischen Unternehmung, die für den Aufschwung des sächsischen Handels von hervorragender Bedeutung werden sollte, zu bestimmen. Der Fürst ließ zunächst durch seinen Gesandten im Haag, Hubert Languet, genaue Erkundigungen über Roth einziehen, und da diese sehr günstig für denselben ausfielen, so lehnte er zwar eine staatliche Beihülfe ab, versprach aber seine Betheiligung an dem Unternehmen mit Privatmitteln und wies den Kaufmann an einen der reichsten Leute der Stadt, an den kurfürstlichen Kammermeister Hans Harrer, dem jener seine Pläne eingehend aus einander setzte. Darnach hatte Roth – und an dieser Thatsache läßt sich in keiner Weise zweifeln – mit dem Könige Sebastian von Portugal einen Vertrag abgeschlossen, nach welchem er demselben 400,000 Gulden, die zur Bestreitung der Expedition des portugiesischen Königs gegen Marokko nöthig waren, zahlen sollte; als Aequivalent für diese Leistung hatte Portugal die Lieferung ganz enormer Quantitäten Gewürze, namentlich Nelken, Muscat und Pfeffer an Roth übernommen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_494.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2024)