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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

ebenso lustig brennen zu sehen, wie dies schon seit Monaten der Fall ist.

Noch ganz erfüllt von dem Bilde der unzerstörbaren Jungfrau, durchwanderten wir einige Sanitätszüge, deren Comfort und praktische Einrichtung bewundernd, und standen bald vor dem Siemens’schen Leichenverbrennungsgebäude.

„Endlich werde ich einmal eine Leichenverbrennung sehen!“

„Sie irren, mein Guter! Weder Menschenleiber noch Thierkörper sind bis jetzt darin zu Asche umgewandelt worden.“

Das Portal der Hygiene-Ausstellung bei elektrischer Beleuchtung.
Originalzeichnung von A. von Roeßler.

„Warum?“

„O frage nicht!“

„Nun denn, kehren wir von diesem düsteren Tempel, dem Stationsgebäude für die Fahrt in’s Jenseits, wieder zu unserem Dasein zurück, wo Leib und Seele noch zusammengehalten werden. Bekanntlich hat gutes Essen und Trinken diese schöne Aufgabe, deshalb ist jetzt ein Besuch bei der Volksernährerin und Mutter aller Schwachen und Hülflosen, bei Lina Morgenstern, am Platze. Wie praktisch und segensreich diese Volksküche, wie sauber und belehrend diese Kochschule! Hut ab vor der resoluten, thätigen Frau.“

Cigarrenladen, fahrbare Milchwirthschaft, Cap-Wein-Tempel, Harzer Sauerbrunnen, das Normal-Wohnhaus, wie es in der Regel nicht sein soll – genug, genug der Genüsse. Die Abendsonne ist gesunken; einzelne Sterne wagen sich an dem dunkleren Himmel hervor, und um die Fontaine und den glitzernden Teich flammen die Regenerativ-Gasbrenner, und mit ihrem gelblichen Licht kämpft jenseits der Stadtbahn der magische, bläuliche Glanz der zahlreichen elektrischen Flammen. Alle drei bis vier Minuten huscht ein Eisenbahnzug hin und wieder, und neugierig blicken die Fahrenden herab auf das lustige Wogen und Treiben. Von da und dort ertönen die Melodien der Militärmusik, und wer nicht an Speise und Trank die Gesetze der Hygiene praktisch zu erproben Gelegenheit und – Platz findet, der macht sich das ebenso hygienische Vergnügen, auf diesem halb an ein Gartenetablissement, halb an einen interessanten Jahrmarkt erinnernden Plan sich zu ergehen. Ein Summen und Brausen, ein Grüßen und Plaudern ringsum. Zwischen der Aristokratie der Geburt, des Geistes und Geldes die Typen der Spießbürger, der Flaneurs und der Halbwelt. Berlin hat sein Saisonvergnügen, was diesem Sommer seinen Stempel aufdrückt. Es amüsirt sich „hygienisch“.

Weg mit den Grillen und Sorgen um die Erhaltung der Gesundheit, weg mit dem Schreckgespenst der Krankheiten! Mögen die trefflichen Gelehrten, deren Arbeiten dort im Pavillon des „Reichs-Gesundheitsamtes“ ein staunenswerthes Bild von Fleiß und Scharfsinn entrollen, die teuflischen Bacterien (denn die sind doch schließlich an allem Bösen schuld) ermitteln und vernichten! Hier in diesem Lichtmeer, diesen Schallwellen herrscht die Freude am Augenblick, die Luft zu sehen und zu genießen, der Zweck, unter dem Banner des Rothen Kreuzes dem Wahlspruch „Freut euch des Lebens“ eine neue Seite abzugewinnen. Wenn die Ausstellung heute der Fischerei oder morgen dem Gewerbe gilt, hier der Elektricität oder dem Sport, dort der Blumencultur oder der Viehzucht, dann ist das eine ganz specielle Aufgabe. Aber die Hygiene ist ein Gemeingut, und Jeder hat die Pflicht, auf dem der Göttin mit der trinkenden Schlange geheiligten Boden vor Allem ihrem Cultus zu leben, das heißt sich’s mit Heiterkeit wohl sein zu lassen; dann hat die Hygiene-Ausstellung, die sich, wie manche Damen, die den Zenith überschritten haben, bei Abendbeleuchtung am interessantesten ausnimmt, Tausende ihrer Besucher glücklich gemacht.




Wien vor zweihundert Jahren.

Ein Ruhmeskranz der alten Kaiserstadt. (Vergl. Illustration S. 588.)

Von allen Folgen des Dreißigjährigen Krieges war die schlimmste die fast vollständige Vernichtung einer obersten Staatsgewalt im deutschen Reiche. Mit teuflischer List hatte namentlich Frankreich es in den berüchtigten Friedensverhandlungen zu Osnabrück und Münster (1648) – bei welchen „das Elend des Krieges durch die Schande des Friedens womöglich noch überboten wurde“ – durchgesetzt, daß allen, auch den kleinsten deutschen Fürsten in weltlichen Dingen dieselbe Unabhängigkeit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_585.jpg&oldid=- (Version vom 13.1.2024)