Seite:Die Gartenlaube (1883) 645.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

des sogenannten „Ausgleichs“ die Herren und in demselben Augenblick die Verächter und Widersacher des Deutschthums im Bereich der „Stephanskrone“ geworden waren.

„Die Zertrümmerung des Sachsenlandes“ hieß die Schrift, welche unsere Theilnahme aufrief und seit dem Beginn dieser Kämpfe um das Fortbestehen deutschen Wesens in jenem fernen Lande an der Grenze europäischer Cultur war die Presse redlich bemüht, die große Vergangenheit wie die qualvolle Gegenwart des Sachsenvolkes den Deutschen des neugewonnenen Reichs vor die Augen zu führen und an’s Herz zu legen.

Ueber diese schwere Zeit bis zum letzten Kampf um das Schicksal der „Mittelschulen“ können wir unsere Leser auf unsere Mittheilung im Jahrgang 1881, S. 375 und 402 unseres Blattes verweisen. Zu den Vorkämpfern in diesem geistigen Krieg in Ungarn und insbesondere für die Rechtsstellung des sächsischen Volkes, gehören die drei Männer, die wir heute in Bild und Wort unsern Lesern vorführen. Ihre politische Thätigkeit ist auch für uns von größtem Werth, denn ihren mannhaften Reden im ungarischen Reichstag, ihrem entschiedenen Auftreten ist es mit zu verdanken, daß das Dunkel sich allmählich lichtet, das über unsern Kenntnissen der Zustände in Ungarn-Siebenbürgen lag, und wir allmählich heller sehen.

Karl Wolff.   Joseph Gull.   Adolf Zay.
Die Vorkämpfer des Deutschthums in Siebenbürgen.
Nach Photographien auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Ein gut Stück politischer Vergangenheit und Gegenwart knüpft sich an die drei Kämpfer, deren Namen zuletzt die bewundernswerthe Haltung in der Mittelschuldebatte in Deutschland bekannt gemacht hat.

Der älteste von ihnen ist Joseph Gull, jetzt Reichstagsabgeordneter des Großauer Wahlkreises, bis zu seiner Wahl Bürgermeister in Schäßburg. Einem alten Bürgerhaus jener Stadt entsprossen, geboren 1819, hat er, öfter mit der Noth des Lebens ringend, das deutsche Gymnasium seiner Vaterstadt besucht. In diesen Lernjahren wurde der ernststrebende Jüngling ausgestattet mit der Fülle der Charakterbildung, die heute bei dem Uebermaß der Eindrücke und der übergroßen Menge des der Jugend gebotenen Bildungsstoffes schwerer erlangt zu werden scheint als früher. Nachdem er, der Sitte der Zeit folgend, in Vasarhely (Neumarkt) seine juristischen Studien beendigt hatte, kehrte er in seine Vaterstadt zurück, in deren Dienst er nun sein Leben lang stand, von unten auf dienend, bis das Vertrauen seiner Mitbürger ihn zu ihrem Bürgermeister erhob.

Das ist der äußere Rahmen, in dem ein reiches Leben liegt, voll von edlen Thaten und männlicher Arbeit für das sächsische Volk. Die anerkannte Tüchtigkeit des Mannes bewog seine Volksgenossen schon frühe, ihn zu ihrem politischen Vertreter zu wählen. Als solchen sandten sie ihn wiederholt in die sächsische Nationsuniversität (die Vertretung des Sachsenlandes), ebenso 1863 bis 1864 auf den Hermannstädter Landtag, von dort in den Reichstag nach Wien, 1865 in den Klausenburger Landtag, 1867 in den Pester Reichstag, in dem er nur während der Jahre 1875 bis 1881 nicht Mitglied war, ferngehalten durch sein städtisches Amt und durch Krankheit.

Seine ganze reiche Thätigkeit zu schildern, kann nicht unsere Aufgabe sein. Es geht durch dieselbe wie ein rother Faden durch: die Sorge für das sächsische Volk, der Kampf für das Recht desselben. Der letzte Act des Kampfes, der heute noch nicht ausgespielt ist, beginnt auf dem Klausenburger Landtag 1865. Als die magyarische Majorität dort den Beschluß faßte, daß, weil in Folge der Union Siebenbürgens mit Ungarn 1848 ein siebenbürgischer Landtag nicht mehr existire, die Abgeordneten nach Pest gerufen werden sollten, da der ungarische Reichstag allein das Recht habe, Gesetze auch für Siebenbürgen zu geben, da war Gull einer der

tapfersten Kämpfer gegen diese Maßregel. Mit den Waffen der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_645.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)