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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Freundin der Schwestern Robert’s. Die Frau Consul hatte Bedenken, ob der Verkehr der jungen Leute im Hause des Uhrmachers nicht Anstoß erregen könnte, und sprach deshalb den Wunsch aus, Helene möchte sich schon jetzt als ihre Tochter betrachten und ganz zu ihr ziehen. Dagegen konnte Onkel Benjamin nichts einwenden, wennschon er nun völlig vereinsamte, da sein Sohn Walter die Stadt verlassen hatte. Helene konnte nur die gütige Hand küssen, die so mütterlich ihre Führung übernahm.

Der Hochzeit wäre mchts im Wege gewesen, hätte nicht das Trauerjahr abgewartet werden müssen. Helenen war diese Frist nicht unlieb; sie meinte, ihren Bräutigam noch so wenig zu kennen, ihn erst recht lieben lernen zu müssen. Um so ungeduldiger zeigte er sich. Sobald der gesellschaftliche Anstand es erlaubte, drang er auf Festsetzung des Hochzeitstages. Und nun war Alles bereit; in einer Woche sollte ihm sein Glück gewiß sein. Da ereignete sich der Unglücksfall, der jede Hoffnung vereitelte.

Robert’s Liebhaberei für schöne Pferde hatte sich auch in dieser Zeit nicht verleugnet. Seine größte Freude war es, Helene neben sich zu Pferde zu sehen oder sie auf einem mit zwei feurigen Rossen bespannten Wägelchen, das nur für Zwei Raum hatte, selbst spazieren zu fahren. Es kostete sie anfangs einige Ueberwindung, ihrer Aengstlichkeit Herr zu werden, aber bald machte ihr das Reiten auf einem gutgeschulten Pferde viel Spaß, und die Sicherheit, mit der er die Zügel führte, verminderte auch bei den wildesten Fahrten das Gefühl der Beklommenheit. Eines Tages rollte das Wägelchen auf einer der Chausseen vor den Stadtthoren. Vom Exercirplatz her kam ihnen ein Trupp Soldaten entgegen. Spielleute marschirten voran. Gerade, als das Fuhrwerk seitwärts vorüberfuhr, setzten sie mit ihren Trommeln und Pfeifen ein. Die Pferde scheuten, drängten zum Graben, wurden wild und gingen durch. Robert verlor die Gewalt über sie. Er dachte nur an die Gefahr für seine Braut. Noch wenige hundert Schritte, und die Chaussee nahm eine Wendung nach rechts. Folgten ihr die wilden Thiere, so mußten sie den leichten Wagen herumschleudern und zu Fall bringen; rannten sie auf die Bäume auf, so war noch Schlimmeres zu befürchten. Zu langer Ueberlegung blieb ihm nicht Zeit, der schreckhafte Gedanke, Helene könnte beschädigt werden, verwirrte ihn ganz. So versuchte er das Unsinnigste, sie zu retten: er sprang mit den Zügeln in der Hand ab und ließ sich schleifen. Wirklich gelang es ihm auf diese Weise die Pferde zum Stehen zu bringen, aber er hatte von den Hufen der Rosse und von den Steinen, gegen welche er geworfen wurde, die schwersten Beschädigungen davongetragen. Ohnmächtig wurde er von den Officieren, die nachgeeilt waren, aufgehoben und von den Soldaten nach Hause getragen.

Unbeschreiblich war der Jammer seiner Angehörigen – der Braut, die das Entsetzliche mit ansehen mußte, der armen Mutter, der Schwestern, die in den Anordnungen für das Hochzeitsfest überrascht wurden. Die Aerzte stellten eine schwere Verletzung der Brust fest, wagten kaum einige Hoffnung zu geben. Der Zustand des Verunglückten verschlimmerte sich trotz der sorgsamsten Pflege von Tag zu Tag. Linderung seiner Leiden schien er nur zu fühlen, wenn Helene seine Hand hielt oder ihre Wange an die seinige lehnte. Das Sprechen wurde ihm schwer.

Er mochte sein Ende herannahen fühlen und sprach so dringend den Wunsch aus, sein Testament zu errichten, daß man ihm wohl nachgeben mußte. Als der Richter sich einfand, verlangte er mit demselben allein zu bleiben. Osterfeld, der ihn – vielleicht nicht ohne Absicht – in’s Krankenzimmer begleitet hatte, mußte sich zum Rückzug verstehen. Was er letztwillig verordnet hatte, erfuhr Niemand. In der nächsten Nacht starb er.

Helene flel in Folge der Aufregung und Ueberanstrengung in ein Nervenfieber. Bald nach dem Begräbnißtage war sie selbst aufgegeben. Aber ihre kräftige Natur widerstand. Monate vergingen freilich, bis sie für hergestellt erklärt werden konnte.

(Fortsetzung folgt.)




Vom zweiten deutschen Bergmannstag.

Von Theodor Gambe.00Mit Illustrationen von Paul Heydel.


In den Muldenhütten.

„Ihr, die ihr sorgt, daß in dem Reiche
Sich munter alle Räder dreh’n,
Daß Kohlendampf zum Himmel steige,
Daß alle Hämmer ringsum geh’n,
Ihr Kenner, Meister der Metalle,
Die deutsche Erde in sich schließt;
Ihr Reichthumspender, Alle, Alle
Seid uns mit Herz und Hand gegrüßt.“

Mit diesen Worten begrüßte am 2. September der Vicepräsident des deutschen Reichstages, Ackermann, eine Versammlung auf dem „Belvedere“ zu Dresden, die an geistiger und vokswirthschaftlicher Bedeutung wenige ihres Gleichen haben dürfte. Das Wohl und Wehe einer Viertelmillion Menschen, einer Viertelmillion Bergleute „vom Leder“ ist diesen 300 Bergleuten „von der Feder“ anvertraut, die hier zusammen kamen; der Mineralreichthum unseres Vaterlandes ruht in ihrer Hand: sie sind ferner die Träger derjenigen deutschen Wissenschaft, welche sich in allen erzführenden Gebirgen der Erde das Bürgerrecht erworben, und gewiß wird auch das deutsche Volk von einer solchen erlauchten Versammlung gern etwas vernehmen wollen.

Aber wo anfangen und wo aufhören? – Fünf Tage, einschließlich der Vorversammlung, währte dieser Bergmannstag, fünfzehn größere Vorträge wurden gehalten mit einer Menge Debatten im Gefolge, drei gemeinschaftliche Ausflüge wurden unternommen und auch die Festessen, Frühstücke und Toaste gaben eine Fülle von Material, weil sie schon durch ihre fachmännische Eigenart Interesse wachrufen würden; wir müssen uns aber mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_664.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2024)