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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Truppen der Kroaten und Serben unter der Leitung des Banus und seither viel gefeierten Nationalhelden Jellacie auf die Wendung der magyarischen Erhebung 1848 bis 1849 ausübte. In Folge dieses Einfusses wurde Kroatien und Slavonien abermals von Ungarn losgelöst und unter dem alten, durch das kurze Regime Napoleon’s (1809 bis 1815) neu belebten Titel eines Königreiches Illyrien als besonderes Kronland verwaltet.

Das October-Diplom 1860 machte jedoch dieser Errungenschaft ein rasches Ende, indem es die alten politischen Verhältnisse wieder herstellte; durch den Ausgleich vom Jahre 1867 endlich wurde Kroatien und Slavonien innerhalb des Verbandes mit Ungarn ein gewisser Grad von Selbstständigkeit durch eine nationale, politische wie administrative Verwaltung zugestanden, doch bildet eine ganze Reihe von Beschwerden über Auslegung und praktische Ausführung dieser Zugeständnisse von Seite der magyarischen Regierung einen Hauptgrund des fortdauernden Zertwürfnisses zwischen beiden Nationen. Als Repräsentant dieser Zeit möge das nebenstehende Wappen dienen, welches auf den meisten Aemtern angebracht ist und in den letzten Wochen eine so wichtige Rolle spielte.

Ein so verschiedenes, wechselreiches Geschick der einzelnen Theile des dreieinigen Königreiches, wie es schon aus diesem kurzen geschichtlichen Abriß ersichtlich ist, konnte selbstverständlich nicht ohne nachhaltige Wirkung auf Land und Leute bleiben, zumal ersteres, theils durch seine Bodenbeschaffenheit, theils durch die Nähe des Meeres, schon an und für sich der verschiedenartigsten Entwicklung physischer und geistiger Thätigkeit Vorschub leistete. Abgesehen von der italienischen Bevölkerung der dalmatinischen Seestädte, sowie von der deutschen oder deutschgebildeten Agrams, ist der culturelle Unterschied zwischen der betriebsamen slavischen Küstenbevölkerung und den halbwilden Bergstämmen der Bocchesen und Crivoscianer, oder zwischen der militärisch strammen, wohlhabenden Bevölkerung der fruchtbaren Grenzdistricte und den armen verkommenen Bauern Zagoriens in der That ein so bedeutender, daß auch die Antipathie so verschiedenartiger Volkselemente, wie sie ungeachtet der gemeinschaftlichen nationalen Abstammung mehrfach zu Tage trat, begreiflich erscheint.

Dalmatien ist als der berühmteste und zugänglichste Theil Altkroatiens auch der bekannteste. Die reizend gelegenen Inseln Lusina, Curzola, Lissa, nach welcher der denkwürdige Sieg des österreichischen Seehelden Wilhelm von Tegetthoff am 20. Juli 1866 benannt wurde, und das blühende Lacroma, seit dem unglücklichen Ende seines Besitzers, des Kaisers Maximilian von Mexico, wieder vergessen in der Einsamkeit des Meeres; die Städte Zara, das alte Jadera, dessen Schiffer der Sage nach unter Cäsar gegen Pompejus kämpften; Spalato mit seinem Diocletian-Palaste und den merkwürdigen Ruinen des alten Salona, mit seinen nationalen Erinnerungen an Zwonimir, welcher in der Peterskirche zum König von Kroatien und Dalmatien gekrönt wurde; Ragusa, einst das südslavische Athen; endlich das unvergleichlich schön gelegene Cattaro – wer kennt sie nicht, sei es aus eigener Anschauung, sei es durch Beschreibungen und Abbildungen, welche die Reize der Natur wie die Kunstschätze seiner Vergangenheit preisen?

Weit weniger besucht und bekannt ist das Innere des Landes, welches mit seinen steil aufragenden Felsenbergen, so schön deren pittoreske Formen sich aus der Ferne vom azurblauen Himmel abheben, den Touristen um so weniger verlockt, als die denkbar schlechtesten Wege in die spärlichen Oasen der wilden Felsenwüste führen, und selbst in diesen die Bewirthung der gastfreien Morlaken wie deren Betten noch von keiner civilisirten Zunge gepriesen wurden.

Man sagt, daß die staatsklugen Venetianer während ihrer langen Herrschaft über Dalmatien den heerlichen Wälderschmuck seiner Berge, welcher ihrer Flotte zu statten kam, absichtlich ohne jede Schonung und Vorsicht mit Stumpf und Stiel ausrotteten, um durch die Verarmung des Landes dessen Unterthänigkeit zu sichern. Wenn es so ist, so gelang das Vorhaben nur zu vollkommen. Armuth und in Folge dieser Unwissenheit im weitesten Sinne des Wortes herrschen unter diesem Bergvolke, trotz aller seitherigen civilisatorischen Bemühungen der österreichischen Regiernug und trotz dessen unleugbarer hoher Naturbegabung.

Die Morlaken oder Illyrier, wie sich die dalmatinischen Slaven zum Unterschiede von ihren kroatischen Brüdern gern nennen, sind ein hochgewachsener, kräftiger, schöner Menschenschlag, namentlich in Bezug auf das männliche Geschlecht, da die Frauen, wenn auch in früher Jugend schön, durch vorzeitigen Kindersegen und harte Arbeit schon in der Blüthe der Jahre verwelkt und häßlich erscheinen. Nationalhaupteigenschaft ist kriegerische Tapferkeit, welche, von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, durch den Gebrauch der Waffen vom zartesten Alter an genährt, jeden Einzelnen zum schlagfertigen Vertheidiger seiner Heimath wie seiner wirklichen oder vermeintlichen Rechte, aber freilich auch zum gefährlichen Nachbar macht.

Auch im Verkehre unter sich wie mit Fremden wissen diese rauhen, unwissenden Söhne der Wildniß eine Art patriarchalische Höflichkeit, vereint mit stolzem Selbstbewußtsein, zu bewahren, welche an diesen prächtigen Männer- und Greisengestalten geradezu bestechend wirkt; doch gehen slavophile Federn wohl zu weit, wenn sie dieses Benehmen als einen Beweis überlegener, gleichsam natüriicher Cultur im Hinblick auf andere Nationen betonen. Die dalmatinischen Bergbewohner haben diese Würde in Sprache, Haltung und Geberde eben mit den benachbarten Orientalen und vielen noch wilderen Völkern gemein, deren „überlegene“ Cultur noch Niemand zu rühmen wagte.

Daß unter der würdevollen Hülle eine ganz unbändige Wildheit verborgen liegt, bewiesen die Crivoscianer im Jahre 1869 durch ihr Verhalten gegen wehrlose Gefangene zur Genüge, aber auch an ihrer übergroßen Veranlagung zum Culturvolke wird man so lange zweifeln dürfen, als das tapfere Bergvolk bürgerliche wie bäuerliche Arbeit als den freien, wehrhaften Mann entehrend betrachtet.

Der dalmatinische Landmann arbeitet thatsächlich nur, wenn ihn die Noth dazu zwingt, sonst überläßt er die Sorge um Haus, Vieh oder Feld den Weibern, um als freier Mann die Berge zu durchstreifen, oder träumerisch hingestreckt seine Pfeife zu rauchen, am liebsten aber um bei kreisendem Becher dem von der Gusla (zweisaitiges Instrument) begleiteten Vortrage eines Helden- oder Liebesliedes zu lauschen.

Die städtische Bevölkerung Dalmatiens gehörte in ihren gebildeten Schichten noch vor wenigen Jahrzehnten ausschließlich zur italienischen Nation, in deren Händen sich daher auch die politische wie administrative Verwaltung des Landes befand. Nur in Ragusa hatte sich neben der italienischen auch slavische Bildung geltend gemacht, und wurde daselbst vor hundert Jahren (1783) das erste slavische Buch im Lande gedruckt.

Seither haben sich die Verhältnisse wesentlich verändert. Mit dem Jahre 1848 war der nationale Volksgeist erwacht, zahlreiche slavische Unterrichtsanstalten unterstützten das Streben nach Bildung, Schritt um Schritt wurde das italienische Element aus seiner dominirenden Stellung getrennt, und heute ist die slavische Nationalpartei durch den Besitz der Landtagsmajorität factisch Herrin im Lande, daher sich die früheren Herren grollend in’s Privatleben zurückziehen, wenn sie es nicht vorziehen, der Heimath ihrer Väter für immer den Rücken zu kehren.

Unmittelbar aus den dalmatinischen Bergen in das Innere Kroatiens oder Slavoniens sich versetzend, erkennt man so recht deutlich die nachhaltige Einwirkung des Verwaltungssystems auf den Charakter des Volkes. Dort wie hier hatte man Jahrhunderte hindurch unter der Kriegsfurie und wechselnder Herrschermacht zu leiden, dort wie hier wurde das kroatische Volk Fremden unterthan, Armuth und Unwissenheit waren dort wie hier die natürliche Folge; während sich aber unter der italienischen Vormundschaft, welche zwar nicht förderte, doch auch nicht unterdrückte, ein freier, lebensfroher Sinn im Volke erhielt, dessen bildungreife Elemente unter der deutsch-liberalen Regierung eine überraschend lebenskräftige Entwickelung bethätigen, schuf das magyarisch-aristokratische Comitatssystem jene unterthänige Bauernschaft, welche, seufzend unter dem dreifachen Drucke der Arbeit, Steuerlast und Willkür, ihre natürlichen Anlagen nur zu jener Schlauheit und Verstellungskunst benützt, womit sie den kochenden Zorn unter der Maske resignirter Demuth verbirgt.

Sollte auch nur der zehnte Theil der haarsträubenden Details auf Wahrheit beruhen, wie sie namentlich über die landesübliche Steuereintreibung verlauten, das Elend des Volkes und dessen verzweifelte Wuthausbrüche wären damit hinlänglich motiviert.

Abgesehen davon, daß die Steuern überhaupt ganz willkürlich bemessen werden, sollen noch viele Bauern durch wiederholte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_683.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)