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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

festen Glauben an die unüberwindliche Siegeskraft des Wortes der göttlichen Wahrheit und bestieg in Wittenberg sofort unter dem Zuströmen alles Volkes die Kanzel und hielt acht Tage hinter einander vor halb Wittenberg jene gewaltigen Zeitpredigten, die wir noch besitzen und die zu den glänzendsten Zeugnissen seines Geistes gehören. Bald war die Versöhnung, der Friede hergestellt, und nur Karlstadt, der sich persönlich tief verletzt fühlte, zog bald darauf hinweg, um Luther später durch bittere Händel zu kränken.

In einer jener Reden hat Luther seinen Glauben an die Macht des Wortes der Wahrheit in den herrlichen Worten ausgesprochen:

„Nehmt ein Exempel an mir. Ich bin dem Papst, dem Ablaß und allen Papisten entgegengestanden: aber mit keiner Gewalt, mit keinem Frevel, mit keinen Stürmen; sondern ich habe allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst hab ich gar nichts dazu gethan. Dieses Wort, wenn ich geschlafen habe, wenn ich Wittenbergisch Bier mit meinem Philippo (Melanchthon) und Amsdorf getrunken habe, oder bin guter Dinge gewest, hat so viel zuwege gebracht, daß das Papstthum so schwach und unmächtig geworden ist, daß ihm noch nie ein Fürst oder Kaiser so viel hat abbrechen können. Ich hab’s nicht gethan, das Wort, von mir gepredigt oder geschrieben, hat allein das Alles ausgerichtet. Was meint Ihr wohl, daß der Teufel denken wird, wenn man solch Ding will mit Rumor ausrichten? Er sitzt hinter der Hölle und denkt: das ist ein Spiel für mich, an dem ich meine Freude habe, mir wird ein Theil aus dieser Beute wohl zufallen! Summa summarum: Predigen will ich’s, schreiben will ich’s, aber dringen mit Gewalt will ich Niemand; denn der Glaube will willig und ungenöthigt sein und ich soll Niemand mit den Haaren davon- oder dazuziehen und kann keinen gen Himmel treiben oder mit Knitteln den Himmel zuschlagen.“

Das Luther-Denkmal in Worms: Luther-Kopf von Rietschel.
Nach einer Photographie im Verlage von Hermann Krone in Dresden.

Luther stellte nun freilich auch einige Neuerungen wieder ab, aber im Ganzen blieb doch das Meiste davon bestehen und breitete sich immer weiter in den deutschen Landen aus. So z. B. wurden überall die Klöster immer leerer, und zwei Jahre nach Luther’s Rückkehr war neben ihm nur noch der Prior im Wittenberger Augustinerkloster übrig geblieben, und als auch dieser, der zwecklosen Verwaltung des Klostergutes müde, davonging und Luther nun dem Kurfürsten die Schlüssel des Klosters überbrachte, überließ ihm Friedrich der Weise das Kloster als Wohnung, und Luther führte dann im Sommer 1525, nachdem er schon 1524 sein Ordenskleid abgelegt hatte, Katharina von Bora als seine Gattin in die ehemaligen Klosterräume und gestaltete sie zum ersten deutschen Familienpfarrhaus um.

Schon von der Wartburg aus hatte Luther über den Verwirklichungseifer der Wittenberger geschrieben: „Guter Gott, die werden auch noch den Mönchen Eheweiber geben; doch mir werden sie keine Frau aufdrängen.“ Aber bald drängte er selbst Viele zum Heirathen und nur von sich meinte er, wer den Ketzertod jeden Augenblick zu erwarten habe, solle nicht freien. Doch schrieb er im Jahre 1525, wenn der Kurfürst wolle, daß er auch in dieser Sache „zum Exempel vorhertrabe“, so wolle er auch freien, da er doch im Sinne habe, im Ehestand zu sterben, zum Zeugniß, daß er den von Gott gefordert erachte, wenn es auch nur eine Josephs-Ehe (Matth. 1, 25) sei, die etwa auf dem Todbette geschlossen würde.

Aber als Luther im Juni 1525 damit umging – so erzählt ein Zeitgenosse – die gewesene Klosterjungfrau Katharina von Boren (sie war aus einer verarmten adeligen Familie) für einen Pfarrer Dr. Glatz zu freien, kam dieselbe zu Amsdorf und bat ihn, er möge doch Luther von diesem Vorhaben abbringen. Wenn er (Amsdorf) oder Luther um sie gefreit hätten, hätte sie sich nicht geweigert, aber den Dr. Glatz könne sie nicht nehmen.

Luther sagte später: „Damals hatte ich meine Käthe nit lieb, denn ich hatte sie im Verdacht, als wäre sie stolz und hoffärtig,“ aber als er jetzt diese Aeußerung von Amsdorf erfuhr und ihm hinterbracht wurde, daß einer der juristischen Professoren gesagt habe: „Wenn dieser Mönch ein Weib nimmt, so wird alle Welt und der Teufel selber lachen und er wird sein ganzes bisheriges Werk zu nichte machen,“ so entschloß er sich plötzlich, „der Welt zu Trutz und seinem Vater zu Willen“ Katharina bei ihrem Wort zu nehmen. Er hat am 13. Juni um sie geworben, und als Katharina, die zuerst nicht wußte, ob es Ernst oder Spaß sei, ihm willig ihre Hand zusagte, sorgte Luther, daß sie ihm schon Tags darauf von Bugenhagen angetraut wurde. Vierzehn Tage später wurde dann nachträglich das feierliche Hochzeitsfest gehalten, bei dem freilich sogar ein Melanchthon fehlte, weil auch er diesen Schritt für höchst bedenklich hielt. Luther’s „Käthe“, die er wohl auch seine Domina oder auch „den Herm Käthe“ nennt, ist eine tüchtige und energische Frau gewesen und hat den großen Haushalt so umsichtig geleitet, daß den vier Kindern, die von sechsen den Vater überlebten, ein kleines Landgut und bescheidenes Vermögen hinterblieb. Luther’s Ehe aber ist ein Vorbild deutschen Familienglücks und deutscher Familienfreuden geworden, und als edle Zier galt in diesem Hause das deutsche Lied in Ton und Wort. In diesem Kreise ließ der alternde Luther seinem reichen und derben Humor, zuweilen auch seiner „Lust am Fabuliren“ freien Lauf, und aus diesem letzteren Grunde, wie auch um des oft gar geringen Geistes der zahlreich ihm zuströmenden Gäste willen, darf man die von eben diesen gesammelten „Tischreden Luther’s“ nur mit Vorsicht und Auswahl benutzen.

Das Jahr 1525 sollte aber auch in Betreff der socialen Frage des Mittelalters zu den verfrühten, gewaltthätigen und deshalb erfolglosen Lösungsversuchen des Bauernkriegs führen. Schon in den Kindertagen Luther’s hatten Bauernaufstände längs des Rheins gewüthet, kurz vor seinem öffentlichen Auftreten war in Württemberg der „Bund des armen Conrad“ niedergeschlagen worden. Aber jetzt drohte die Flamme wieder in neuer und viel furchtbarerer Lohe aufzuschlagen und, was für Luther sehr bedenklich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_752.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)