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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

war, der Aufruhr redete in der Sprache der Luther-Schriften und formulirte seine Forderungen mit den Worten der deutschen Luther-Bibel! Das zeigte sich augenscheinlich in den „Zwölf Artikeln der Bauernschaft“, die ein Prädikant in Waldshut verfaßt hat und die bald das Programm der ganzen Bewegung geworden sind. Gegen sie hat Luther eine „Ermahnung zum Frieden“ geschrieben. Er hält dem Adel seine Sünden vor, denn Niemand Anderem als den Fürsten und Herren, sonderlich den blinden Bischöfen und tollen Pfaffen habe man diesen Unrath zu verdanken. Er habe wohl andere Artikel in seinem Buch an den christlichen Adel gestellt, „aber weil Ihr die habt in den Wind geschlagen, müßt Ihr nun solche eigennützige Artikel hören und leiden und geschieht Euch eben recht, als denen nicht zu rathen ist.“

Aber auch den Bauern erklärte er, daß ihre Forderungen über alles gerechte Maß hinausgehen, und selbst wenn sie gegründet wären, so sei es nicht Recht, daß sie dieselben stellten „mit dem Schwert in der Faust“. Das sei auf keinen Fall christlich. „Darum lasse ich Euere Sache sein, möget Ihr thun und lassen, was Euch Gott nicht wehrt. Aber den christlichen Namen, den christlichen Namen sage ich Euch, den lasset stehen und machet den nicht zum Schmiddeckel Eueres ungeduldigen, unchristlichen Vornehmens; den will ich Euch nicht lassen, noch gönnen, sondern mit Schrift und Wort Euch abreißen nach meinem Vermögen, so lange sich eine Ader regt in meinem Leibe.“

Das Luther-Denkmal in Worms: Luther-Kopf von Donndorf.
Nach einer Photographie im Verlage von Hermann Krone in Dresden.

Und zum Schluß sagt er:

„Da es zwischen den Herren und Bauern also steht, so sind beide gleich unchristlich, darum werden sich beide aufreiben und Gott wird einen Buben mit dem andern stäuben.“

Als es dann zu dem furchtbaren Blutbade kam, in dem die tolle Wuth der Bauern die langjährige Tyrannei ihrer Herren durch empörende Grausamkeit und barbarische Verwüstung zu vergelten suchte und alles, was Wohlstand, Bildung, Kunst und Wissenschaft hieß, wie von wilden Wogen weggeschwemmt zu werden drohte – da hat Luther jenes fulminante Büchlein: „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ ausgehen lassen, in dem er von den Fürsten ein einiges, rasches, muthiges und unverzagtes Niederwerfen des Ausstandes forderte.

Seine Meinung aber hat er später in einer Rechtfertigungsschrift jenes harten und von der Nachwelt viel getadelten Büchleins drastisch dahin ausgedrückt:

„Ich habe Beides besorget: würden die Bauern Herren, so würd der Teufel Abt werden, würden aber die Tyrannen Herren, so würd seine Mutter Abtissin sein.“

Man hat oft gesagt, mit dem Jahre 1525 sei Luther ein Anderer geworden, aber das gilt von ihm nur, soweit es überhaupt von seinem ganzen Volke behauptet werden kann. Das Jahr 1525 war eben ein furchtbarer Hagelsturm, der über die erste frische Frühlingszeit der national-religiösen Reform unseres Vaterlandes hereinbrach. Was das Jahr 1849 für das ihm folgende Jahrzehnt gewesen ist – und das weiß Jeder, der die fünfziger Jahre denkend mit erlebte – das ist seiner Zeit das Jahr 1525 für unser Volk gewesen. Von nun an fiel freilich die Reformation, wenigstens nach ihrer nationalen und politischen Seite hin, bald ganz in die Hände der Fürsten und Diplomaten, und die bisherigen theologischen Führer kehren aus den großen Kämpfen der Reichstage auf ihre lateinischen Lehrstühle und in die engen Studirstuben zurück, viele mit der ernsten Absicht, dogmatische Versöhnungs- und Ausgleichsprojecte zu ersinnen. In diese Zeit des ersten Niedergangs der protestantischen Bewegung fällt auch der bittere Abendmahlsstreit und das Marburger Gespräch mit Zwingli (1529).




Nach dem Bauernkrieg hat Luther noch zwanzig Jahre in Wittenberg als Reformator und Ordner des protestantischen Kirchenwesens, als Lehrer, Kämpfer und Hüter des evangelischen Glaubens, als Visitator der sächsischen Kirche, als Gründer der deutschen Schule gewirkt. Er hat in seinem Katechismus mit genialem Geist ein kurzes Volkslehrbuch geschaffen, von dessen kühner Einfachheit noch heute viel zu lernen wäre, und schon dreihundert Jahre vor Einführung des „Schulzwanges“ das helle Wort geschrieben:

„Kann die Obrigkeit die Unterthanen zwingen, daß sie müssen Spieß und Büchse tragen zum Kriegführen, wie viel mehr kann und soll sie die Eltern zwingen, daß sie ihre Kinder zur Schule halten, weil hier ein ärgerer Krieg vorhanden ist mit dem Teufel, der damit umgeht, daß er Städte und Fürstenthümer will so heimlich aussaugen und von tüchtigen Personen leer machen, bis er den Kern ausgebohrt und die ledige Hülle zurückgelassen hat von unnützen Leuten, mit denen er spielen und gaukeln könne, wie er will.“

Am 5. Mai 1525 starb Friedrich der Weise. Sein Bruder und Nachfolger, Johann der Beständige, blieb Luther treu zugethan, wie auch dessen Sohn, Johann Friedrich, der von 1532 an regierte. Luther äußerte sich damals:

„Mit Herzog Friedrich ist die Weisheit, mit Herzog Hansen die Frömmigkeit gestorben, und nun hinfort wird der Adel regieren, so Weisheit und Frömmigkeit hinweg ist. Sie wissen, daß mein junger Herr einen eigenen Sinn hat und nicht viel auf die Schreibfedern giebt, das gefällt ihnen wohl.“

Doch hat sich nachher auch Johann Friedrich „der Großmüthige“ als ein gewissenhafter, frommer und treuer Fürst bewährt, wenn er auch beschränkteren Geistes war als sein Vorgänger. Es ist bekannt, wie nach vielen Wechselfällen Karl V. endlich mit Frankreich und mit Rom Frieden schloß und im Jahre 1530 nach seiner durch den Papst in Bologna vollzogenen Kaiserkrönung mit dem Entschlusse über die Alpen kam, in Deutschland endlich Ordnung zu schaffen, die Abgewichenen zum Glauben zurückzuführen und die Einheit der Kirche wieder herzustellen. Kurfürst Johann hatte sofort alle seine Theologen nach Torgau bestellt, wo sie die Artikel aufsetzten, „von denen man nicht weichen könne“. Dann waren sie über Coburg, wo Luther, der Geächtete und Gebannte, auf der sicheren Veste „in der Region der Vögel“ zurückbleiben mußte, zum Augsburger Reichstage gezogen, wo

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 753. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_753.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)