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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Die Kunst, Geld zu machen.

Erschrick nicht, ehrlicher Leser, und freue Dich nicht, Falschmünzer in spe! Ich beabsichtige nicht zu lehren, auf welche Weise man es anstellen soll, um sich die auf die Nachahmung von Staatsgeldern und Banknoten gesetzte Kerkerstrafe zu verdienen. Ich will blos lehren, wie man „Geld macht“, das heißt zu Geld kommt oder vielmehr unter Umständen kommen kann. Sollte mich Jemand fragen: „Von wannen kommt dir diese Wissenschaft?“, so sei ihm gleich hier geantwortet: aus einem soeben bei Ward, Lock u. Comp. in London und New-York erschienenen Buche, das sich „The art of money-getting, or, Hints and helps to make a fortune“ (Die Kunst des Geldmachens, oder Winke und Weisungen, Vermögen zu erwerben) betitelt und den berühmten Schaubudenbesitzer, Riesen- und Zwerg-Aussteller, Menageriedirector, Raritätensammler und Primadonnen-Impresario P. T. Barnum zum Verfasser hat. Das große Aufsehen, das Barnum’s vor fünfzehn Jahren erschienene hochinteressante und unterhaltend belehrende Selbstbiographie erregte, und der fabelhafte Absatz, den dieselbe in allen civilisirten Ländern fand, machten uns auf diese neue Schrift dieses classischen Menschen im Voraus gespannt, und wir müssen bekennen, daß diese Lectüre der „Winke, wie man sich ein Vermögen erwirbt“, unsere Erwartungen nicht getäuscht hat.

Da Barnum es selber zu einem gewaltigen Reichthum gebracht hat, muß es schon an und für sich von Interesse sein, die Grundsätze kennen zu lernen, die ihn in seinem Geschäftsleben geleitet haben und die er nun aller Welt zur Beachtung empfiehlt. Dieselben sind ausgezeichnet; nur leiden sie – wie alle guten Grundsätze – an der Schattenseite, nicht immer durchführbar zu sein; nur in wenigen Fällen dürfte ihre genaue Befolgung Jemandem leicht fallen. Immerhin aber kann es nicht schaden, sich dieselben stets vor Augen zu halten.

Die erste und wichtigste Regel lautet: Sei sparsam. Hast du noch kein Vermögen, so spare, um dir eins zu erwerben; bist du aber schon bemittelt, so spare, um dir dein Vermögen zu erhalten. Geld zu erwerben ist nicht immer schwierig, sehr schwierig aber ist die Kunst, im Besitze des Errungenen zu bleiben. In beiden Fällen besteht die Hauptsache darin, daß man weniger ausgebe, als man einnimmt; nur so kann Reichthum erworben werden, es sei denn, es tritt ein Glücksfall – eine Erbschaft, ein Lotteriegewinn etc. – ein, und selbst in diesem Falle hört der Reichthum über kurz oder lang wieder auf, wenn man nicht entsprechend zu wirthschaften versteht.

Aber das Sparen allein genügt nicht. Man muß auch in der richtigen Art zu sparen wissen. Gar Mancher glaubt zu sparen, während er in Wirklichkeit nur einseitige Knickerei treibt oder selbst einfach gemein ist. Viele halten sich für „ökonomisch“, wenn sie ein Kerzenende sparen, die Käserinden essen, bei ungenügendem Lichte lesen oder der Waschfrau fünf Pfennig von der Rechnung abziehen. Solch einseitige Schmutzerei taugt nichts, am allerwenigsten, wenn solche Leute nach anderen Richtungen hin verschwenderisch sind. Manche Frau, die hier und da zehn Pfennig erspart, wo sie übrigens ganz gut hätte dreißig ersparen können, hält sich für so wunderbar ökonomisch, daß sie sich berechtigt glaubt, häufig zehn oder zwanzig Mark für Putzsachen auszugeben, wo vier oder fünf Mark genügt hätten. Es giebt Geschäftsleute, die aus Wirthschaftlichkeit jedes alte Couvert, jeden Briefbogen aufbewahren; sie ersparen dadurch jährlich fünfzehn oder zwanzig Mark, scheuen sich aber nicht, kostspielige Soiréen zu geben und eine Equipage zu halten. Ein so planlos „sparender“ Mensch kann es zu nichts bringen. Barnum erinnert an den Ausspruch des Londoner „Punch“, daß solche Leute dem Manne gleichen, der aus Sparsamkeit zum Mittagsbrod für seine ganze Familie einen Häring kaufte, dann aber eine vierspännige Kutsche miethete, um den Häring nach Hause zu bringen.

Die wahre Sparsamkeit besteht auch nicht darin, gute Waare umsonst oder halb geschenkt haben zu wollen und so den Erzeuger oder Verkäufer um seine Zeit und Arbeit zu bringen, sondern darin, die Ausgabe in vernünftiger Weise niedriger zu stellen, als die Einnahmen im äußersten Falle gestatten würden. Nöthigenfalls trage man einen Anzug etwas länger, schiebe den Ankauf neuer Handschuhe auf, richte ein altes Kleid möglichst anständig her, ehe man sich zu seiner Beseitigung entschließt, und nähre sich mit einfacher Kost. Ein Groschen hier, ein Thaler dort – Alles trägt Zinsen, und schließlich besitzt man ein Sümmchen. Es fällt Vielen sicherlich schwer, sich in ihren unnützen Ausgaben einzuschränken, nachdem sie sich die gedankenlose Befriedigung jeder Laune angewöhnt; wer es aber energisch versucht, wird bald großes Vergnügen darin finden, seine Ersparnisse anwachsen und sich in einen mäßigen, überlegenden Menschen verwandelt zu sehen. Barnum unterläßt nicht, die etwas ältliche Lehre zu ertheilen, daß man mit tausend Thalern Einkommen oft glücklicher sein und mehr Genüsse haben kann, als mit dem Zehn- und Zwanzigfachen, je nachdem man sich sein Geld eintheilt.

Es giebt Personen – und die Zahl dieser Parvenüs ist Legion – die, sobald sie zu viel Geld kommen, ihren Bedürfnißkreis absonderlich erweitern und Luxus zu treiben beginnen, sodaß sie ihren neugebackenen Reichthum bald loswerden. Sie fallen der Sucht, den „Schein zu wahren“ und es Anderen gleichzuthun, zum Opfer. Schon Franklin sagte: „Nicht unsere eigenen Augen, sondern die der Anderen ruiniren uns; wäre alle Welt außer mir blind, ich würde wenig nach eleganten Kleidern und feinen Möbeln fragen.“ Es ist jedenfalls viel vernünftiger, sich nach seinen Mitteln zu richten und es nicht der „Welt“ zuliebe zu unterlassen, für die Zukunft zu sorgen. Unser Gewährsmann führt gegen „Verschwendungssucht und falsche Sparsamkeit“ ein Mittel an, das er als vortrefflich empfiehlt, und wir sind von der Richtigkeit seiner Ansicht überzeugt: „Wer ein anständiges Einkommen hat und am Ende des Jahres dennoch keinen Ueberschuß erzielt, schreibe alle seine Ausgaben nieder, theile jede Woche ein Stück Papier in zwei Rubriken ein, betitele die eine ‚Nothwendiges‘, die andere ‚Ueberflüssiges‘ und vertheile die Ausgaben in diese zwei Rubriken. Er wird finden, daß die zweite weit umfangreicher ist als die erste.“

Nächst der Sparsamkeit ist die Gesundheit die wichtigste Vorbedingung des materiellen Erfolges. Nur wenige Leidende werden im Stande sein, sich ein Vermögen zu erwerben. Der Kranke ist gewöhnlich[WS 1] apathisch und energielos. Und wie Viele tragen selber die Schuld an ihrer schlechten Gesundheit! Sie verletzen die Gebote der Natur, Mode- und anderen Thorheiten zuliebe, gegen ihr besseres Wissen absichtlich. Es ist also von großem Nutzen, die Gesundheitslehre zu studiren und sich an ihre Vorschriften zu halten, denn ihre Uebertretung zieht immer die Bestrafung nach sich. Unter Anderem wendet sich der „König der Schausteller“ in bitteren Worten gegen den übermäßigen Genuß des Tabaks und gegen den häufigen Gebrauch von geistigen Getränken. „Zum Gelderwerb,“ sagt er in Bezug auf den letzteren, „gehört ein klarer Kopf. Man muß seine Pläne mit reiflicher Ueberlegung machen und alle Einzelnheiten einer Geschäftsangelegenheit genau prüfen. Man mag noch so intelligent sein, so kann man seinen Geschäften nicht erfolgreich vorstehen, wenn man sich durch geistige Getränke das Hirn verwirren und die Urtheilskraft trüben läßt. Wie manche günstige Gelegenheit geht unwiederbringlich verloren, während man mit einem Freund ein ‚geselliges Glas‘ schlürft! Wie manches thörichte Geschäft wird unter dem Einflusse des ‚Nervenstärkers‘ abgeschlossen! Wie manche gute Aussicht wird auf morgen und dadurch auf immer hinausgeschoben, weil das Weinglas den Leib träge macht und somit die im Geschäftsleben erforderliche Energie neutralisirt!“

Die dritte Hauptregel lautet: „Verfehle deinen Beruf nicht.“ Man wähle einen den eigenen Neigungen und der eigenen Beanlagung entsprechenden Beruf. Nicht selten begehen gedankenlose Eltern arge Irrthümer, wenn sie ihre Söhne für diesen oder jenen Stand bestimmen. Der Bäcker von Thurso, der sich als vorzüglicher Naturforscher entpuppte, der Genfer Bauernphilosoph, der amerikanische Grobschmied, der sich durch hervorragende Sprachkenntnisse auszeichnete, vielleicht auch unser Hans Sachs etc. sind Beispiele, die die Richtigkeit der Barnum’schen Mahnung darthun. Wer nicht die ihm von der Natur zugedachte Rolle spielt, kann keine großen Erfolge erzielen. Wie mancher schlechte Handwerker wäre ein guter Professor oder Arzt, und wie mancher Advocat oder Pfarrer würde besser zum Kaufmann oder Gewerbetreibenden passen!

Hat man einmal in dieser Hinsicht das Richtige getroffen, so wähle man den richtigen Ort. Geht man mit dem geeignetsten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gewöhntich
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 818. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_818.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2024)