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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

No. 51.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Nicht zu übersehen!


Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Leipzig, im December 1883. Die Verlagshandlung der „Gartenlaube“. 



Glockenstimmen.

Eine Bürgergeschichte aus dem 17. Jahrhundert.
Von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)

Die Muhme Schmidtin trat in die Stube zurück. „Jetzt sind wir unter uns, und es ist am besten, die Sache wird gleich ordentlich ausgefochten. Hanne! was wird die Stadt dazu sagen, daß Du den größten Brauherrn ausschlägst und Dich an den Hermann Zimmermann hängst? Soll Dein Vater im Grabe sich umdrehen? Deine Mutter sich todt grämen?“

Frau Henningin führte den Zipfel ihrer blauen Schürze an die Augen; aber Johanne trat festen Schrittes zu ihr, und mit stahlharter Stimme sprach sie: „Ich werde niemals einen Ehebund zu schließen begehren, zu dem Ihr, liebwerthe Mutter, mir nicht freudig Euren Segen geben mögt. Aber ehenso wenig könnt Ihr mir befehlen, welchem Manne ich Lieb und Treue halten soll. Für mein Recht in dieser Sache habe ich einen Beistand zur Seite, gegen den auch die Muhme nicht wird mucken dürfen: unseren Herrn Doctor Luther. Der hat festgestellt: man soll Niemand zur Ehe zwingen, sondern sie soll Jedermann frei gelassen und seinem Gewissen heimgestellt werden zu verantworten; denn zur Brautliebe kann Niemand gezwungen und gedrungen werden. Das hat mir unser Herr Superintendent selber ausgelegt, da ich ihn nach dem letzten Katechismusexamen befragt habe, was einer christlichen Jungfrau in solch heiklem Handel gezieme. Daran werde ich festhalten, und wenn die ganze Papiermühle sich auf den Kopf stellt.“

Mit den letzten Worten drückte sie der Muhme ein Bündel Kuchen und Wurst in die Hand, und ob auch diese gegen ihre Rede rief: „Ich erachte dieses Alles für kauderwälsche Grillen,“ so schob Johanne sie doch hinaus und schnappte die Thür hinter ihr ab.

Frau Henningin hing den Kopf. Der Superintendent war die allerhöchste Behörde in Gewissenssachen, zu welchen dazumal die Ehe noch gezählt wurde.

Indessen zogen die andern Gäste vergnügt heimwärts. Das getreue Bier saß Allen zu Häupten, daß sie schnell vergaßen, welch stürmisches Ende die Spinnstube genommen hatte. Fischer geleitete die Brotkorbin. Die Bierglocke schallte mahnend vom Rathhausthurm und trieb die Bürger aus den Schenken, auf daß Ordnung und Ehrbarkeit in Kraft bestehen blieben.

„Es geht doch nichts über ein vernünftiges Maßhalten,“ lallte Nicolaus Fischer, wuchtig durch den Schnee stampfend.

„Nein, es geht nichts darüber,“ versicherte Barbara.

„So laßt uns noch ein Maß Bier zusammen halten,“ lachte Nicolaus. „Heda! eine Kanne Weizenbier!“ rief er in den Rathskeller hinein.

Der Trunk wurde gebracht. Er lugte ihn mit schwimmenden Augen zärtlich an. Mit glucksender Stimme sprach er den alten Biersegen:

„Nun grüß dich Gott, du liebes Pir,
Nun gesegne dich Gott, du liebe Weizenprüh!“

Dann tranken sie zusammen den brunnentiefen Krug in wenigen Zügen leer. Noch schwerfälliger ging es fürbaß.

„Wißt Ihr, liebe Jungfer, was noch besser ist als ein Trunk Bier?“ pustete er weitergehend. „Das ist ein wackrer Junggesell, an dem eine Jungfer eine rechte Stütze und einen Stab hat. Solches muß Euch heut klärlich in die Augen leuchten.“ Er stolperte dabei über die Stufen der steinernen Gallerie am Markt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_821.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2024)