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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

auf seine Fahne geschrieben hat, weit mehr Anhänger zu, als die Begeisterung für die Reform des Islam, die er für sein Hauptziel, für seine eigentliche Mission ausgiebt. In dieser letzteren Beziehung dürfte er sich aber arg getäuscht sehen, denn schon haben die Ulemas der großen Azhar-Moschee, der ersten Universität der gesammten mohammedanischen Welt, ihn als Betrüger verurtheilt, und selbst im fernen Stambul regen sich bereits die Schriftgelehrten des Korans, um ihn als Verräther des wahren Propheten in Bann zu erklären.

Vom Fanatismus der großen Massen hat also der Mahdi nicht viel zu hoffen, und deshalb hatte der scharfblickende Baker Pascha ganz Recht, als er beim Beginn der Hicks’schen Expedition, die so verhängnißvoll werden sollte, und vor welcher er vergebens eindringlich warnte, vorschlug, derselben alsdann wenigstens einige der ersten Ulemas von Kairo mitzugeben, um die Bevölkerung dem falschen Propheten abtrünnig zu machen und zum wahren Glauben zurückzuführen.

Bei uns in Europa wäre das allerdiugs eine seltsame Manier, Krieg zu führen; aber Land und Leute in Central-Afrika sind eben ganz anders, so ganz anders, daß nur die damit Vertrauten sich ein richtiges Urtheil über die dortige Lage der Dinge bilden können. Wie dieselbe nun aber einmal ist, und zwar durch die Fehler der ägyptischen Regierung geworden ist, darf an eine Zurückziehung der englischen Truppen aus Aegypten, die bereits für den November in Aussicht genommen war, nicht mehr gedacht werden; im Gegentheile, es wäre gar so unwahrscheinlich nicht, wenn sie angesichts dieser neuen bedrohlichen Verwickelungen demnächst verstärkt würden. Somit scheint es, als solle das schöne Pharaonenland noch immer nicht zur Ruhe kommen, deren es doch so sehr, so sehr bedarf.




Jäger-Weihnachten im Hochgebirge.

„Gefuttert muß heute werden, es hilft Alles nix,“ – sagt am Tage vor dem Weihnachtsfest der Oberförster zu seinen beiden Gehülfen und kratzt sich dabei verlegen hinter den Ohren – „sonst gehen uns am Ende noch so und so viel Stücke ein!“

Die also Angesprochenen blicken mit etwas enttäuschten Mienen zu ihrem Vorgesetzten auf; der aber zuckt die Achsel und schweigt. Er weiß, daß heute jeder Christenmensch auf eine freie Abendstunde rechnet, aber die Umstände zwingen in diesem Fall zum Gegentheil. Seit Wochen schon deckt tiefer Schnee die Berge; eine eisige Decke liegt über dem Moos im Walde, und dicke Schneekrusten umhüllen das Geäste der Tannen, sodaß das Wild nichts mehr findet, den Hunger zu stillen.

In dumpfem Hinbrüten steht da ein Rudel Hirsche, dort eine Rehfamilie unter den überhängenden Zweigen einer mächtigen Tanne, und zeitweise nagen die Thiere an der harten, harzigen Rinde, nur um etwas in den leeren Magen zu bekommen. Schon an dieser unverdaulichen Kost gehen Viele zu Grunde. Die Räuber des Waldes wissen aber den Nothstand noch mehr zu vergrößern. Wenn das schwachgewordene Reh über die leicht gefrorne Schneedecke eilt, um einen Aesungsort zu suchen, schleicht der listige Reineke dem armen Thiere nach, das, die Gefahr erkennend, sich durch rasche Sprünge zu retten sucht. Allein die Kraft der Fesseln hat nachgelassen, unbeholfen sinkt das Reh bei jedem Schritte ein; es arbeitet sich ab, daß das Blut von den Läufen träufelt – dann stürzt der rothe Wegelagerer herbei und das unglückliche Opfer liefert ihm eine reichliche Mahlzeit. Auch Geier und Adler werden dreist, und der König der Lüfte holt sich, wo es sein kann, ein Kitzlein oder Reh, um der eigenen Noth vorzubeugen.

Um diese Zeit erachtet es der Jäger als Nothwendigkeit, den verlassenen Geschöpfen beizuspringen, und wo immer der Wildstand die rechte waidmännische Aufmerksamkeit erfährt, wird das Wild die härteste Zeit über gefüttert. Es sind hierzu eigene Futterplätze ausersehen, auf welche in bestimmten Zwischenräumen Heu mit Salz vermengt aufgestreut wird. Je nach dem Umfang des Jagdbezirkes, befinden sich solche Futterstationen viele Stunden weit in den Bergen drinnen und zumeist sogar auf ziemlicher Höhe.

Im Allgemeinen giebt es für den Jagdfreund kaum etwas Prächtigeres, als den Anblick einer solchen Futterscene. Wenn sich der Jäger der betreffenden Stelle nähert, stößt er auf eine ganze Versammlung der edlen Thiere. Da steht der Berghirsch mit hochgehobenem Geweih und bläht die Nüstern dem Ankömmlinge witternd entgegen; erst auf ganz kurze Distanz weicht dieser König der Wälder langsam hinter die schützenden Tannen zurück, nicht ohne wiederholt stehen zu bleiben und um sich zu sehen. Im dicht gedrängten Rudel recken Schmalthiere, Kälber und Rehe die Hälse vor und der eigenthümliche Glanz ihrer Lichter bekundet deutlich die Aufregung, die sich ihrer bemächtigt hat. Erst wenn der Jäger ganz nahe bei ihnen ist, wenden sie sich zur kurzen Flucht. Ist aber das Futter gestreut, hei! wie sie darauf losstürzen; die Kleinen und Schwachen kommen die ersten Augenblicke gar nicht daran, und öfters wird der Futterplatz zum wirklichen Kampfplatz. –

„Ich kann Euch nicht helfen,“ wiederholt der Oberförster, „das Wetter gefällt mir gar nicht recht, am Ende bekommen wir einen tüchtigen Schneesturm, dann ist’s noch viel schlimmer.“

Der eine der Burschen nickt mit dem Kopfe, der andere steht schweigend auf und greift seufzend zur Joppe, die an der Wand hängt. Vielleicht hat ihm sein Schatz ein Christkindl zugesagt, wenn er Abends an’s Kammerfenster käme, aber möglicher Weise sind sie bis zur Metten doch wieder zurück. Also vorwärts! Der Futterplatz, den sie besuchen sollen, ist einer der höchst gelegenen; dicht bei der herzoglichen Jagdhütte, in der auch die Heuvorräthe untergebracht sind. Sie hängen ihre Bergsäcke über den Rücken, nachdem sie sich mit Salz für die Thiere und etwas Mundvorrath versehen haben. Der gutmüthige Chef fügt diesen noch extra eine geräucherte Zunge und ein Fläschchen Enzian bei, um den unerwünschten Dienstgang wenigstens einigermaßen erträglicher zu machen.

Im tiefen Schnee arbeiten sich die wackeren Jäger auf bekannten Steigen, die allerdings nur sie errathen können, empor. Bleischwer liegen die Wolken auf den Bergspitzen und drücken in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 832. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_832.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)