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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

In der Dampfwäscherei.

„Waschmaschine!“ Schon das eine Wort genügt, um den weiten Kreis meiner Leserinnen in zwei feindliche Lager zu spalten. Die meisten Frauen sind gegen dieselbe ebenso eingenommen, wie ihre älteren Schwestern noch vor Kurzem gegen die Nähmaschine wetteiferten, und sie weisen mit Entrüstung die Zumuthung zurück, daß sie die Hauswäsche, das Werk ihrer zarten Hände, den eisernen Armen und Griffen eines mit Dampf gespeisten Ungethüms anvertrauen sollen. Leider ist ihr Vorurtheil zum großen Theil nicht unbegründet, denn unberufene Erfinder haben seit vielen Jahrzehnten die Welt mit einer nicht geringen Anzahl von Maschinen beglückt, die in der That in dem Zerstören der Wäsche Erstaunliches leisten. Aber dieses Vorurtheil ist heute nicht mehr berechtigt, denn die Erfindungskraft des Menschen hat auch auf diesem Gebiete endlich alle Schwierigkeit besiegt und Waschmaschinen hergestellt, die den Anforderungen der sorgsamsten Hausfrau genügen. Die Zeit ist wirklich eingetreten, in welcher der Ingenieur der Waschfrau Concurrenz bereitet und das eintönige Hämmern der Kolben und Walzen das gemüthliche Plaudern aus der Waschküche verdrängt. Man mag über diese Umwälzung denken, wie man will, sie hat einmal ihren Anfang genommen, sie hat in vielen Städten festen Fuß gefaßt, und sie wird weiter um sich greifen, denn Niemand wird gegen die Zeitströmung ankämpfen können, welche auf allen Gebieten die Arbeit der menschlichen Hand durch Maschinenarbeit ersetzt.

Noch vor zehn Jahren sagte mir eine resolute Waschfrau: „Wissen Sie, mein Herr, die Waschmaschinen sind gut für Lumpen, aber taugen nichts für feine Herrenwäsche.“ Damals hatte die Waschfrau nicht Unrecht, denn in der That beschränkte sich die Anwendung der Waschmaschine lange Zeit nur auf das Reinigen der Lumpen in Papierfabriken. Was würde aber die Frau heute sagen, wenn ich ihr mittheilte, daß eine einzige Waschmaschinenfabrik, die von Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz bis heute in 11 Garnisonen, in 5 Garnisonlazarethen, in 13 Kranken- und Siechenhäusern, in 10 Irrenanstalten und in 4 Strafanstalten Dampfwäschereien eingerichtet und außerdem eine nicht unbedeutende Anzahl von Privatdampfwaschanstalten in den verschiedensten Städten eingeführt hat, worunter in erster Linie die des Kaisers in Potsdam sich befindet. Das sind Thatsachen und Erfolge, mit denen man rechnen muß.

Desinfectionsapparat von Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz.

Doch ich will nicht vorgreifen und meine Leserin lieber selbst urtheilen lassen. Sie möge mir aufmerksam durch eine derartige Dampfwaschanstalt folgen und dabei von Zeit zu Zeit die beigegebene Abbildung der Dampfwaschanstalt der Charité, des weltberühmten Berliner Krankenhauses, genauer ansehen.

Das Etablissement, welchem unser heutiger Besuch gilt, ist nach dem Systeme Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz eingerichtet, und ich habe dieses System darum zur Unterlage meines Artikels gewählt, weil die genannte Fabrik auf diesem Gebiete zuerst bahnbrechend vorgegangen ist und sich des besten Rufes nicht nur in Deutschland, sondern weit über unsere Grenzen hinaus erfreut, dasselbe auch keine Nachahmung ist, sondern auf Verwirklichung eigener Ideen beruht.

Da liegt ein Bündel unreiner Wäsche vor uns, treten wir mit ihm die Wanderung durch die Waschanstalt an, sie wird nicht lange dauern, denn es wird ja hier mit Dampf gearbeitet.

Auf der ersten Station ist etwas Besonderes nicht zu sehen. Wir machen vor einem großen Bottiche Halt, in welchen je nach Bedarf kaltes oder warmes Wasser eingelassen werden kann. In ihm wird die Wäsche eingeweicht, und dazu ist keine Maschinenarbeit nöthig, das besorgen, wie bei uns zu Hause, Frauenhände.

Doch schon auf der zweiten Etappe stehen wir vor der wirklichen Waschmaschine. Ihre Wirkung ist leicht zu erklären. Unbekümmert um das complicirte Räderwerk, welches wir an ihrem oberen Theile bemerken (vergl. Abbildung Nr. 4), öffnen wir den untersten Kasten und schauen in das Innere hinein. Hier hängen in der Mitte eines kupfernen Bottichs vier messingerne Walkhämmer herunter, die um ihre Aufhängungsachse, je zwei nach rück- und vorwärts, bewegt werden können. Zu beiden Seiten dieser Hämmer befindet sich ein freier Raum, in welchen je zwölf Kilo Wäsche eingelegt werden. Am oberen Theil dieser Waschräume liegt ein Einlaufrohr für kaltes und heißes Wasser, während am Boden ein feingelöchertes Rohr zur Dampfeinströmung dient.

In diese Waschräume wird nun die Wäsche hineingethan, sowie die nöthige Menge aufgelöster Seife und Soda zugegossen und darauf das erforderliche Wasser eingelassen; zum Schluß läßt man den Dampf einströmen, um das Ganze während des Waschprocesses heiß oder kochend zu erhalten, je nach Erforderniß. Schon bei Beginn des Einlegens der Wäsche wird die Maschine in Thätigkeit gesetzt, durch das Hin- und Hergehen der Messinghämmer wird der Waschknäul gedrückt und in rollende Bewegung versetzt, das heißt gewalkt. Alle Flächen, welche die Wäsche berührt, sind von Metall und spiegelglatt; der Gang der Hämmer ist ein gezwungener, sicherer und arbeitet in sanftester Weise, sodaß die Wäsche gar nicht angegriffen werden kann.

Und die Wäsche ist schon rein? So schnell geht das freilich nicht. Fettflecke und Streifen sind noch zum Theil an ihr geblieben, und um diese wegzubringen, muß der Maschine die Frauenhand nachhelfen. Jedes Stück wird jetzt von Wäscherinnen genau nachgesehen, welche die fleckigen Stellen tüchtig einseifen. Diese Arbeit muß jedoch im Interesse des Wäsche-Inhabers nur mit der Hand besorgt werden, und in den uns bekannten Anstalten wird die Waschfrau, welche eine Bürste in die Anstalt bringt, mit einer Mark Strafe belegt.

Unser Bündel revidirter und nachgeseifter Wäsche wandert jetzt in einen Bottich, in welchem sich kochendes Wasser befindet, und hier wird die Wäsche gekocht. Selbstverständlich nimmt man für jede Partie frisches Wasser; an heißem Dampf fehlt es ja nie in einer Dampfwaschanstalt.

Jetzt wird die Wäsche in zwei Sorten gesondert, diejenige, welche in stark unreinem Zustande in die Anstalt gelangte, wandert noch einmal in die Waschmaschine, wo sie nunmehr ohne Seifenzuguß, da sie schon, wie erwähnt, mit der Hand angeseift wurde, nochmals gewaschen wird.

Doch folgen wir unserem reinen Bündel. Wir treten jetzt vor einen hölzernen Bottich, in dessen Mitte inselartig eine dicke Wand emporragt; zwischen dieser und der einen Bottichwand befindet sich ein Flügelrad, welches das Wasser in stromartige, kreisende Bewegung bringt. In diesem Bottich wird unsere gewaschene Wäsche geschüttet, sie schwimmt im Strom und wird bei jedem Durchgang von dem Flügelrade energisch getaucht, wodurch das Reinspülen erfolgt. Doch wir haben lange genug mit dem nassen Elemente zu schaffen gehabt und möchten nun gern sammt unserm Bündel Wäsche in’s Trockene gelangen.

Das Trocknen besorgt wiederum eine Maschine, die Centrifugaltrockenmaschine. Sehen wir uns nur den runden Apparat, in welchen das Waschmädchen die nasse Wäsche hineinlegt (vergl. Abbildung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 848. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_848.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2024)