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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

das Sehen wird dadurch wieder möglich. Wenn man die entfernte Augenlinse dann nur durch eine äußere, starkbrechende Glaslinse (Fig. 1, c) ersetzt, das heißt den Operirten eine sogenannte Staarbrille tragen läßt, so ist sogar ganz scharfes Sehen wieder möglich, weil durch eine solche das Bild der äußeren Gegenstände (a b) wieder genau auf die Netzhaut (c d) geleitet wird.

Fig. 1.

Diese Entfernung der Linse aus dem Auge, die sogenannte Staaroperation, erfordert natürlich große Fertigkeit, wird aber durch verbesserte Operationsverfahren und sicherere Wundbehandlung heutzutage in der bei weitem überwiegenden Mehrzahl der Fälle erfolgreich ausgeführt. Sehr schmerzhaft ist die Operation nicht und gar von Gefährdung des Lebens durch dieselbe kann kaum die Rede sein, Gründe genug, daß die große Scheu vor derselben, wie sie noch vielfach herrscht, ganz unberechtigt erscheint, wenn jene auch an dem edelsten Sinnesorgane. (und gerade weil sie an diesem) gemacht wird. Das Lebensalter ist ebenfalls kein Hinderniß für ihre Ausführung, sobald der Staar nur „reif“, das heißt, wenn die Linse vollkommen trübe ist: sie kann bei kleinen Kindern sowohl, wie bei Hochbejahrten vorgenommen werden, wenn auch bei beiden verschiedene Verfahren eingehalten werden müssen. Das frühere Alter hat sogar den Vorzug, daß die verdunkelte Linse während dieses meist nur durch die Hornhaut hindurch (Fig. 2 m a) einfach angestochen zu werden braucht, worauf sie vermöge der mächtigen Lebensthätigkeit des kindlichen Organismns von selbst aufgesaugt wird und verschwindet. Wenn man also zuweilen in Zeitungen liest, der berühmte Profestor X. habe ein von Geburt aus blindes Kind, im 7. Lebensjahre z. B., so geschickt und schmerzlos operirt, daß es wieder sehe, so ist das durchaus nichts Wunderbares, ja nicht einmal etwas außergewöhnliches: ist doch gerade das dabei geübte einfache und leichte Verfahren schon seit uralter Zeit gebräuchlich gewesen, und bei den alten Indern, Aegyptern, Griechen, Arabern ebenso häufig, wie bei den Neueren durchgeführt worden.

Fig. 2.
a. getrübte Linse.

Nur mit dem Unterschiede, daß diese letzteren gerade in dem Atropin noch ein sicheres Mittel besitzen, die früher dabei vorhandenen Gefahren zu verhüten und abzuwenden. Dagegen im höchsten Alter werden diese letzteren jetzt durch die kürzere Nachbehandlungszeit, welche heute nöthig ist, und durch die technischen und hygieinischen Hülfsmittel, welche die Neuzeit geschaffen hat, bedeutend vermindert.

Wollten wir hier mehr als einige praktische Winke und Erklärungen über Dinge geben, die im Leben heute noch nicht genug bekannt sind oder beachtet werden, so müßten wir noch von den verschiedenen Formen des grauen Staars, dem Rinden-, Kern-, vorderen und hinteren Kapselstaar etc. sprechen; das wäre aber allzu lehrbuchmäßig für diese Stelle! Wir wollen deshalb nur noch die Bemerkung anfügen, daß ein Staarkranker sich nicht, wie es fast immer geschieht, mit einer Untersuchung behufs Feststellung seines Uebels begnügen und dann, wenn es ihm gut dünkt, die Operation in einer Klinik verlangen sollte; vielmehr ist es von wesentlichem Vortheil für den Erfolg der letzteren, wenn der Verlauf des Staares bis dahin stets überwacht wird. Denn es können sehr wohl Erscheinungen zu Tage treten, die besondere und nicht selten schleunige Hülfe nöthig machen, deren Versäumniß sich bitter rächen würde. –

Ein viel räthselhafteres und auch gefährlicheres Leiden, als der graue, ist der sogenannte „grüne Staar“, über den wir einige Worte sagen wollen.

„Dabei sieht wohl das Auge so grün aus, wie ein im Dunkeln leuchtendes Katzenauge?“ fragt, wer den Namen zum ersten Male hört, ganz sicher, und so fragt im Stillen wohl auch mancher Leser.

Nun ist aber bei diesem Uebel von irgend einer grünen Färbung am Auge oder von einem grünen Widerschein aus der Pupille gar keine Spur zu finden!

„Woher stammt denn aber diese sonderbare Bezeichnung?“

Ja, wer das sicher wüßte! Höchst wahrscheinlich ist dieselbe eine schlechte Uebersetzung des technischen Namens „Glaukom“, mit dem die Krankheit bei den Aerzten von jeher benannt ward. Eine sachgemäße Benennung aber giebt es überhaupt noch nicht, weil weder die Natur, noch der Sitz des Uebels in einem bestimmten Augentheil, noch die Ursachen desselben – die Einen glauben als solche eine Entzündung der Aderhaut, die Andern eine Störung durch Nerveneinfluß etc. annehmen zu müssen – genau erkannt und erforscht sind.

Fig. 3.
Vertiefung des Sehnerveneintritts in’s Auge (a) und Verkleinerung der vorderen Augenkammer (b) bei Glaukom. (Im Durchschnitt gesehen.)

Lange Zeit hat man gemeint, daß bei grünem Staar durch eine Ausschwitzung von Flüssigkeit in das Augeninnere der Innendruck, die Spannung desselben einfach vermehrt werde und daß dadurch alle Erscheinungen des Uebels und der schließliche Verlust des Gesichtes bedingt werden. Heute hält man das aber nicht mehr für unumstößlich richtig. Zwar sind in den meisten Fällen vermehrte, der des Steines sich nähernde Härte des im gesunden Zustande bekanntlich elastisch weichen Augapfels und Vertiefung des Sehnerveneintritts im Innern des Auges, sowie Verkleinerung der vorderen Augenkammer (Fig. 3 b) die Haupterscheinungen des Leidens. Diese sind außerdem verbunden mit Trübung des Sehvermögens, großer Schmerzhaftigkeit des Auges und dessen Umgebung, welche besonders des Nachts sich steigert, mit Unempfindlichkeit der sonst so empfindlichen Hornhaut (weiß doch Jedermann, wie weh ein Stäubchen im gesunden Auge thut!), Röthung und Thränenfluß; aber es giebt andererseits auch wieder Fälle, die ganz schleichend und ohne merkliches Härterwerden des Augapfels etc. bis zum verhängnißvollen Ende verlaufen. Doch für den Laien ist nur die „praktische“ Frage wichtig: was habe ich zu thun, wenn ich die eben genannten Erscheinungen an meinem Auge wahrnehme?

Die einfache und einzige Antwort, welche man für solchen Fall zu geben hat, ist die: Er consultire sofort einen tüchtigen Arzt – das sind ist Deutschland zum Glück fast alle! – und bitte ihn, eine gründliche Untersuchung seines Auges vorzunehmen!

Wird durch letztere festgestellt, daß „grüner Staar“ vorhanden ist, so bleibt in den bei weitem häufigsten Fällen die einzige, aber ganz ungefährliche, dazu fast nicht schmerzhafte Hülfe: das Ausschneiden eines Stückchens aus der Regenbogenhaut! – Durch dieses erst von dem berühmten Gräfe in den fünfziger Jahren gefundene Verfahren wird das vorhandene Sehvermögen alsdann erhalten und, wenn es etwa schon geschwächt war, oft genug wieder hergestellt, ohne dasselbe aber geht es unrettbar verloren!

Fig. 4.

Für den Patienten aber erwächst für die Folge aus dieser kleinen Operation fast kein anderer Nachtheil, als der, daß er statt einer runden Pupille eine solche von der Form, wie sie Fig. 4 versinnlicht, fortan besitzt, was doch dem unschätzbar großen Gewinne der Erhaltung des Sehvermögens gegenüber, das früher ohne dieselbe zweifellos verloren gegangen wäre, wahrlich nicht in Betracht kommen kann! Zudem bleibt der größte Theil der ausgeschnittenen Stelle noch durch das obere Lid verdeckt. Wir betonen deshalb nochmals ganz besonders: Ist grüner Staar constatirt, so zögere der Patient nicht einen Tag, die Operation ausführen zu lassen; denn jeder verlorene Tag verschlimmert die Aussichten, jeder gewonnene verbessert sie! Ist doch trotz der Entdeckung eines Arzneimittels, des Eserin, das in einzelnen Fällen nützt, ja heilt, auch heute noch die Gräfesche Operation das einzige sichere Heilmittel des grünen Staars geblieben! –

Für die Krankheitsgruppe, die man im täglichen Leben noch als „schwarzen Staar“ zu benennen pflegt, giebt es dagegen ein derartiges leider nicht! Alles, was in der neueren Augenheilkunde in Bezug auf Behandlung und Heilung desselben gewonnen wurde, ist verhältnißmäßig geringfügig und bleibt unsicher in Bezug auf den Erfolg.

Wir gehrauchten soeben die Bezeichnung „Krankheitsgruppe des schwarzen Staars“ und zwar mit bewußter Absicht. Denn

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_094.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2020)