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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Erwerb, und lachend gestand ich ihm, daß er wohl Recht haben möchte.

Da bald darauf eine große Handelskrisis entstand und wie viele unserer Freunde auch mein Vater sein Vermögen verlor, da platzte die merkantilische Seifenblase noch schneller und kläglicher als die imperiale, und meine Mutter mußte wohl eine andre Laufbahn für mich träumen.

Sie meinte jetzt, ich müsse durchaus Jurisprudenz studiren.

Sie hatte nemlich bemerkt, wie längst in England, aber auch in Frankreich und im konstituzionellen Deutschland, der Juristenstand allmächtig sei, und besonders die Advokaten, durch die Gewohnheit des öffentlichen Vortrags die schwatzenden Hauptrollen spielen und dadurch zu den höchsten Staatsämtern gelangen.

Da eben die neue Universität Bonn errichtet worden, wo die juristische Fakultät von den berühmtesten Professoren besetzt war, schickte mich meine Mutter unverzüglich nach Bonn, wo ich bald zu den Füßen Makeldeys und Welkers saß und die Manna ihres Wissens einschlürfte.

Von den sieben Jahren, die ich auf deutschen Universitäten zubrachte, vergeudete ich drei schöne blühende Lebensjahre durch das Studium der römischen Kasuistik.

Welch ein fürchterliches Buch ist das Korpus Juris, die Bibel des Egoismus!

Wie die Römer selbst blieb mir immer verhaßt ihr Rechtskodex. Diese Räuber wollten ihren Raub sicher stellen und was sie mit dem Schwerte erbeutet, suchten sie durch Gesetze zu schützen; deshalb war der Römer zu gleicher Zeit Soldat und Advokat. Wahrhaftig jenen römischen Dieben verdanken wir das gepriesene römische Recht, welches im grellsten Widerspruch mit der Religion, der Moral, dem Menschengefühl und der Vernunft steht.[WS 1]

Ich brachte jene ……[WS 2] Studien zu Ende, aber ich konnte mich nimmer entschließen von solcher Errungenschaft Gebrauch zu machen, und vielleicht auch weil ich fühlte, daß Andere mich in der Advokasserie und Rabulisterey leicht überflügeln würden, hing ich meinen juristischen Doktorhut an den Nagel.

Meine Mutter machte eine noch ernstere Miene als gewöhnlich. Aber ich war ein sehr erwachsener Mensch geworden, der in dem Alter stand, wo er der mütterlichen Obhut entbehren muß.

Die gute Frau war ebenfalls älter geworden und indem sie nach so manchem Fiasko die Oberleitung meines Lebens aufgab, bereut sie, wie wir oben gesehen,[1] daß sie mich nicht dem geistlichen Stande gewidmet.

Fortsetzung folgt.
  1. Die betreffende Stelle muß in den von Maximilian Heine vernichteten Blättern sich befunden haben.

Des Sängers Werbung.

Von Anton Ohorn.

Um die bunten Scheiben webet
Mailicht, dämmernd süß und bang,
Durch die Kemenate bebet
Lautenschlag und Minnesang.

5
Und die Maid mit holdem Zagen

Blickt zum Sänger still empor,
Wonnig wie aus alten Sagen
Tönt sein Lied ihr an das Ohr:

„Meines Schlosses lichte Wände

10
Spiegeln freundlich sich im Rhein

Und aus grünem Rebgelände
Schaut es weit in’s Land hinein.
Diener hab’ ich und Vasallen,
In den Truhen edles Erz,

15
Säulenstolze, hohe Hallen

Und ein krankes, wundes Herz.

Aus den Ahnenbildern schauen
Ihres Stammes letzten Mann
Bange Augen schöner Frauen

20
Vorwurfsvoll und fragend an;

Daß ich nicht mehr einsam weile
Bei des Lenzes Hochzeitslust,
So erhör’ mein Flehen, heile
Meine sehnsuchtskranke Brust!“

25
Mit dem letzten Ton der Laute

Schweigt des blonden Knaben Mund;
Enger schmiegt sich an die Traute
Kosend der getreue Hund;
Nach dem schönen Sänger wendet

30
Innig sie das Aug’ empor,

Und ein ganzer Himmel sendet
Seine Strahlen draus hervor.

„Nicht dein Schloß am grünen Rheine
Lockt mich, nicht dein edles Erz,

35
Nicht Gelände, reich an Weine,

Mich erbarmt dein wundes Herz.
Küssen will ich manche Stunde
Deinen Liedermund so warm,
Daß dein krankes Herz gesunde

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In der Liebe weichem Arm.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. [Im Original:] Wahrhaftig jenen Dieben verdanken wir die Theorie des Eigenthums, das vorher nur als Thatsache bestand, und die Ausbildung dieser Lehre in ihren schnödesten Consequenzen ist jenes gepriesene römische Recht, das allen unseren heutigen Legislazionen, ja allen modernen Staatsinstituten zu Grunde liegt, obgleich es im grellsten Widerspruch mit der Religion, der Moral, dem Menschengefühl und der Vernunft.
    Ich brachte jene gottverfluchten Studien zu Ende
  2. [im Manuskript:] gottverfluchten
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_116.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2024)