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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


hohen Discanttone, dann in gewissen Intervallen sinkend und verschwebend:

„Juuuuh – huhu – huh!“

Da stemmte Nannei die Arme in die Hüften, hob sich auf die Fußspitzen und schmetterte einen jauchzenden Jodler hinaus in die dämmernde Luft.

Mit langen Sätzen kam der Teckel einhergesprungen, hüpfte freudig bellend an Nannei’s Schürze empor und gab nicht eher Ruhe, bis sich das Mädchen zu ihm niederbückte und ihm liebkosend den Rücken streichelte.

„Du wirst meine Bella noch schön verhätscheln,“ sagte Festei, als er näher kam.

„Na, na!“ lachte Nannei und schlug in die dargereichte Hand des Jägers ein. „Aber sag’, wie hat’s Dir denn ’gangen den ganzen Tag?“

„Gut, gut! Dank’ Dir schön! Und schau – da hab’ ich Dir ’was mit’bracht – ’s erste, das ich heuer gefunden hab’ –“ Er nahm den Hut vom Kopfe, löste aus der grünen Schnur ein kleines Edelweiß und bot es dem Mädchen hin, „’s erste, Nannei – ’s erste – und das bringt Glück – so sagen d’Leut’.“

„Ja – und das muß wahr sein – ich g’spür’s völlig in mir – so a Freud’ hab’ ich!“ sagte Nannei, während sie die Blume in Empfang nahm und sorgsam in ihr Mieder steckte. „Han? Wo hast es denn ’brockt?“

„Droben über der Sigerethwand.“

„Jesses na!“ fuhr das Mädchen erblassend auf. „Is Dir doch nix passirt dabei?“

„Ah na – wie soll mir denn da ’was passiren?“

„Gott sei Dank! Aber weißt – d’Sigerethwand – den Nam’ wann ich hör’ – weißt – da giebt’s mir allweil an Stich. Ja – denk’ Dir, Festei – da is mein arms Vaterl abg’fallen, wie er bei ei’m Gamsjagen an Treiber g’macht hat – ja!“

Mit theilnahmsvollen Augen schaute Festei in das bekümmerte Gesicht des Mädchens. Dann frug er leise: „Gelt – Dein Vater is der Basler-Muckei g’wesen?“

Nannei nickte, und nach einer kurzen Pause fuhr der Jäger fort: „Ja, ja – ich habe schon öfters reden hören davon. Aber komm’, Nannei, komm’ – jetzt müssen wir nach Dei’m Dschapei schauen. Was macht’s denn – han? Hat’s genommen, was ihm ’geben hast? Hat sich’s brav g’halten – schön stad, mein’ ich?“

„Aaah – der is gut – der is amal gut! So ein’ hab’ ich freilich noch nie net ’gessen!“

Wie der Jäger bei diesen Worten dem Innern der Hütte zuschritt, ging Nannei an seiner Seite her und erstattete mit übereifrigem Wortschwalle den gewünschten Bericht. Ein um das andere Mal nickte Festei befriedigt mit dem Kopfe – und wie er vor dem Dschapei kniete und dessen Pflaster und Verbände einer genauen Besichtigung unterzogen hatte, schaute er freundlich lächelnd zu Nannei empor.

„Gar net schlecht steht’s, Deandl – gar net schlecht! Ich mein’ allweil, Dein Lampl wird wieder – ja, ja! ’s wär’ aber auch kein Wunder – bei so einer Pfleg’, da müßt’ ja a Maustodter wieder kreuzg’sund werden!“

Nannei’s Antlitz strahlte förmlich, als sie diese Worte vernahm. Erstens einmal schon wegen ihres Dschapei – und dann – so meinte sie jetzt – dann hatte sie ja doch wohl Recht gehabt, wenn sie das seltsame Gefühl, von dem sie tagsüber verfolgt worden war, als die Angst erklärte, von Festei gescholten zu werden. Der Beweis war ja da: er hatte sie belobt – und alle Unruhe und Bangigkeit war nun dahin, und der helle Frohmuth lachte in ihrem Herzen.

„Aber jetzt setz’ Dich nur g’rad amal nieder, Festei,“ hastete sie von den Lippen, indeß sie dem Jäger eine Bank am Herde zurecht rückte, „da – komm’ – da setz’ Dich her! So – und jetzt koche ich Dir an Schmarren – Du, da pass’ auf – so an guten hast noch gar niemals net ’gessen!“ Und sie stand schon am Herde, Pfanne und Löffel in Händen.

„Ja, Deandl – ja – der wird mir schmecken, wie noch nie keiner net!“ betheuerte Festei, indem er Nannei bei ihren Hantirungen mit leuchtenden Augen verfolgte.

„Hast denn gar so an fürchtigen Hunger – han?“ frug das Mädchen mit lachenden Worten.

„No – das heißt – weißt – ja, schon!“

So plauderten die Beiden fröhlichen Tones weiter, während Nannei rührte, schürte und kochte, daß nur das Schmalz so prasselte und die Dampfwolken dickwallend sich emporkräuselten vom offenen Herde zur berußten Stubendecke.

Festei erzählte von seinem Dienste, der ihm über Alles ging – „ja,“ sagte er, „wann ich kein Jaager net sein könnt’, möcht’ ich gleich lieber gar net auf der Welt sein! So ’was Schöns giebt’s ja gar nimmer! Aber weißt – es is net g’rad weg’m Schießen und Jaagern – ah na – aber wann so draußen bist, in die Berg’, und Du schaust so umeinander, und Du hörst so Alles – da a Thierl und da a Vögerl – und nachher der Himmel und die Felsen – und drunten nachher die Bäum’ und ’s Thal, wo d’Sonn’ drein scheint, daß nur die Bacherln g’rad so blitzen – ja – weißt – da geht Dir g’rad ’s Herz aus einander, und Du mußt Juh schreien, ob D’willst oder net!“

Dann kam er wieder auf die Jagd zu sprechen und erzählte schnurrige Geschichten, in denen zumeist die Klugheit seines Hundes eine große Rolle spielte. „Ja, schau nur her, Du Kalfackter!“ rief er bei solch einem Berichte dem Teckel zu, der mit dem Dschapei friedlich das Lager theilte. – Nannei hinwieder erzählte von ihrer Mutter, von ihrem elterlichen Häuschen, von ihrem Dschapei und wie sie in dessen Besitz gekommen, von ihren Kühen, und hier besonders von der Scheckin, „die so viel g’scheidt is, ja g’scheiter schier als wie a Mensch.“

Nun war der Schmarren gar. Nannei legte neben dem Jäger ein berußtes Brettchen über die Bank und stellte die rauchende Pfanne darauf. Dann setzte sie sich auf die andere Seite, und zwei Löffel kreuzweis in den Schmarren steckend sagte sie:

„So – jetzt iß, Festei – jetzt iß nur zu solang, bis nimmer kannst!“

Mit sorglicher Miene hing sie an dem Gesichte des Jägers, als dieser den ersten Löffel voll zum Munde führte.

Bedächtig legte Festei den Kopf auf die Seite, kaute, schluckte und schnalzte mit der Zunge.

„Aaah – der is gut – der is amal gut! So ein’ hab’ ich freilich noch nie net ’gessen!“

„Nachher iß nur recht, Festei! Und – lang’[1] nur fest zu!“ lachte Nannei und faßte nun auch selbst den Löffel.

(Fortsetzung folgt.)

  1. Greife.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_120.jpg&oldid=- (Version vom 14.6.2023)