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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Dschapei.

Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer.
(Fortsetzung.)


Ja Festei – um Gotteswillen –“ stammelte das Mädchen, als sie den Freund so erregt daher kommen sah, „was is denn?“

„Nannei – Nannei,“ hastete es in stockenden Worten von dem Munde des Jägers, „zwei – zwei Adler hab’ ich ausg’macht! Mein Gott – da wenn ich ein’ derwischet – wär’ das a Glück!“

„Wär’ das a Glück!“ seufzte Nannei erleichtert auf und schlug die Hände zusammen.

„Ja, ja – weißt – wie ich vor a zwei Stund’ über’n Grat vom Schneiber ’nüberg’stiegen bin; da hab’ ich’s auf amal dersehen – alle zwei – drunten unter die Wänd’ – da sind’s allweil um einander gestrichen über’m Sand. Mit ei’m Rucker hab’ ich mein Spectif auf’zogen – ja – und da hab’ ich’s nachher ganz genau vermerkt, daß da drunten am Sand an abg’fall’ne Gamsgais liegt, halbert schon von die Adler verhackt und derrissen. Da hab’ ich aber nachher gleich auf- und z’samm’packt und bin davon – hint’ ’nunter am Schneiber und durch’n Sigerethgraben daher – ich sag’ Dir’s – so bin ich meiner Lebtag noch nie net g’rennt.“

„Mein Gott – geh – komm’ nur g’rad a bißl ’rein in d’Hütten,“ jammerte Nannei, „bist ja ganz verlechznet, und kaum an Schnaufer hast!“

„Na, Deandl, na, jetzt kann ich mich net verhalten!“ eiferte der Jäger. „Weißt – jetzt muß ich nur g’schwind ’nunter in d’Ramsau und muß mir von mei’m Oberförster a Legeisen vertlehnen[1] – und weißt – in der Nacht muß ich wieder ’rauf, weil es Eisen vor der Tagslichten schon liegen muß.“ Tief Athem schöpfend, faßte er die Hand des Mädchens. „Nannei – um Eins is mir’s recht unlieb, daß ich morgen in der Fruh net da bin. Weißt – ich hätt’ Dir halt so gar viel gern Glück g’wunschen – zu Dei’m Namenstag.“

Nannei erröthete bis unter die Haare. „Schau – das freut mich schon recht. Aber – woher weißt es denn, daß morgen –“

„No – ich hab’ halt nachg’schlagen in mei’m Jagdkalender, bis ich ihn gefunden habe, den heiligen Annentag. Mußt halt nachher heut’ schon anhören, was ich Dir Alles wünsch’ – natürlich – alles Gute – und – und – natürlich G’sundheit vor Allem, und daß auch Dein Mutterl gesund bleibt, und daß Dei’m Vieh nix g’schieht – und – und nachher – ja – alles Gute halt, alles Gute, weißt!“

„Ich dank’ Dir schön, Festei, ich dank’ Dir schön!“ betheuerte Nannei herzinnigen Tones, indem sie mit beiden Händen die braune Rechte des Jägers schüttelte. „Was Ei’m so gut g’wunschen is, das muß ja unser Herrgott derfüllen! G’wiß wahr! Und schau – weil’s in der Stund’, wo ei’m aus gutem Herzen ’was g’wunschen wird, gar a starke Kraft hat, wann Du ei’m ’was dagegen wünschen thust – sixt – so wünsch’ ich Dir jetzt gleich, daß Du morgen alle zwei Adler mit einander fangst!“

„Na, Nannei – na, na – z’viel därf man net verlangen, sonst b’scheert ei’m unser Herrgott gar nix! Ich wär’ ja schon z’frieden mit ei’m Einzigen!“

„Ja, wann ihn nur kriegen thätst! Schau – so a Freud’ hätt’ ich!“

„No – und ich erst! Aber weißt, da heißt’s jetzt blos zur richtigen Zeit bei’m Zeug sein! B’hüt Dich Gott also, Nannei, b’hüt Dich Gott!“

„B’hüt Dich Gott, Festei! Und Waidmanns Heil für morgen! Waidmanns Heil!“

„Ich dank’ Dir schön!“

Ein Händedruck – und hastigen Schrittes eilte der Jäger dahin, an der Senkung des Weges noch einmal zurückwinkend mit der Hand und mit lächelndem Nicken.

„Mein Gott, mein Gott, wann er ihn nur kriegen thät’!“ seufzte Nannei, als sie in die Hüttenstube zurückkehrte und sich wieder an die Arbeit machte.

Vielleicht konnte sie diese Freude vom lieben Herrgott erbeten – so dachte sie, während sie emsig schaffte und werkte – und mit raunenden Lippen sprach sie ein Vaterunser um das andere vor sich hin. Dann fiel ihr bei, daß wohl auch die Mithülfe eines Heiligen der Sache förderlich sein möchte. Da sie aber von Sankt Hubertus keine Kunde hatte, kam ihr lange kein Heiliger in den Sinn, „der bei so ’was gut sein könnt’.“ Schließlich dachte sie an den heiligen Antonius. Der ist zwar gewöhnlich nur für’s Finden gut – wer da beim emsigen Suchen eines verlorenen Gegenstandes recht andächtig vor sich hinbetet:

„O heiliger Antoni, Du kreuzbraver Mann,
Ich bitt’ Dich herzinniglich, führ’ mich daran!“

der sucht gewiß nicht vergebens!

Aber der Verdienst von so einem Adler wäre am Ende doch auch nur gefundenes Geld, dachte Nannei, änderte deshalb mit vielem Scharfsinn das bekannte Sprüchlein für den vorliegenden Fall, und da klang es denn mit leisen Worten immerzu von ihren Lippen:

„O heiliger Antoni, Du kreuzbraver Mann,
Schau doch, daß der Festei den Adler kriegen kann!“

Mit diesem Sprüchlein ging sie zur Ruhe, dieses Sprüchlein nahm sie mit hinein in Schlaf und Traum – und es huschte wieder von ihren Lippen, da sie des Morgens erwachte. – Durch das kleine Fenster ihrer Schlafkammer guckte schon die helle Sonne.

Rasch ermunterte sich Nannei und sprang vom Lager. Ihr Erstes war, daß sie ihr krankes Dschapei begrüßte. Dann ging sie, frische Luft zu schöpfen – und erblaßte förmlich vor freudigem Schreck, als sie an die Holzklinke der Hüttenthür einen großen Strauß frischblühender Alpenrosen angebunden fand. Mit zitternden Händen löste sie die Schnur und drückte das Gesicht in die Blumen. Es war ihr ein Bedürfniß, die Freude, die in ihrem Herzen lachte, einem lebenden Wesen mitzutheilen, und wenn das auch nur ihr Dschapei wäre. So eilte sie zurück in die Stube und rief dem Thiere jubelnd entgegen:

„Ja schau nur g’rad – Dschapei – schau nur – schau, was ich ’kriegt hab’! Jetzt hat er halt doch noch an mich ’denkt – und in der Nacht! Ich sag’s halt – der Festei! Das is halt Einer!“

Sie holte ein blechernes Trinkgeschirr herbei, füllte dasselbe mit Wasser, gab die Blumen darein und stellte sie an das Fensterchen.

Und hundertmal bei der Arbeit, der sie nun oblag, wandte sie ihre Blicke den Blumen zu.

Sie hatte viel zu schaffen; denn neben der alltäglichen Mühe mußte sie heute die Butterballen und Käslaibe, den Almgewinn der letzten Woche, zurecht legen, da sie gegen Mittag den Knecht des Almbauern erwartete, der die ganze Zeit her an jedem Sonnabend gekommen war, um „abzutragen“.

  1. Zu leihen nehmen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_151.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)