Seite:Die Gartenlaube (1884) 168.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Ein Ueberschwemmungsbild vom unteren Mississippi.
Originalzeichnung von Rudolf Cronau.




Fester spannte der Jäger die Finger um seine Büchse, sprang auf und rief:

„Wer is da?“

Keine Antwort kam. Aber der da drunten stand regungslos eingedrückt in den schwarzen Schatten des vorspringenden Daches.

Einige Schritte that Festei der Hütte zu – und wieder rief er:

„Reden! Oder –“

Da löste die Gestalt sich aus dem Schatten, huschte in langen Sprüngen an der Hüttenwand dahin, verschwand um die Ecke – und nach einer Weile hörte Festei die flüchtigen Tritte des Enteilenden auf dem thalwärts führenden Pfade verklingen.

Eine Verfolgung wäre zwecklos gewesen. So schritt der Jäger seinem Posten wieder zu und hier verharrte er, bis auf den Spitzen der Berge das erste matte Roth erschien.




7.

Das war der erste Morgen. an welchem Festei nicht in die Sennhütte kam. Immer und immer wieder trat Nannei über die Schwelle und blickte hinauf nach dem Jägerhäuschen; da droben aber blieb die Thür geschlossen.

Am Ende dachte sich das Mädchen, daß Festei wohl schon vor Tageslicht mit seiner gestrigen Jagdbeute hinuntergestiegen wäre in’s Thal. Damit traf sie auch das Richtige. Freilich – so meinte sie – mit einem Wörtchen wenigstens hätte er von dieser seiner Absicht zu ihr sprechen sollen. Sie nahm sieh ernstlich vor, mit Festei zu schmollen, und dachte sich schon die zürnenden Worte aus, womit sie ihn empfangen wollte – als aber bei Anbruch der Dämmerung der Jäger raschen Ganges über den Steig einhergewandert kam, da entflog ihr dieser Vorsatz in alle Winde.

„Grüß’ Dich Gott, Nannei! Is wer dag’wesen heut’ – bei Dir – han?“ Das waren Festei’s erste Worte.

„Na, kein Mensch net!“ sagte Nannei und schaute mit sorglichen Blicken in des Jägers Antlitz, dessen Wangen so blaß, dessen Augen so dunkel umrändert waren. „Schaust net gut aus, Festei! Han – fehlt Dir ’leicht ’was?“

„Ah na! Müd’ bin ich halt!“ erwiderte raschen Wortes der Jäger, den Nannei’s Rede bereits in bessere Laune zu bringen schien.

Während sie nun zusammen in die Hütte schritten, berichtete Festei, welch’ ein Glück er mit den beiden Adlern gemacht habe.

„Weißt – wie ich’s drunten in der Ramsau so vorbeitrag’ am Wirthshaus,“ erzählte er, „da hat mich so a Stadtherr ang’redt und hat mich gar nimmer aus’lassen, bis der Handel fertig war. Drei hundert baare Mark hat er mir hin’zählt am Tisch. Da drum hab’ ich’s schon geben können – meinst net?“

Indessen Nannei dieses Glück in freudigen Worten pries, nahm Festei seinen Rucksack ab und legte ihn auf die Herdbank. Dabei wurde ein wirres Tönen und Klingen vernehmlich.

„Ja was hast denn da drin?“ frug das Mädchen verwundert.

„Mein’ Zither hab’ ich mit’bracht. Weißt – weit her is mein Spielerei net – aber so diemal a Stund’ am Abend kann’s ei’m doch vertreiben.“

Diese Bescheidenheit war durchaus keine grundlose. Wie Festei zum ersten Male spielte, erwies er sich wirklich als kein allzugroßer Meister auf diesem Instrumente – und doch kürzte die Cither den Beiden in den nun folgenden Wochen nicht nur manche Stunde, sondern ganze Abende. Nannei konnte sich an den einfach lieblichen Tönen nicht satt hören – und auch Festei schien lieber zu spielen als zu plaudern. Er war nicht mehr so unbefangen fröhlich wie in früheren Tagen. Besonders in den Morgenstunden, wenn er vor seinem Gang in die Berge einige Minuten in der Hütte vorsprach, da schaute sein Auge so ernst, so übernächtig und müde.

Nannei rechnete dem Jäger diese Besuche gar hoch an, da sie sich sagen mußte, daß ihr Dschapei solch’ einer unausgesetzten Fürsorge in Wahrheit gar nicht mehr bedurfte. Die Risse auf seinem Rücken und die Schürfwunden an Brust und Kehle waren lange schon vernarbt; auch der verletzte Huf war bereits seit Tagen des Verbandes ledig. Die Heilung des gebrochenen Fußes

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_168.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)