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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

fragte gleich nach dem Urheber dieses Unfugs. Wie immer in solchen Fällen geschieht: ein jeder suchte kleinlaut sich zu diskulpiren, und am Ende der Untersuchung ergab es sich, daß ich Aermster überwiesen ward, durch meine Mittheilung über meinen Großvater den ganzen Lärm veranlaßt zu haben, und da ich denselben nicht verleugnete, büßte ich meine Schuld durch eine bedeutende Anzahl Prügel.

Es waren die ersten Prügel, die ich auf dieser Erde empfing und ich machte bei dieser Gelegenheit schon die philosophische Betrachtung, daß der liebe Gott, der die Prügel erschaffen, in seiner gütigen Weisheit auch dafür sorgte, daß derjenige, welcher sie ertheilt, am Ende müde wird, indem sonst am Ende die Prügel unerträglich würden.[1]

Der Stock, womit ich geprügelt ward, war ein Rohr von gelber Farbe, doch die Streifen, welche dasselbe auf meinem Rücken ließ, waren dunkelblau. Ich habe sie nicht vergessen.

Auch den Namen des Lehrers, der mich so unbarmherzig schlug, vergaß ich nicht: es war der Pater Dickerscheid; er wurde bald von der Schule entfernt, aus Gründen, die ich ebenfalls nicht vergessen, aber nicht mittheilen will.[WS 1]

Wie der Name des Mannes, der mir die ersten Prügel ertheilte, blieb mir auch der Anlaß im Gedächtniß, und jedesmal wenn von kleinen Juden mit großen Bärten die Rede war, lief mir eine unheimliche Erinnerung gruselnd über den Rücken. „Gesottene Katze scheut den kochenden Kessel,“ sagt das Sprüchwort und jeder wird leicht begreifen, daß ich seitdem keine große Neigung empfand, nähere Auskunft über jenen bedenklichen Großvater und seinen Stammbaum zu erhalten oder gar dem großen Publikum, wie einst dem kleinen, dahinbezügliche Mittheilungen zu machen.

  1. Hyazinth in den „Reisebildern“ macht eine ähnliche tiefsinnige Bemerkung (Werke, Band II, S. 251).
(Fortsetzung folgt.)

Die Ereignisse im Sudan.

Der Sudan (arabisch Beled-es-Sudáhn, das heißt das schwarze, das Negerland) tritt in der neueren Staatengeschichte zu Anfang unseres Jahrhunderts auf, genau um dieselbe Zeit, in welcher die moderne Geschichte des heutigen Aegyptens unter Mohammed Ali beginnt, der seine eroberungssüchtige Hand auch nach Dongola und Nubien und später sogar nach Kordofan und Sennaar, also dem eigentlichen Sudan, ausstreckte. Der gewaltige Pascha, der trotz der Grausamkeiten seiner blutigen Despotenherrschaft immerhin als der Regenerator Aegyptens angesehen werden muß, denn er besaß auch großartige Regenteneigenschaften, hatte durch die Massenermordung der Mamluckenbeys auf der Citadelle von Kairo (am 1. März 1811) die Macht dieser kleinen unabhängigen Fürsten gebrochen. Die übrig gebliebenen flüchteten mit ihren Anhängern nach Nubien, dessen Bevölkerung zu ihnen hielt, aber der Pascha folgte ihnen auch dahin und vernichtete sie vollends, freilich erst nach jahrelangem Kampf.

General Gordon.

Die weiten Länderstrecken behielt er dann als gute Beute, und die Bewohner fügten sich einfach der Macht des Stärkeren. Mit kundigem Blick erkannte Mohammed-Ali die große Bedeutung des Ländergebietes am Zusammenfluß des Weißen und Blauen Nils, der von jenem Punkt aus als Ein gewaltiger Strom nordwärts nach Aegypten fließt. Dort lag, und zwar am linken Ufer des Blauen oder östlichen Flusses, ein kleines ärmliches Negerdorf, das anfangs den Soldaten des Paschas wegen der Nähe des Wassers als Lagerplatz diente und später befestigt wurde, um eine dauernde Garnison aufzunehmen. Ansiedler fanden sich bald und der Ort wuchs zusehends von Jahr zu Jahr, bis endlich eine große Stadt daraus wurde: das jetzige Khartum. Die Lage war überaus günstig für den gesammten Handel der südlichen Binnenländer, deren Productenfülle ungeahnte Quellen des Reichthums erschloß, die nun nach Kairo hinabgeleitet wurden. Gold, Elfenbein, Gummi und – Sclaven waren damals die Haupthandelsartikel und sind es, mit einer Menge anderer Erzeugnisse, bis auf den heutigen Tag geblieben, namentlich stammt mehr als die Hälfte aller Sclaven, die nordwärts nach Aegypten und den übrigen afrikanischen Ländern am Mittelmeer, nach Asien und bis nach Constantinopel gehen, aus jenen Gegenden.

Suakin von der Landseite.0 Originalzeichnung von R. Cronau.

Durch stets erneute Annectirungen vergrößerte sich der Länderbesitz Aegyptens in erstaunlicher Weise: ganz Kordofan mit der Hauptstadt El-Obeid wurde ägyptisch, und den Schlußstein machte das westlich davon

Anmerkungen (Wikisource)

  1. [Ausgelassen ist die Passage:] Der Liberalismus hat den Priesterstand genug verunglimpft und man könnte ihm wohl jetzt einige Schonung angedeihen lassen wenn ein unwürdiges Mitglied Verbrechen begeht die am Ende doch nur der menschlichen Natur oder vielmehr Unnatur beizumessen sind.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_181.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2024)