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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Als er den holperigen Pfad über den Rauhenkopf herniederstieg und die Almhütte zu Gesicht bekam, meldete er, wie allabendlich, sein Kommen mit einem hallenden Juhschrei. Doch keine Antwort klang ihm entgegen.

Er beschleunigte seinen Gang – und rief, da er noch weite Schritte bis zur Thür hatte, mit heller Stimme Nannei’s Namen. Kein Laut gab ihm Antwort. Nur das Dschapei hüpfte ihm in kurzen Sprüngen entgegen und wollte gestreichelt sein.

Die Hütte fand er offen – und als er die Almstube betrat, da mochte er sich wohl aus dem Fehlen des Wasserganters die Abwesenheit des Mädchens erklären.

Es war ein weiter Weg bis znr Quelle hinunter – und es konnte eine Stunde, unter Umständen länger noch dauern, bis Nannei wiederkehrte. Da durfte er nicht warten.

Freilich dachte er, daß sich Nannei um ihn sorgen möchte, wenn sie von seiner Heimkehr keine Kunde hätte. Er löste deshalb ein Blatt aus seinem Jagdkalender und schrieb darauf die Worte:

„Lübe Nannei Ich hab ein Gams geschosen und mus es hinuntertragen ins Wimbachschlos. Bhüt dich also Gott biß morgen. In der Fruh bin ich schohn widder heroben. Mit achtungsvohlen Grusse

dein auffrichtiger Freind 
Sylvester Hindammer.“ 

Mit einem gespitzten Hölzchen spießte Festei diese Botschaft an die Hüttenthür.

Dann ging er hinauf nach dem Jägerhäuschen und befreite seine Bella, deren winselnde Freude über das Wiedersehn mit ihrem Herrn gar kein Ende nehmen wollte.

Wie Festei wenige Minuten spater unfern der Hütte auf dem thalwärtsführenden Steige dahinschritt, kam das Dschapei wieder auf ihn zugetrippelt und zeigte alle Lust, ihm das Geleit zu geben, sodaß er das anhängliche Thier zuletzt mit scheltenden Worten zurückscheuchen mußte.

Nun stieg er rüstig dem Thale zu und je mehr die Strecke sich dehnte, die den Jäger vom Trischübl trennte, desto schwerer ward ihm die Last auf seinem Rücken – desto schwerer ward ihm auch das Herz.

Da war die Griesalm erreicht, und Festei ließ sich zur Rast auf den Schwellenblock nieder; doch mahnte ihn die sinkende Dämmerung bald wieder zum Aufbruch.

Wie er nun so dem vielgewundenen, buschbegrenzten Pfade folgte, meinte er plötzlich in einiger Entfernung vor sich am Wege rasche Tritte zu vernehmen.

Wer anders konnte da gehen, als der Jagdgehülfe vom Wimbachschloß? Der trug wohl jetzt seinen Rehbck nach Hause – so dachte Festei und rief den Namen seines Dienstgenossen mit halblaut fragender Stimme über den Weg dahin.

Sein Ruf aber wurde nicht erwidert – und als er lauschend nun stehen blieb, Vernahm er auch nicht mehr das mindeste Geräusch.

Da hatte er sich wohl im Hören getäuscht – so meinte er jetzt – und was er gehört, war am Ende nur ein Stück Wildpret gewesen, das, von dem Herannahen des Jägers aufgescheucht, eine Strecke den Weg entlang gewechselt war. Eine frische Fährte war auf dem feinen, vielzerstapften Kiese freilich nicht auszunehmen. Festei neigte aber doch um so eher dieser letzten Ansicht zu, als nun sein Hund die Nase mit fieberndem Winden gegen die dichten, bei der tiefen Dämmerung für die Blicke schon undurchdringlichen Büsche hob.

„Komm’, Bella, komm’“ mahnte Festei im raschen Weiterschreiten das zögernde Thier.

Als er eine Stunde spater den Flur des Wimbachschlosses betrat, kam unter der Thür der Jägerstube der hier stationirende Jagdgehülfe, eine stämmige Gestalt mit rothblondem Vollbarte, ihm entgegen, ein brennendes Kerzenlicht hoch in der Hand emporhaltend.

„Grüß’ Dich Gott, Festei. Was bringst denn?“

„A galte Gamsgais, an uralte!“ erwiderte Festei, setzte seine Waidmannslast auf die Dielen und reckte und wand dann mit einem erleichternden „Ah!“ die Schultern; „No – und was hast denn Du g’schossen? Han?“

„Ich? G’schossen?“

„No ja – Du hast doch g’schossen!“ hastete Festei, „So zwischen fünfe und sechse – droben – im obern Gries.“

„Na! Net amal an Schuß g’hört hab’ ich! Um die Zeit war ich drunten bei’m Futterstadl!“

Festei fühlte, wie alles Blut aus seinen Wangen wich und wie ein eiskalter Schauer seinen Nacken umrieselte.

„Heilige Muttergottes,“ klang es stammelnd und stöhnend von seinen Lippen, „der Schuß – und dieselbigen Tritt’ – das is kein anderer g’wesen, als – und jetzt weiß er, daß ich – heilige Maria – b’hüt’ Dich Gott, b’hüt’ Dich Gott – ich muß fort – fort.“

Taumelnd wankte er der Flurthür zu.

„Aber so sag’ nur g’rad – so sag’ doch –“

Festei hörte die Worte des Andern nicht mehr – keuchenden Athems stürmte er schon hinaus in die finstere Nacht.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Allerlei Kurzweil.

Schach.
Problem Nr. 3.
Von0 Johannes Obermann in Leipzig.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.


Kleiner Briefkasten.

P. K. in Mainz. Wenn Sie noch eine Zeitlang warten, dann werden Sie das nee Buch der Königin von England in der deutschen Uebersetzung lesen können, welche die Gräfin Efemia Ballestrem vorbereitet. Eine billige englische Ausgabe desselben ist soeben in der Tauchnitz’schen Collection in Leipzig erschienen. – Daß wir über dieses Werk ausführliche Berichte nicht gebracht haben, hat seinen Grund. Nicht alle Literaturerscheinungen, die in der Tagespresse viel Staub aufwirbeln, sind für die weitesten Kreise unserer Leser besonders wichtig, und das Interessanteste an dem neuesten Buche der Königin Victoria dürfte die Thatsache bleiben, daß wiederum ein gekröntes Haupt mit einem literarischen Erzeigniß in die Oeffentlichkeit getreten ist.

Diese „Neuen Blätter aus dem Tagebuche eines Lebens in den Hochlanden“ – so lautet der Titel des Werkes – sind in der Hauptsache Schilderungen des Familienlebens der Königin. Nach „Enthüllungen“^ und „Sensation“ würde man in demselben vergeblich blättern, und auch für die Erörterung zeitgeschichtlicher Ereignisse bietet dasselbe wenig Erhebliches. Dagegen finden sich in demselben manche schönen Züge, die den edlen Charakter der hohen Verfasserin treu wiederspiegeln.

B. L. in H. Zur Erläuterung der bewußten Stelle in Heinrich Heine’s Memoiren (vergl. „Gartenlaube“ Nr. 9) über „die Tochter eines Eisenfabrikanten, die eine Herzogin geworden war“, möge Ihnen auch der nachfolgende Auszug aus den Memoiren des Marschall Soult, Herzog von Dalmatien, dienen, der uns von einem unsrer Abonnenten zugeschickt wird: „Ich war cantonnirt in den Bergen von Solingen,“ schreibt der Marschall, „und schlug mein Generalquartier in dieser kleinen Stadt auf. Ich wohnte bei Frau Berg. Beim Eintritt in ihr Haus war ich ihr gleichgültig. Drei Monate hierauf, am 26. April 1796, sagte sie mir die Hand ihrer Tochter zu, und sie gründete ein Glück, daß sich mit den Jahren stetig vermehrte.“

G. M. in Riga und Ab. in Göttingen. Als empfehlenswertheste Theaterschule nennen wir Ihnen die Wiener, an welcher Künstler wie Sonnenthal, Lewinsky und Baumeister unterrichten. Sie verdient wohl auch deshalb den Vorzug, weil das Hofburgtheater noch immer den Rang der ersten deutschen Bühne behauptet und Sie dort die besten Muster vor Augen haben. Näheres über Dauer des Cursus und Höhe des Honorars theilt Ihnen gewiß Herr Hofschauspieler Adolf Sonnenthal, Wien, Alsengrund, Lichtensteiner Straße 11 mit. Ehe Sie aber die Kosten des Wiener Aufenthaltes riskiren, wenden Sie sich an eine geeignete Persönlichkeit und bitten Sie dieselbe um ihr Urtheil, ob Sie wirklich Talent zum Schauspieler haben.

Herrn Rathsförster Walter Schier in Chemnitz. Die uns von Ihnen übersandten 51 Mark 25 Pf. für das deutsche Forstwaisenhaus haben wir richtig erhalten und an die Hauptsammelstelle abgeführt. Weitere Beiträge werden von uns gern entgegengenommen.


Inhalt: ...

[ Verzeichnis des Inhalts dieses Heftes, zur Zeit noch nicht transkribiert.]



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von Alexander Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_188.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2024)