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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Deutschlands Colonialbestrebungen.

Ruine Groß-Friedrichsburg.

Groß-Friedrichsburg.

Eine geheimnißvolle Macht waltet über Ruinen. Jahrhunderte vermögen nicht ihren Einfluß zu schwächen, denn eifersüchtig wird sie von der Sage und der Geschichte beschützt, die aus Schutt und Staub das Edelste zu retten wissen. In den Erinnerungen an große Thaten vergangener Zeiten ruht diese Zaubermacht, und mehr als einmal hat sie Wunder gewirkt. So drang in den Zeiten der nationalen Zersplitterung ihr Ruf von den Trümmern des Kyffhäuser in die deutschen Gaue, bald zornig mahnend, bald bessere Zukunft verheißend; in den Vorbereitungen zum Kampfe sprach sie herausfordernd aus den Ruinen des Heidelberger Schlosses, und auf der Höhe der Wartburg ließ sie einst die Jugend aus dem unvergänglichen Born der Erinnerung an den siegreichen Streit eines gewaltigen Mannes frischen Muth für die Tage der Bedrückung schöpfen. So griffen oft in entscheidendem Augenblick die alten Zeugen der Vergangenheit in’s volle frische Völkerleben und drängten die Massen auf die Bahn des Ruhmes.

Darum haben wir auch heute eine denkwürdige Ruine gewählt zum Ausgangspunkte unserer Betrachtungen über eine Frage, welche als die brennendste der Gegenwart bezeichnet werden muß und von deren Lösung zum großen Theil die künftige Macht und Weltstellung Deutschlands abhängt. Fern von der Heimath, am afrikanischen Strande wollen wir die verfallenen Reste einer deutschen Burg aufsuchen und ein Bild schauen, wie es kein Dichter besungen. Hier grüßen uns keine wilden Rosen an dem zerklüfteten Gemäuer, der Schatten deutscher Eichen breitet sich nicht über den versunkenen Wällen, und der immergrüne Tannenbaum, der treue Begleiter deutscher Burgen, fehlt an den Abhängen der Hügel. Ueber der Ruine, zu der wir heute wandern, leuchtet ein südlicher Himmel, tropische Lianen wuchern an dem verlassenen Wachtthurm empor, und schlanke Palmen umrahmen das seltsame Strandbild, auf dessen Vordergrund uns die Reste von Groß-Friedrichsburg entgegenschauen. Mehr als zweihundert Jahre sind verflossen seit ihrer Gründung, seit jenem Augenblick, da auf ihren Zinnen die brandenburgische Flagge zum ersten Mal wehte, und von ihren Wällen die brandenburgischen Feldschlangen zur Taufe der Burg im langdonnernden Jubel ihre eisernen Zungen lösten.

Damals schaute Groß-Friedrichsburg schmuck und stolz in den weiten Ocean hinaus, damals war ja die Burg die Wiege hochfliegender, vielverheißender Pläne. Heute liegen die eisernen Kanonen, die Schwestern der Siegerinnen von Fehrbellin, tief im Schutt vergraben, vom Rost zerfressen, und während die jugendfrische Macht der Hohenzollern vom Fels zum Meer reicht, ist dieses Werk des großen Kurfürsten längst fremdes Eigenthum.

Erzählen wir die Geschichte dieses südlichsten Postens der ehemaligen deutschen See- und Handelsmacht, sie ist zugleich die Geschichte der ältesten deutschen Colonialbestrebungen.

Vor nunmehr zweihundert Jahren, Anno 1684, erschien in Berlin eine Deputation schwarzer Eingeborener von der Guineaküste, um dem großen Kurfürsten ihre Huldigung darzubringen. In ganz Europa erweckte die Reise dieser Deputation nach der brandenburgischen Hauptstadt großes Aufsehen. Der längst erwachte Neid der seefahrenden Nationen, vornehmlich der Holländer, erhielt neue Nahrung durch die Thatsache, daß es des großen Kurfürsten rasch emporgeblühter Macht zur See nun auch gelungen war, an der westafrikanischen Küste festen Fuß zu fassen und die Colonien zu Groß-Friedrichsburg, Accada und Takarari sowie die Factorei Arguin nördlich vom Cap Verde in brandenburgischen Besitz zu bringen.

Nachdem nämlich die unter des Marinedirectors Raule sachkundiger Leitung errichtete brandenburgische Marine sich in den Kriegsjahren 1676 bis 1679 so glänzend bewährt, ließ es sich der große Kurfürst angelegen sein, nunmehr seine Schiffe zur Lösung friedlicher Aufgaben zu verwenden, wie es schon im großen Artikulsbrief Friederici Wilhelmi gesagt war: „daß sie – (die Marine) – fähig sei zur Führung unserer Kriege zu Wasser, zum Widerstande der allgemeinen Feinde und Seeräuber, auch zur Beschirmung unserer Lande und dero guten Unterthanen, so zur See negociren und handeln.“

Im Verfolg seines Lieblingsplanes, außereuropäische Colonien zu erwerben, sandte der Kurfürst im Januar 1681 unter Führung des Capitain Blank eine brandenburgische Fregatte von der damaligen Marinestation Pillau nach der Guineaküste ab. Blank brachte im Mai einen Vertrag mit drei Häuptlingen eines Negerstammes am Cap Tres Puntas zu Stande, nach welchem sich dieser Stamm, die Kabozeros, unter die Schutzherrlichkeit des Kurfürsten von Brandenburg begaben und gestatten wollten, daß ein festes Castell an ihrer Küste errichtet werde.

Little Popo.0 Nach einer Originalskizze von Dr. Pechuel-Loesche.

Zur Gründung einer afrikanischen Handelsgesellschaft, deren Stiftungsurkunde der große Kurfürst am 7. März 1682 unterzeichnete, hatten viele bedeutende Firmen ihren Beitritt erklärt, sodaß der Kurfürst, ermuthigt durch den guten Anfang, dem Entdeckungsreisenden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_349.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2024)