Seite:Die Gartenlaube (1884) 350.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Major Otto Friedrich von der Gröben die Leitung der Guinea-Expedition übertrug und ihn im Anfang des Jahres 1682 mit den Kriegsfregatten „Kurprintz“, Capitain Voß, und „Moriau“, Capitain Philipp, von Hamburg aus auf die Reise nach der Goldküste sandte. In einem 1694 herausgegebenen Werke hat „der adeliche Pilger Otto Friedrich von der Gröben“ die Expedition nach Guinea sehr eingehend und drastisch beschrieben. Er war mit seinen Schiffen, welche 300 Matrosen und 100 Landsoldaten als Besatzung zählten, nach guter Fahrt bis zur Mündung des Senegal gelangt und machte an der Sierra-Leone-Küste die erste Bekanntschaft der pechschwarzen „Nägers“. Westlich vom Cap Tres Puntas, beim kleinen Ort Axim, der Hauptniederlassung der Kabozeros, stieg von der Gröben an Land und kundschaftete auf dem direct am Wasser belegenen Berge Mamfro ein sehr geeignetes Terrain zur Anlage eines die Umgegend beherrschenden Castells aus. Durch reiche Geschenke an Waffen und Spielwaaren wurden die Eingeborenen veranlaßt, am Bau der kleinen Festung nach Kräften durch Herbeischaffen des benöthigten Materials mitzuarbeiten. Der Bau, von den deutschen Ingenieuren Walter und Leugeben geleitet, ward Ende December 1682 glücklich zu Ende geführt. Der in eine immerhin respectable Festung verwandelte Berg Mamfro wurde dann mit sechs Kanonen armirt und 40 Mann der Landtruppen erklärten sich bereit, als Besatzung für die Dauer einiger Jahre zurückzubleiben. Die Zahl der Geschütze wurde später auf 40 erhöht.

Unter besonderen Feierlichkeiten ließ von der Gröben am 1. Januar 1683 die Taufe der deutschen Feste auf schwarzer Erde vornehmen.

„Den folgenden Tag,“ so berichtet er selbst, „als den ersten Januarii Anno 1683 brachte Capitän Voß die große Churfürstlich Braudenburgische Flagge vom Schiff, die ich mit Pauken und Schallmayen auffgeholet, mit allen im Gewehr stehenden Soldaten empfangen und an einem hohen Flaggenstock habe auffziehen lassen; dabei mit fünff scharff geladenen Stücken das neue Jahr geschossen, denen jedes Schiff mit fünff geantwortet, und ich wieder mit drei bedanket. Und weil Sr. Churf. Durchlaucht Nahme in aller Welt groß ist, also nennete ich auch den Berg den Großen Friedrichsberg!“

Die kleine, später Groß-Friedrichsburg genannte Factorei bildete bald den Ausgangspunkt weiterer Unternehmungen. Benachbarte Negerstämme suchten den Schutz des großen Kurfürsten auf, und diese Erwerbung neuer Gebiete hatte noch die Errichtung des mit zwölf Geschützen armirten Forts „Dorothea“ und eines kleineren Forts bei Takarari zur Folge.

Leider blieb dieser neuen Handelsniederlassung der Segen des friedlichen Gedeihens nicht lange erhalten. Schon im Jahre 1688 brachen Conflicte mit den benachbarten eifersüchtigen holländischen Factoreien aus, welche bald zum kriegerischen Zusammenstoß führten. Die holländisch-ostindische Compagnie ließ die deutschen Forts auf eigene Faust, ohne die Zustimmung ihrer Regierung, angreifen und plünderte einen Theil der deutschen Waarenlager. Groß-Friedrichsburg allein widerstand tapfer den holländischen Angriffen.

Die Nachfolger des großen Kurfürsten hatten ihr Auge auf andere Ziele gerichtet. Namentlich aber hatte König Friedrich Wilhelm I. gar kein Interesse an der Entwickelung der preußischen Seemacht, und so faßte er den Beschluß, die Besitzungen der brandenburgischen Handelsgesellschaft in Westafrika einfach zu verkaufen. Man bot dieselben zunächst für 600,000 Gulden aus, als aber Niemand diesen Preis zahlen wollte, wurde die Colonie schließlich an die holländische Compagnie für 6000 Ducaten und – 12 junge Mohren, die als Trommler und Pfeifer in der preußischen Armee verwendet werden sollten, verkauft.

Mulatte Gomez.
Nach einer Photographie von A. Walther in Wilhelmshaven.

Zweihundertundzwei Jahre nach vollzogener Besitzergreifung und Taufe des Castells Groß-Friedrichsburg – am 27. Januar 1884 – warf wiederum ein deutsches Kriegsschiff, S. M. Corvette „Sophie“ vor Groß-Friedrichsburg Anker. Dasselbe ist von der tropischen Vegetation gänzlich überwuchert, sodaß von der See her nur der 11 Meter hohe Signalthurm und eine Frontmauer zu sehen waren. Im tropischen Grün liegt in der Nähe des Forts ein kleines Negerdorf.

In Begleitung mehrerer Officiere fuhr der Commandant der „Sophie“ in einer Jolle an Land, wobei ein von 12 Negern bemanntes Canoe – welche den Fremdlingen nur friedliche Absichten zutrauten – die am wenigsten durch die Brandung gefährdete Landungsstelle durch Vorausfahren angab. Zweck der Landung war, einige Aufnahmen von diesem für Preußen historischen Fleckchen Erde zu machen. In einer der Bastionen fanden die Officiere sechs alte brandenburgische Geschützrohre, welche, unter Trümmern und Erde begraben, unbemerkt schon mehrere Menschenalter hindurch gelegen haben mögen. Gern gab der Häuptling der Neger, der sich selbstbewußt „king“ nennt, seine Einwilligung zum Fortschaffen eines Rohres, und freudig legten die Schwarzen Hand mit an, dasselbe vom Berge bis zum Strande zu schaffen, wofür ihnen ein jubelnd aufgenommenes Gegengeschenk von vier Flaschen Rum und ein Pfund Sterling an Geld gemacht wurde. An Deck gebracht, erwies sich das Geschützrohr, welches 2,05 Meter lang ist und ein Caliber von acht bis neun Centimeter zeigt, derart von Rost zerfressen, daß von einer Gravirung nichts mehr zu sehen war. Unzweifehaft aber ist es, daß das Rohr von der ursprünglichen Armirung des Castells herstammt.

So ist die brandenburgische Festung Groß-Friedrichsburg heute ein leerer Trümmerhaufen, mit dem ein elender Negerhäuptling, wie es scheint, nach Belieben schalten und walten kann. Die deutsche Staatsmacht ist von der Küste Westafrikas zurückgedrängt, die preußische Flagge wurde hier freiwillig eingezogen. Die Fehler der Staatsmänner entmuthigten jedoch keineswegs die deutschen Kaufleute, die anfangs ohne jede staatliche Unterstützung, ohne jeden Schutz hier auf eigene Faust Factoreien gründeten und, dem unermüdlichen deutschen Afrikaforscher auf der Spur folgend, das Innere des Landes dem Welthandel erschlossen. Längs der afrikanischen Küste weht mitten unter den englischen, französischen und holländischen Farben auch die schwarz-weiß-rothe Fahne. Für die muthige Schaar deutscher Unternehmer, die sie hier aufgehißt, scheinen jetzt nach der Aufrichtung des Reiches bessere Zeiten anzubrechen. Die deutsche Flotte ist stark genug, um den deutschen Handel zu schützen, und die Kriegscorvette „Sophie“, Capitain von Stubenrauch, hatte Gelegenheit unmittelbar nach ihrem Aufenthalt vor Groß-Friedrichsburg den Beweis zu liefern, daß die Zeiten der deutschen Schwäche vorüber sind.

Am 28. Januar nahm die „Sophie“ ihre Fahrt längs der Küste wieder auf und legte am 30. desselben Monats auf der Rhede von Little Popo an. Vom Strande aus begrüßten mehrere schwarz-weiß-rothe Flaggen deutscher Factoreien das deutsche Kriegsschiff. Etwa 36 Angehörige des in seinem Besitzthum von England anerkannten freien Negerkönigs Lawson erschienen bald an Bord, um gegen Früchte Kleidungsstücke einzutauschen, aber auch vier junge deutsche Kaufleute ließen sich zum Schiff bringen, um dem Commandanten Klagen über einige Negerhäuptlinge wegen Verletzung der mit letzteren abgeschlossenen Verträge vorzutragen und ihn um seine Intervention zu ersuchen. In unvertragsmäßiger Weise

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_350.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2024)