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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

„Ich möchte auch einmal vergnügt sein und mit Ihnen tanzen, obgleich ich´s kaum noch kann –“ sagte er, verloren in ihren Anblick, und fast wie zu sich selbst sprechend. „Verrathen Sie mir Ihr Costüm auf der Redoute, und verschmähen Sie mich nicht, wenn ich komme, um eine Tour zu bitten.“

Sie sagte ihm, daß sie als maurische Fürstin erscheinen werde, und versprach mit strahlendem Lächeln, soviel mit ihm zu tanzen, wie er möge.

„Gut denn!“ rief er, indem er rasch ihre Hand an seine Lippen zog, „so will auch ich einmal froh sein und in derselben Weise glücklich, wie es Andere sind!“ Mit diesen Worten stürmte er fort.

Seltsam bewegt ja mit laut klopfenden Pulsen ging Emilie zur Ruhe und suchte vergebens, der Bewegung Herr zu werden, welche diese unerwartete Begegnung verursacht hatte.

(Fortsetzung folgt.)




Der letzte Piratenzug der Korsaren von Tunis.

Das Meer lag in tiefem Blau vor uns, Siciliens schöngeformte, schroffe Berge, unter der Sommersonne sengenden Strahlen rothbraun gefärbt, grüßten zum Abschied herüber und die Luft war dabei heiß und feucht, wie in einem Treibhause. Wieder einmal hatte ich das Mittelmeer zu durchschiffen, um von kurzem Sommerausfluge nach der „Rose des Westens“, nach Tunis, zurückzukehren. Die Gesellschaft an Bord des stattlichen Dampfschiffes bestand aus den verschiedenartigsten Elementen. Auch Deutsche fehlten nicht darunter.

Zwischen dem Diner, welches auf Deck unter dem gegen Abendsonne und Schornsteinrauch schützenden Zeltdache eingenommen wurde, und dem Thee entwickelte sich nach erfolgter Erlaubniß des Capitains ein munteres Treiben auf Deck: auf einer „Kunstreise“ begriffene ambulante Musikanten ließen ihre Tanzmelodien erklingen, und wacker drehten sich im Tacte das gerade unbeschäftigte Schiffsvolk und Passagiere der dritte Classe, meist arme italienische Arbeiter, welche auf Afrikas Küste lohnenden Verdienst zu finden hofften. Nur einige beturbante und malerisch gekleidete tunesische Juden saßen abseits und ließen sich durch Nichts in ihren eifrigen Rechnungen über Gewinn und Verlust stören.

Noch zu später Stunde hatte Niemand Lust, die Schlafstätte aufzusuchen, und als erst der Vollmond die Fluthen mit seinem Silberglanze übergoß, rückte die Gesellschaft näher zusammen, und in allgemeinem Gespräche verlieh Mancher seinen Gefühlen mehr oder weniger glücklichen Ausdruck.

Schließlich rief eine romantisch angehauchte Seele Erinnerungen an die Vergangenheit wach und gedachte der gefürchteten Korsaren, welche einst in diesen Gewässern ihr Wesen trieben; damals drohten zur See Gefahren, von welchen wir uns heute nicht träumen lassen, da wir uns auf dem Salondampfer wie zu Hause fühlen und noch raisonniren, wenn er etwa um eine Stunde verspätet am Bestimmungsorte eintrifft. Jenes Thema erregte lebhaftes Interesse, und ich konnte nicht umhin, die Romantiker damit zu trösten, daß ein, wenn auch bescheideneres, doch ebenso gefährliches Abenteuer, wie ein Ueberfall durch Seeräuber, durchaus nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit liege. Zur Bekräftigung dessen erzählte ich einen der vielen Fälle, die sich an der nur ganz unzureichend mit Leuchtthürmen und Seezeichen versehenen Nordküste Tunesiens in den letzten Jahren zugetragen. Das französische Dampfschiff „Auvergne“ scheiterte in der Nähe der kleine Insel Tabarca; fast sämmtliche an Bord befindliche Personen konnten sich retten, doch nur, um den rohen Gebirgsbewohnern jener unwirthlichen Felsküste in die Hände zu fallen. Die niemals gebändigten Kabylen stiegen alsbald von ihren Bergen herab, plünderten das Wrack der „Auvergne“ rein aus und nahmen den bedauernswerthen Gestrandeten ihre Kleider und die wenigen geretteten Habseligkeiten. Sie behandelten ihre Gefangenen unmenschlich und unterwarfen Weiber, Männer und Kinder den schimpflichsten und wahrhaft barbarischen Mißhandlungen. Ein Bootsmann rettete sich durch Flucht und trug die Nachricht von dem Geschehenen nach Tunis. Eilig begaben sich ein zufällig anwesendes amerikanisches Kriegsschiff und eine französische Corvette an die Stätte des Unglücks, während der 1882 verstorbene Bey Mohammed Essadok Pascha, der Gerechte, 350 Mann seiner Truppen in die Berge zur Befreiung der Gefangenen sandte; er mußte für den Schaden aufkommen, und hielt sich später an den räuberischen Tribus schadlos, deren Chefs von seinen Soldaten mehr durch List, als Gewalt zu Gefangenen gemacht und bis nach erfolgter Befreiung der Schiffbrüchigen und geleistetem Schadenersatz als Geiseln zurückbehalten worden waren.

Durch diese streng der Wahrheit entsprechende Erzählung war erst recht in unserem Kreise Stimmung gemacht für abenteuerliche und gruselige Seeräubergeschichten. Manche Anwesende wußten kaum, daß noch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts die maurischen Piraten in diesen Gewässern frech ihr schändliches Gewerbe trieben, und waren erfreut, daß ich ihrem Wunsche, mehr darüber zu erzählen, nachkommen konnte, da ich erst kürzlich die leider nur spärlichen darauf bezügliche Nachrichten gesammelt hatte. Ich berichtete also über den letzten Korsarenzug der Tunesen gegen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_428.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2017)