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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

herum und suchten in die Stadt einen Einblick zu gewinnen. Man schoß auf sie und Einer stürzte tödtlich getroffen nieder. Mit lautem Rachegeschrei eilten Alle zurück. Dann gab ein Kanonenschuß des „El Essed“ das Signal zum Angriff.

Wie sehr bedauerte der Commandant der Burg jetzt, wie schon beim Herannahen der Piratenschiffe, nicht im Besitze von ein paar brauchbaren Kanonen zu sein; die Rohre, welche unter Schlinggewächsen verborgen lagerten, waren gänzlich werthlos, ebenso die kleine Lärmkanone. Nun, mit Gottes Hülfe hoffte er, auch so zu widerstehen, jedenfalls aber sein Leben theuer zu verkaufen.

Abdallah stürmte an der Spitze von etwa 700 Mann am Burgberg vorüber gegen die Stadt; denn zunächst gedachte er den Feind aus der unteren Stadt hinauszuwerfen, dann erst die Burg, wo er die reichste Beute vermuthete, zu nehmen. Die Angreifer fanden einen heroischen Widerstand. Wohlgezielte Salven fügten ihnen beträchtlichen Schaden zu, und als sie trotzdem bis zu den Mauern vorgedrungen waren, vermochte ihr grimmiger Angriff nicht, das Hinderniß zu überwältigen. Nach kurzem, erbitterten, doch vergeblichem Ringen gingen sie zurück. Abdallah schäumte vor Wuth! Von Neuem ordnete er seine Schaaren, jetzt einen einzigen, den schwächsten Punkt zum Ansturm Aller ausersehend. Mit wüstem Geschrei drangen sie vor. Wiederum streckte das Blei der Vertheidiger so Manchen nieder, ehe es zum Kampfe mit blanker Waffe kam. Wiederum kämpften jene als wahre Helden, dieses Mal unter schwierigeren Umständen und ebenfalls schwere Verluste erleidend. Mit Mühe gelang es ihnen, sich zu halten – abermals wichen die wilden Horden zurück. Mustapha Raïs hatte mit Ingrimm den Verlauf des Angriffs verfolgt. Unerhört, unglaublich schien ihm, was seine Augen sahen. Er ließ frische Truppen landen, setzte sich selbst an die Spitze derselben und feuerte sie in einer kurzen Ansprache durch Verheißung reicher Beute zum nochmaligen Angriff an. Zum dritten Male und in fast verdoppelter Anzahl drangen die Barbaresken vor. Es war unmöglich, ihrer erdrückenden Uebermacht Stand zu halten. Die tapferen Vertheidiger leisteten verzweifelten Widerstand, doch bald ging die vom Podestá ausgegebene Losung durch ihre Reihen, sich kämpfend bis zur Piazza zurückzuziehen. Keiner wandte sich zur Flucht, sondern jeden Fußbreit den nachdringenden Feinden streitig machend, gingen sie bis zum Hauptplatz zurück und setzten sich hier von Neuem fest. Zunächst begann nun ein wüstes Plündern des gewonnenen Stadttheiles seitens der schon kampfesmüden und mehr beutegierigen Tunesen. Während dessen athmeten die Bürger ein wenig auf und benutzten die Zeit bis zum voraussichtlich letzten Kampfe, um sich in Eile so gut als möglich zu verbarrikadiren.

Am ehemaligen Sclavenmarkt zu Tunis.
Nach einer Originalskizze von P. R. Martini.

Doch Mustapha Raïs hatte anders beschlossen und bemühte sich, den größten Theil seiner Leute vom Plündern abzurufen, was ihm freilich erst gelang, als alle noch vorgefundenen Werthgegenstände fortgeschleppt, der Rest aber zertrümmert und vernichtet war; die Burg sollte nunmehr gestürmt werden; dies geschehen, schien es ein Leichtes, den letzten Widerstand der Städter zu besiegen.

Schier unglaublich klingt es, wenn berichtet wird, die Burg von St. Antioco sei erst nach fünfstündigem Kampfe den unzähligen Angreifern erlegen! Weiber, Kinder und Greise nahmen die Muskete zur Hand, um Leben und Freiheit zu vertheidigen! Doch nicht die übermenschliche Anstrengung, die verzweifelte Abwehr der Christen vermochte das Ende, den Fall der Burg, abzuwenden: alle 28 Krieger starben den Heldentod, als letzter der brave Commandant Don Luigi Altamare, von Wunden bedeckt und durch Blutverlust geschwächt, getödtet von der Hand des Mustapha Raïs selbst. Als kostbare Beute ließ dieser die schöne Schwester des Commandanten bewußtlos für sich an Bord bringen.

Die Städter waren indeß wenig belästigt worden; aus dem Innern der Insel kamen zahlreiche Trupps wohlbewaffneter Bauern herbei und allmählich konnte man gegen die Tunesen vorgehen, ja, sie schließlich über die Mauer hinausdrängen. Die frischen Kräfte der Vertheidiger, die harten Anstrengungen, die Ermattung und Unlust seiner Truppen ließen den Korsarenadmiral auf einen nochmaligen Angriff gegen die Stadt verzichten, und nachdem er sich mit den Seinen, den Gefangenen und der Beute eingeschifft

hatte, lichtete er sofort die Anker, froh, seinen Zweck erreicht zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_432.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2023)