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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Tod von der Hand eines Mannes seiner eigenen Farbe. Einer der wenigen Krieger, die ihm noch folgten, wagte es, dem Sachem von der Nothwendigkeit zu sprechen, mit den Blaßgesichtern Frieden zu machen. Metakom erschlug den Mahner. Aber ein Bruder desselben übte Blutrache, suchte und fand den Sachem in seinem letzten Versteck, einem auf der Landzunge von Montaup gelegenen Swamp (Sumpf), und erschoß ihn.

Mit König Philipps Tod war der Krieg zu Ende und hob das Rachewerk der Sieger an. Mit ganz alttestamcntlichem Furor gingen die Kolonisten gegen die Söhne Moabs und Amaleks, d. h. gegen die niedergeworfenen Indianer vor. Wehe allen Rothen, welchen es nicht gelang, zeitig genug gen Canada oder westwärts gegen die großen Seeen hin zu entweichen! Unter den Puritanern wurde alles Ernstes die Frage aufgeworfen und erörtert, ob es nicht rathsam und gottgefällig wäre, die ganze Brut der rothen Heiden mit Stumpf und Stiel auszurotten. In Plymouth und Boston fanden massenhafte Hinrichtungen rother Männer statt. Scharen von solchen wurden nach Westindien in die Sklaverei verkauft und dieses schreckliche Loos traf auch den armen gefangenen Knaben Metakoms. Die Rothhäüte, welche nach diesem Strafgerichte in Neu-England noch übriggeblieben, vegetirten unter hartem Druck in dumpfer Ergebung fort, bis sie allmälig ausstarben, was nicht sehr lange auf sich warten ließ.

Das Wort von der Tödtung des rothen Mannes durch den Rauch vom Herdfeuer der Blaßgesichter war also in Erfüllung gegangen. Der weltgeschichtliche Vorschritt hatte auch hier zertreten, was sich ihm auf seinem Wege entgegengestellt. Auf dem Kriegspfad gegen die Eingebornen hatte das transatlantische Riesenkind die Kinderschuhe ausgetreten und stand nun als ein Mann da, der seine Kraft sammelte, um gerade hundert Jahre später mit seinem Rufe die Welt zu erfüllen. Denn am 4. Juli von 1776 wurde jene Urkunde der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika ausgestellt und im Congreß zu Philadelphia unterzeichnet und besiegelt, jene Urkunde, welche an ihrer Spitze die „Erklärung der Menschenrechte“ trug, den Prolog zu einem neuen Akt des großen Drama’s der Menschheit.




Blätter und Blüthen.

Die Katze an der Kette. Vor Kurzem besuchte ich einen Bekannten, einen älteren pensionirten Militär, welcher ein hübsches Häuschen mitten in einem Garten besitzt, Dieser Garten ist seine Freude, sein Steckenpferd, eine Sehenswürdigkeit für Alle, welche ihn näher kennen. Wir wanderten denn auch darin und wollten über einen kleinen Nebenhof zum Hause zurückkehren: da stutzte ich über etwas nie Gesehenes. An der Stallecke stand eine kleine Hundehütte, und vor der Hundehütte balgten sich zwei spielende Katzen, welche mit feinen Kettchen an die Hütte gekettet waren. Aus der Hütte selber aber drang der wimmernde Ton junger Kätzchen. Ich lachte unwillkürlich laut auf, so komisch war mir die Vorstellung von einer Katze, welche gleich einem Hunde an der Kette liegt.

„Was ist das?“

„Das ist, was man ein geglücktes Experiment nennt,“ sagte mein Bekannter stolz. „Ich will Ihnen die Sache erklären. Ich liebe nicht nur meinen Garten, ich liebe es vor Allem auch, wenn ich meinen Pirol, meine Meise, mein Weißkehlchen und Consorten darin habe. Ehe ich die Katzen hielt, nisteten im Garten alljährlich einige dieser Vögel. Als ich der Mäuse halber die Katzen angeschafft, kamen sie anfangs noch, wie früher. Aber sie blieben nicht. Sobald im Frühjahr die Vögel eintrafen, ließen meine Katzen das Mausen und lagen Tag und Nacht im Garten auf der Lauer. Ich habe von ihren Thaten weiter nichts gesehen, außer wie die eine ein Rothschwänzchen erwischte und wie die zweite ein Amselnest ausleerte. Mein Garten aber wurde vogelleer und stumm, und ich war unglücklich. Ich sprach mit Gartenbesitzern über meine Erfahrung, und ich habe die Ueberzeugung gewonnen, daß der furchtbarste Feind unserer Singvögel unsere Hauskatze ist, und es ist mir völlig unbegreiflich, wie die Vogelschutzvereine diesen Punkt bisher haben stiefmütterlich behandeln können. Alle internationalen Verträge, alle Verbote des Vogelfangs, alle Nistkästen sind, was unsere Gärten betrifft, zusammen nicht soviel werth, wie es die Unschädlichmachung der Katzen für die Brutzeit der Vögel sein würde. In dieser Zeit verwildert ein Theil der Katzen zu echten Raubthieren, was bei den meisten so lange dauert, wie die Vögel singen, bei manchen Katzen, die in die Felder gehen – wo sie gewiß auch wohl Mäuse fangen mögen – bis zum Eintritte der kalten Jahreszeit.

Ein Jahr sah ich das noch mit an, um Beobachtungen anzustellen. Dann stand es bei mir fest: hier muß etwas geschehen. Anfangs ging ich mit dem Entschlusse um, die Katzen abzuschaffen. Aber eines Tages kam mir ein anderer Einfall. Ich schaffte mir diese Hütte und diese Ketten an, und als das nächste Frühjahr kam, wurden meine Katzen einfach hier festgeankert. Ich war selbst in Zweifel, ob die Sache gehen würde. Aber sie ging vortrefflich. Sobald sich meine Katzen über die ungewohnte Beschränkung erst klar geworden waren, fügten sie sich in dieselbe, und von Stund ab lebten sie an der Kette, als wären sie niemals frei gewesen. Sie haben sogar Junge bekommen in der Gefangenschaft, wie Sie bemerken. Vor Ende Juli gebe ich sie nicht frei. Ich kann nicht einsehen, was dabei Auffälliges ist, ausgenommen das Ungewöhnliche. Weshalb sperrt man Vögel ein, legt man Hunde an die Kette, hält man andere Hausthiere im Stalle (zum guten Theil doch auch nur, damit sie in Freiheit keinen Schaden anrichten) und nimmt nur für die Katzen das Privilegium absoluter Freiheit in Anspruch? Weil ihre Bestimmung das Mäusefangen ist, werden Sie sagen. Nun gut: in der Zeit, wo die Vögel brüten, fangen die Katzen aber fast gar keine Mäuse, sind die Mäuse überhaupt für das Haus am wenigsten lästig. Ich lege sie also an die Kette, und seitdem ich das thue, habe ich meine fröhlichen Musikanten wieder und den Garten voller Nester.

Wenn es nach meinem Willen ginge, würde das, was ich thue, durch ein Staatsgesetz oder durch communale Verfügungen zur allgemeinen Pflicht gemacht. Das wäre ein Gegenstand für eine Agitation seitens des Vogelschutzvereins! Jede Katze, welche in den Monaten März oder April bis Ende Juli in Gärten oder Feldern frei herumstreifend getroffen wird, kann getödtet werden: das wäre der einfachste Wortlaut für dies Gesetz. Ich sehe nicht das Mindeste, was gegen meine Idee in’s Feld geführt werden könnte. Oder haben Sie etwas Stichhaltiges dagegen?“

So mein Freund. Ich überlegte; ich bedachte, daß ich einst in vollem Zorn eine Katze erschoß, welche im Begriff stand, zu einem Pirolnest voll schreiender Junger hinaufzusteigen, daß ich einmal aus dem Fenster in den Garten gesprungen war, um einer Katze eine Bachstelze abzujagen; ich bedachte, wie ich meine eigne junge Katze beobachtet hatte, als sie auf der Finkenjagd war – ein Dutzend und mehr Fälle von durch Katzen geleerten Nestern fielen mir ein, die ich sicher constatirt – – ich betrachtete mir diese vergnügt spielenden, wohlgepflegten Katzen da an ihren Kettchen, und ich sagte:

„Nein. Sie haben Recht. Es ist wahr, man wird etwas Fütterung für die Katzen mehr brauchen. Aber wer Hunde halten will, muß sie füttern, und wer Katzen halten will, mag sich’s ein paar Groschen im Jahre mehr kosten lassen als bisher. Und ich werde sorgen, daß Ihre Idee und Ihre Katzen möglichst weit in der Welt bekannt werden. Ich werde der ‚Gartenlaube‘ von ihnen schreiben.“

Freienwalde a. O. Victor Blüthgen. 



Zwei seltsame Kinderstuben. (Mit Illustrationen auf S. 436 und 437.) Lose Vögel hier und dort, verschieden jedoch durch die örtliche Lage ihrer dermaligen Aufenthaltsorte. Eine „höhere“ Kinderstube nennen wir die Räumlichkeit, in welcher das Elternpaar der kecken und findigen Kohlmeisen ihre gedeihliche Nachkommenschaft untergebracht, weil sie dazu nicht etwa den Knauf des Kirchthurms gewählt, sondern nur den eines Gartenhauses, und darum ist unsere Bezeichnung die richtige, denn man versteigt sich mit allem nur „Höheren“ nicht zum Höchsten. Wie behaglich muß in dem sicheren Bauch dieses Knaufes die junge Gesellschaft sich fühlen, wenn sie satt ist und die Köpfchen unter die Flügel steckt! Jetzt aber ist sie hungrig, und da freut es uns ganz besonders, daß das Loch des Knaufes gerade groß genug ist, um alle Köpfchen und Kröpfchen den elterlichen Fütterschnäbeln zugänglich zu machen. Wie sie nur das große Loch fertig gebracht haben? Halt! das ist eine andere Geschichte. Da kommt einmal ein lustiger Waidmann des Wegs daher. Er hat noch eine Kugel im Lauf seiner Büchse. Um sich des Schusses zu entledigen, zielte er nach diesem Knauf, und da gähnte ein rundes Loch, welches dann durch neugierige Buben, die nach der Kugel suchten, erweitert wurde. Durch die gehörig erweiterte Oeffnung hielt im nächsten Frühjahr das kluge Meisenpaar seinen feierlichen Einzug.

Auch die andere Kinderstube, die zu ebner Erde, haben ihre Insassen sich nicht selber gebaut. Der alte Tragkorb stand schon lange in dem Schuppen beim Kellerloch, dem Lieblingsspielplatz der Kinder des Hauses, ehe offenbar der lustige Junge, dessen Barfüßigkeit durch den Korbriß sichtbar wird, von seinen Spielcameraden eins um’s andere in den Korb hob und dann selbst nachkletterte. Nur das kleinste Brüderchen hatte keinen Platz gefunden, brauchte auch keinen, denn es war auf dem Boden schon fröhlich genug. Und wenn dann endlich die Thür wieder aufgeht und die Blicke der Kinder auf die mit den großen Butterbroden beladenen Hände fallen, so werden auch hier alle ihre Schnäbelchen aufsperren und ein Geschrei wird beginnen, gerade so wie drüben, dann werden wir links und rechts nur lose Vögel vor Augen und an beiden Kinderstuben unsere Freude haben.




„Bei brennender Kerze“. (Mit Illustration S. 440.) Jeden Freitag Nachmittag um halb vier Uhr pflegt in Bremen der Sitzungssaal des Landgerichts zur Stätte einiger Verkäufe „bei brennender Kerze“ zu werden. Grundstücke und Häuser, die zum Zwangsverkauf kommen, werden dort dem Meistbietenden in dem Augenblicke zugeschlagen, wo das Lichtstümpfchen erlischt, das ihretwegen angezündet worden ist. Warum das? Offenbar, um alle die wirkliche oder auch blos vermuthete Willkür auszuschließen, welche in dem Zuschlage durch den dreimal hinter einander das Gebot wiederholenden Auctionator liegt. Dieser kann zögern, wenn er dem Bietenden nicht gönnt, daß er den Sieg davontrage, – oder eilen, falls der Bieter bei ihm in Gunst steht. Wo das Aufrufverfahren gilt, sind Verdacht und Vorwurf in dieser Richtung gar nicht so selten. Ein Straßburger Correspondent der „Weserzeitung“ schrieb derselben am

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_439.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2021)