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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

noch ein kärgliches Brod, und seine Eltern hatten wenig übrig, um diesen Träumen zur Wirklichkeit zu verhelfen. So schien der – Dekorationsmaler vorläufig der geeignetste Mittelweg.

Als halbgewachsener Junge zog er denn von Neustrelitz in Mecklenburg, wo er am 15. August 1828 geboren wurde, nach Berlin und trotz aller guten Vorsätze zum goldenen Handwerk kam es schließlich doch dahin, wohin es kommen mußte, daß er eines Tages statt der Werkstatt die Akademie besuchte. Sein Lehrer war Schirmer, auch Schnaase nahm den liebenswürdigsten und förderndsten Einfluß auf seine Entwickelung, doch war das Ziel, das er sich damals gestellt, nur die einfache Landschaft. Vor allem waren es Bilder aus Rügen und Westphalen, die ihn beschäftigten, denn er verstand den Zauber der Haide, den so wenige begreifen; daneben aber ward er durch eine Arbeit, die er für Kugler’s Kunstgeschichte übernommen hatte, in die großartigste Architectur geführt. Noch heute blüht diese Vorliebe ja hier und dort in seinem Schaffen auf.

Da endlich kam auch für ihn die große Stunde eines entscheidenden Werkes. Es war eine „Strandpredigt“ auf Rügen, die er etwa um die Mitte der fünfziger Jahre gemalt hat und die alsbald gewaltiges Aufsehen hervorrief, denn hier zum ersten Male war jener Versuch gemacht, in eine bedeutsame Landschaft einen ebenbürtigen bedeutsamen Vorgang hineinzustellen – Figuren, die nicht im Atelier nach dem Modell gezeichnet waren, sondern die der Künstler draußen in der Natur im freien Licht gemalt, als die leibhaftigen körperlichen Originale dessen, was er schildern wollte.

Und in dieser Richtung hat sich seitdem seine Kunst zu ihrer reichsten Blüthe entwickelt, mit immer steigender Betonung und immer glänzenderer Durchbildung des figürlichen Moments. Ganz besondere Nahrung aber erfuhr dies Bestreben, als er in den sechsziger Jahren zuerst in’s Hochgebirge kam, nach Tirol und in die Schweiz, aus denen eine Reihe seiner vollendetsten Bilder entnommen sind. So vor allem jene „Feldandacht von Passeyrer Hirten“, die auf der Münchener Ausstellung von 1869 den tiefsten Eindruck machte und die sich jetzt in der Nationalgallerie zu Berlin befindet, oder jenes „Begräbniß in Appenzell“, das der Karlsruher Sammlung gehört.

Ueberall tritt uns hier eine Wahrheit und Unmittelbarkeit der Handlung entgegen, daß wir jedes Gefühl absichtlicher Darstellung verlieren; wir sind selber mitten unter den Menschen, die dies thun oder leiden. Es ist der eigene mächtige Eindruck, der uns gegeben wird, und darum wirkt dieser Eindruck auch so mächtig weiter; dazu aber kommt ein Feingefühl, eine Ehrfurcht für die stumme Größe der Natur, die den Bildern Riefstahl’s neben ihrer Schönheit fast einen Zug von Weihe giebt.

Das kann freilich nur der, in dem der Mensch dem Künstler ebenbürtig ist, und gerade dieser Zug macht Riefstahl’s Persönlichkeit so würdevoll, so fesselnd und sympathisch. Er hat das Gesetz der alten Meister verstanden, daß der Künstler vor allem ein hochgebildeter Mann sein müsse, daß sich nur aus der Vielseitigkeit des Verstehens und der Anschauung die Einheit des eigenen Wesens und ein selbstständiger Stil gewinnen lasse. Sonst wird die Einheit zur Einseitigkeit und der Stil zur Manier.

In diesem Sinne ist es vielleicht zu beklagen, daß Riefstahl die Lehrthätigkeit wieder aufgab, die er fast ein Jahrzehnt an der Kunstschule in Karlsruhe geübt hat; seitdem ist sein Wohnsitz in München, wo er unter dem reichen vielgestaltigen Künstlerleben eine durchaus selbstständige, scharfgezeichnete Erscheinung darstellt.

Still, gemessen und anspruchslos in seinem äußeren Dasein, durch warmes Empfinden Allen verbunden, mit denen sich sein Leben berührt, ist Riefstahl doch innerlich vielleicht eine der vornehmsten Künstlernaturen, denen man begegnen kann. Aber auch sein Leben und Schaffen steht unter dem Worte: Noblesse oblige.

Karl Stieler. 

Brausejahre.

Bilder aus Weimars Blüthezeit. 0 Von A. v. d. Elbe.
(Fortsetzung.)


10.

Am Dienstag Nachmittag stand Luise von Göchhausen in ihrem kleinen Zimmer im Wittthumspalais neben einem Tisch, auf dem ihre alte Schulzin eben das von ihr gefertigte Maskeradencostüm für die junge Herrin ausbreitete. Luise war klug genug zu wissen, daß sie sich nicht wie schlankgewachsene, schöne Mädchen kleiden dürfe; ebenso wußte sie, daß man ihre kleine Gestalt, ihre schiefe Schulter unter allen Verhüllungen heraus erkenne; es kam für sie also nur darauf an, etwas Drolliges, Originelles zu erfinden. Sie hatte einen feuerrothen Domino gewählt, und um dieser Wahl etwas Charakteristisches zu geben, wollte sie ein „Flämmchen“ vorstellen. Sie hatte sich eine spannenlange Flamme malen und diese an einem goldenen Reif befestigen lassen, welchen sie um den Kopf trug, dazu nahm sie nur eine schwarze Florbrille und keine Maske; wozu diese Unbequemlichkeit, zu erkennen war sie ja doch!

Sie fand, indem sie jetzt ihren Stirnreif vor dem Spiegel anprobirte, daß die Flamme ihr nicht übel stand, das kecke Gesichtchen sah koboldartig, aber pikant darunter hervor.

„Hör mal, Altsche,“ sagte sie jetzt überlegend zur Schulzin, „der Herzog hat ehgestern in Tiefurt und gestern Abend bei Witzlebens wiederholt versichert, ich werde nicht auf die Maskerade kommen, er spielt mir also, davon sei überzeugt, irgend einen Possen. Ich war diesen Morgen in der breiten Gasse. Onkel Wilhelm geht auch zu der Hofmaskerade, er sagte, daß er ein sehr würdiges Costüm bereit habe. Ich stellte ihm vor, daß er von meiner herzoglichen Portechaise profitiren und den Thaler für seine Sänfte sparen könne; wenn er meinen Trägern eine Kleinigkeit gäbe, wäre das ausreichend. Er solle auch zuerst hinbefördert werden. Dies alles leuchtete ihm sehr ein. Nun müsse ich mich aber bei ihm ankleiden, sagte ich, denn sonst könne ich die Portechaise nicht dorthin bestellen. Er war’s zufrieden, und ich hoffe, wir ziehen so den Kopf aus der Schlinge! So wie es dämmert, nimmst Du meine Garderobe und gehst voran. Um fünf Uhr entläßt mich die Herzogin, dann folge ich Dir unbemerkt; wenn also der Herzog irgend einen Schabernack plant, mir die Thür zunageln oder sonst einen Unsinn machen will, ist der Vogel ausgeflogen.“

„O je, wie Du klug bist, Kind,“ sagte die alte Zofe mit vor Bewunderung glänzenden Augen.

„Der Träger sind wir doch sicher?“

„Ich habe sie bestellt, sie ließen noch niemals warten; nun muß ich natürlich noch vorgehen und sagen, daß sie zu unserm Onkel kommen.“

„Thue das! Und – mir liegt doch sehr daran auf dem Balle zu sein – wie wär’s, wenn wir eine Viertelstunde später die Portechaise nach der breiten Gasse bestellten, die der Oberkämmerer gewöhnlich nimmt? denn sieh nur den aufgelösten Schnee, gehen könnte ich in Ballschuhen keinenfalls. Läßt uns also die Hofportechaise auf Ordre des Herzogs im Stich, so kann die gemiethete erst Onkel und dann mich hintragen.“

„Das ist ganz vernünftig bedacht, aber Du wirfst einen Thaler hinaus.“

„Lieber das, als meine Wette mit dem Herzoge verlieren.“

Die Schulzin ging, um die beiden verschiedenen Sänften zu bestellen, und machte sich dann heimlich, unter einem großen Regenschirm, mit dem in ein Tuch geschlagenen Anzug ihrer Dame auf den Weg zur Wohnung des Herrn von Göchhausen.

Zur festgesetzten Zeit standen Oheim und Nichte festlich gekleidet im Zimmer des alten Herrn.

„Wie findest Du mich, Luise?“ fragte er, indem er sich selbstgefällig von oben herunter beäugelte.

Er stellte einen Malteserritter in Gala vor; über weißen Seidenschuhen mit rothen Hacken trug er weiße seidene Strümpfe und ein ebensolches Beinkleid; ein Wams von schwarzem Sammet mit Kette und Kreuz, ein großer weißer Mantel mit dem achtspitzigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_451.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2024)