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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

rothen Ordenskreuz und ein Barett mit wallenden Federn vervollständigten die kostbare Tracht. Etwas komisch sah allerdings die kleine magere Gestalt des alten Männleins und das röthliche Gesicht mit den vorstehenden wasserblauen Augen in diesem Pomp aus.

Luise versicherte ihm jedoch, daß er seinem Namen und seiner Stellung alle Ehre mache, was ihn sehr zu freuen schien.

Gleich darauf meldete Rohrmann die Ankunft der Hofportechaise.

„Bitte, benutzen Sie dieselbe zuerst, lieber Onkel,“ sagte die Nichte artig, „Ehre dem Ehre gebührt!“

Bon enfant!“ rief der Alte, „ich habe auch wenig goût für dies Warten, es regt meine Nerven auf!“

Rohrmann legte noch einen Pelzmantel über den dünnen, weißwollenen des Maltesers; er winkte seiner Nichte einen Kuß zu und verließ das Zimmer.

Unten hatte Ursula diensteifrig die kurze Strecke des Straßenpflasters mit etlichen Strohmatten belegt. Jetzt hielt sie einen mächtigen Regenschirm über das federnnickende Haupt ihres Gebieters, so wurde er von den beiden alten Dienstboten in die Sänfte gepackt. Es rann von den Dächern; auf der Erde standen dunkle Wasserpfützen, in denen sich das schwache Licht der über den Straßen an Stricken hangenden Oellaternen spiegelte, ein hohler Wind fuhr um die Ecken, aber in der kleinen Stadt herrschte, in Anlaß der Redoute, ein lebhafteres Treiben als sonst.

Die Portechaise schwankte jetzt in gewohnter Weise davon, und Rohrmann kehrte mit Ursula, stolz auf den vornehmen und vornehm beförderten Gebieter, in’s Haus zurück. Bald darauf kam auch die Miethsportechaise und brachte Luise als Flämmchen glücklich auf die Maskerade.

Das Fest war schon im besten Gange, als sie anlangte. Alle möglichen und unmöglichen Zeiten und Nationen hatten ihre Vertreter und Vertreterinnen geschickt. Fast alle waren in einer ganz bestimmten Charaktermaske erschienen, viele sehr unkenntlich und vermummt, andere in vortheilhaftem Putz und nur mit kleiner Flormaske versehen. Es war auch üblich, sich in zurückliegenden Zimmern, wo Dominos, Masken und Costüme zu haben waren, im Laufe des Abends umzukleiden und so ganz unerwartet wieder zu erscheinen, die Bekannten zu necken und allerlei Scherze in’s Werk zu setzen. Dies alles wurde mit der größten Wichtigkeit, ja einem wahren Feuereifer betrieben.

Luise von Göchhausen suchte mit ihren scharfen Augen nach dem Herzoge; sie brannte darauf, sich ihm vorzuführen und ihn mit dem Verlust seiner Wette zu necken. Endlich gewahrte sie einen germanischen Häuptling mit dem Bärenfell auf der Schulter, geschnürten Sandalen und einem hohen Helm mit Adlerfittichen. Es war eine sehr stattliche Maske, und obwohl dieselbe eine das Gesicht völlig deckende Larve mit langem Bart und großer Nase trug, glaubte sie doch den Herzog zu erkennen. Der Germane unterhielt sich angelegentlich mit einer schönen, maurischen Fürstin, die, nur wenig maskirt, sehr kenntlich als Milli von Werthern war.

Sie drängte sich an ihn heran, haschte nach seiner Hand und schrieb seinen Namen hinein. Sowie er ihrer ansichtig wurde, geriet er in Erstaunen, vergaß seine Verpuppung und rief mit einem deutlich unter der Maske hervortönenden Gelächter:

„Ei der Teufel, da ist sie ja wirklich! Diese dummen Kerls, und ich hatte sie doch so genau instruirt!“

„Vermuthlich dero Banditen, denen ich mit meinem Flämmchen nach Hause geleuchtet habe!“ sagte sie spöttisch knixend. „Gestatte also, wilder Krieger!“

„Armin, direct aus dem Teutoburger Walde,“ schaltete er ein.

„Nun denn, Armin, Fürst der Cherusker, gestatte, daß ich armes Flämmchen neben Dir weiter brenne.“

„Aber wie, in aller Kobolde Namen, hast Du vortrefflichstes Feuerzeug, meine wohl dressirten Sänftenträger ihrer Pflicht, ihrem schuldigen Gehorsam abwendig gemacht?“

„Deine Palankinbeförderer, o edler Germane?“ fragte sie erstaunt.

„Nun ja, die Hofportechaisenleute.“

„Himmel! Haben Durchlaucht denen arge Aufträge für mich gegeben?“ rief sie mit plötzlichem Erschrecken, indem sie sich angstvoll suchend nach ihrem Onkel, dem eleganten Malteser, umschaute.

„Still hier mit Deinen Titeln, Flamme, halt Maskenordnung; aber komm in ein Nebenzimmer, es scheint etwas quer gegangen zu sein, was wir aufklären müssen.“

Sie drängten sich zusammen aus dem Gewühl. In einem Winkel angekommen sagte er:

„Ist nicht, nachdem Ihr zehn Schritte im Gange waret, Dein Sitz zusammen gebrochen, der Portechaisenboden heraus gefallen, haben sich darauf Deine Träger nicht in Trab gesetzt, dadurch Dich genöthigt mit durch den Schmutz zu laufen, und Dich, bei fest geschlossener Thür, trotz alle Deinem Geschrei, in den Portechaisenstall getragen, den sie hinter Dir verriegelten?“

„Alles dies Schreckliche muß meinem armen Onkel, dem Oberkämmerer von Göchhausen geschehen sein!“ rief Luise, indem sie ihre Hände halb lachend, halb weinend zusammen schlug.

„Den Kukuk auch, das wäre Pech! Den also haben sie beim Wickel genommen, der kam in der Hofportechaise?“

„Ja, Durchlaucht, er, und ich bitte dringend, ihm so schnell wie möglich Hülfe zu senden!“

Der Herzog eilte fort, und Luise ging mit beschwertem Gewissen, obwohl sie sich unschuldig fühlte, die Herzogin Mutter aufzusuchen.

Sowie der Herzog vorhin die schöne Maurin verlassen hatte, war ein anderer Mann zu ihr heran getreten und hatte sie um den Tanz gebeten. Es war ein Beduine, mit weißem Mantel, Waffen im breiten Seidengürtel und bräunlicher Maske.

„Wir sind Landsleute, schöne Zoraide,“ flüsterte er mit innigem Tone, „wohnst Du auch jetzt in der Alhambra, stammst Du doch aus den heißen Gefilden Afrikas so wie ich, der Wüste Sohn. Welch ein Glück, Dich plötzlich im fernen Norden zu finden!“

Bei diesen Worten legte er seinen Arm um ihre feine Taille, zog sie fest an sich und flog mit ihr in den Reihen der Tänzer dahin.

Goethe hatte sich in der Tracht eines Eremiten möglichst unkenntlich gemacht; sein eigentliches Costüm war das eines Troubadours; jetzt floß ein weißer Bart von einer runzelvollen Maske herab, und die Kapuze seiner dunklen Kutte deckte seine braunen Locken. Er wußte, daß Frau von Stein als Ritterfrau kommen werde, er wollte sie, die ihn auch als Troubadour vermuthete, necken und ihr dann ein zärtliches Gedicht geben, das er in der Nachmittagsstunde für sie hingeworfen hatte. Jetzt spähte er mit prüfenden Blicken nach ihr aus.

„Suchst Du mich, würdiger Vater?“ lispelte plötzlich eine sanfte Stimme an seinem Ohre, und ein runder Frauenarm schob sich in den seinen.

„Also hast Du mich doch erkannt, Geliebteste?“ entgegnete er.

„Wie sollt’ ich nicht?“ fragte die Ritterfrau dagegen, und ging an seinem Arme mit ihm weiter.

Es beglückte ihn, daß die Theure ihn unter der Hülle herausgefunden hatte, daß sie ihm die Gunst schenkte, sich zu ihm zu gesellen. Er sprach zu ihr von der Sympathie ihrer Seelen; von der Seligkeit, sich im Schwarm der großen Menge abzusondern, hier sich verständnißvoll nah zu fühlen, unter der Maske unbeobachtet zu ein.

„Mein Herz ist doch immer bei Ihnen, Liebe, Einzige, die mich glücklich macht, ohne mir weh zu thun,“ sagte er zärtlich. „Doch auch nicht ohne Schmerz lebt sich’s in Deiner Nähe, denn Du leidest nicht immer meine Liebe, und meine ganze Seele ist doch voll von Dir. Sieh, diese Zeilen schrieb ich Dein gedenkend.“

„Gieb!“ lispelte seine Gefährtin. Er steckte ihr ein Papier zu, welches sie in ihrer an einer Kette herabhängenden Tasche barg.

Er fuhr fort: „Die Liebe zu Dir hält mich über dem Wasser, elend wär’ ich als Hofmann! Mich wundert, daß nicht die Meisten gar Kröten und Basilisken werden; das Gekriech, die Liebedienerei hört nicht auf. Oft denke ich, auch der Schmutz ist glänzend, wenn die Sonne darauf scheint, und nehme Alles hin; ich seh’s aber als Vorbereitung an, und nur durch Dich bin ich gestählt und dauere aus.“

Indem er so mit ernster Empfindung zu seiner Begleiterin redete, erstarrte er plötzlich. Er gewahrte die Herzogin Luise, die als Vestalin prächtig und edel in langen, goldgesäumten Gewändern dastand, ganz kenntlich, nur mit einer Florbrille. Und neben ihr eine Ritterfrau, ähnlich der, welche er am Arm führte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_454.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)