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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Blätter und Blüthen.


Liebaut’s Regenerator. In Nr. 7 unseres Blattes druckten wir eine Erklärung des Ortsgesundheitsrathes in Karlsruhe ab, in welcher vor dem Gebrauch des Heilmittels „Regenerator“ gewarnt und außerdem erklärt wird, daß von dem „berühmten Dr. Liebaut“ nirgends eine Spur nachzuweisen sei. Einige Tage nach dem Erscheinen der betreffenden Nummer erhielten wir von dem genannten Ortsgesundheitsrath folgende Mittheimng:

„Unter Bezug auf unsere Zuschrift vom 22. v. Mts., betreffend die Regenerationscur von Dr. Liebaut, erlauben wir uns hiermit verehrl. Redaction ergebenst mitzutheilen, daß nach den von uns neuerdings gemachten Erhebungen ein Dr. Liebaut als praktischer Arzt in Paris wirklich existirt. Chefarzt eines Spitals ist derselbe jedoch nicht. Warum das Geschäft von Elnain u. Comp. in Frankfurt am Main, welches das Liebaut’sche Mittel verschleißt, angab, es sei dort unbekannt, wo Liebaut wohne, wissen wir nicht; wir werden uns übrigens noch näher in dieser Richtung erkundigen.“

Außerdem hat uns Herr Liebaut einen Brief geschrieben, in welchem er selbst erklärt: „Ich Dr. med. Liebaut, seit Jahrzehnten prakt. Arzt in Frankreich, Ex-Chefarzt des Hospitals zu St. Germain en Laye, seit 14 Jahren Ritter der Ehrenlegion, bin Begründer der Regenerationsmethode und Autor der betreffenden Broschüre.“

Der Werth der sogenannten „Regenerationscur“, welche weder in Deutschland noch in Frankreich in wissenschaftlichen Kreisen bekannt ist, wird durch diese Eröffnung selbstverständlich kein höherer und wir können nur wiederholt auf die obenerwähnte Erklärung des Ortsgesundheitsrathes in Karlsruhe hinweisen, welche auf Grund einer gewissenhaften Prüfung des Liebaut’schen „Heilmittels“ besagt, daß dasselbe lediglich aus einem wässerigen, mit Zucker versetzten Auszuge verschiedener Pflanzenstoffe bestehe, welcher die angepriesenen Wirkungen in keiner Weise besitze.

In dieser Angelegenheit erhielten wir außerdem vor Kurzem eine Zuschrift, die wir im Nachstehenden wörtlich abdrucken. Ihr Inhalt bedarf keiner weiteren Erläuterung:

Der Reclamenmacher für die Liebaut’sche Regenerationscur hat einen schandbaren Streich an mir verübt, der geeignet ist, bei Denen, die mich nicht weiter kennen, meinen guten Namen anzutasten! In Hoffnung darauf, daß ich als Secretär des Hamburger Thierschutzvereins im In- und Auslande sehr bekannt bin und Vertrauen genieße, er also eine Persönlichkeit wie mich brauchen könne, hat derselbe folgenden Brief fabricirt:

,(Aus Hamburg.) Geehrter Herr! Mit Gegenwärtigem erlaube ich mir, Ihnen den Erfolg mitzutheilen, welchen bei mir die Befolgung der vorzüglichen Rathschläge des Herrn Dr. med. Liebaut, Ritter der Ehrenlegion, niedergelegt in seinem Buche ,Die Regenerationscur‘, bewirkten, und bitte ich Sie im Interesse aller mit gleichen Leiden Behafteten, das Nachfolgende so weit als möglich bekannt zu geben und bin ich zu jeder Auskunft gern bereit. Seit etwa drei Jahren stellte sich in Folge einer starken Erkältung und Vernachlässigung ein chronischer Magenkatarrh ein, den zu beseitigen mir unmöglich schien. Nach Versuch aller Mittel entnahm ich Ihrer Buchhandlung (die Broschüre ist in Hamburg bei Henschel und Müller’s Buchhandlung, Wexstraße 2, Altona: Buchhandlung von Kalmann u. Cie. à 50 Pf. erhältlich) das obengenannte Buch, durch dessen Rathschläge auch mir die vollständigste und schnellste Hülfe wurde. Mein Stuhlgang ist regelmäßig, der Magen verträgt sämmtliche Speisen, die Blähungen sind fast ganz beseitigt, sodaß ich nur wünschen kann, daß jedem Magenleidenden so rasche und gründliche Hülfe zu Theil werde. Ergebenst G. C. L. Behncke, Oberlehrer emer., Secretär des Hamburger Thierschutzvereins, gr. Lindenstraße Nr. 17, St. Georg.‘

und nicht nur in Hamburger, sondern auch in auswärtigen Tagesblättern denselben ohne mein Wissen und meinen Willen veröffentlichen lassen: wenigstens habe ich erfahren, daß er – außer hier in ‚Nachrichten‘, ‚Fremdenblatt‘ und ‚Reform‘ – auch im ‚Itzehoer Wochenblatt‘, ,Schwäbischen Merkur‘, ,Katholischen Wochenblatt‘ in Stuttgart und in der ‚Essen-Dortmunder Zeitung‘ dem Publicum mitgetheilt worden ist, was mir viele Belästigungen und Correspondenzen verursacht hat.

Ich habe den für mich Namenlosen bei der Hamburgischen Staats-Anwaltschaft verklagt und einen Strafantrag gestellt, da derselbe meinen Namen, meine bürgerliche Stellung und meine genaue Adresse gemißbraucht hat, um Reclame für eine Broschüre zu machen, die ich nie gefordert, nie gesehen, erfolgreiche Wirkung der Regenerationscur anzupreisen, die ich nie erfahren, mir Krankheiten anzudichten, die ich gottlob nie gehabt habe!

Ich habe diesen frechen Vorgang mehreren Hamburgischen Körperschaften und auch dem ärztlichen Verein angemeldet, und halte es für eine heilige Ehrenpflicht, auch Ihnen diesen schandbaren an mir verübten Streich zu unterbreiten, damit Sie zu Ihrem herrlichen Warnungsartikel in Nr. 7 der „Gartenlaube“ noch einen der Wahrheit gemäßen Beleg dazu dem Publicum geben können. Es bittet dringend darum

Ihr hochachtungsvoll ergebener
G. C. L. Behncke,
Oberlehrer emeritus, Secretär des Hamburger Thierschutzvereins.
Gr. Lindenstraße 17, St. Georg.“

Am Meer. (Mit Illustration S. 469.) Das Meer! – in seinem Schooß verbirgt’s „ein Labyrinth von Wundern“, die Mutter der Schönheit ist es, denn es gebar Aphroditen, und auch die schlanken schönen Nereïden, diese Nymphen des Salzwassers, sind seine Töchter. Die Tempel der Venus stehen als verödete Ruinen auf Klippen und Inseln, die Nereïden sind längst dahin, aber ihre Nachkommen leben noch heute: das sind die armen, am Strande, im Sande geborenen Fischermädchen, die in den kleinen braunen, schilfgedeckten Hütten längs der Küste des ligurisch- tyrrhenischen Meeres in Dürftigkeit und Armuth wohnen. Als barfüßige Strandläufer, ähnlich den Meervögeln, strecken sie die braunen Hände bettelnd gegen die heranrollenden Wogen aus und warten, bis die uralte strenge Stiefgroßmutter ihnen ein Almosen in Gestalt eines kleinen Weißfisches, einer Krabbe, eines See-Igels oder Schalthieres zuwirft, das sie mit geübten Fingern aus dem algenbedeckten Klippengestein herausklauben, während die rauhen Väter, die kecken Brüder in Böten und Barken mit Netzen und Reusen dieses sich zu erzwingen wissen.

Sie sind arm, diese Mädchen, denn die alten Schätze, die auf dem Boden des Meeres ruhen, die Horte, die man einst in dieses versenkt, „die Truhen, die durch das blaue Wasser blitzen“, wirft keine wohlwollende Welle ihnen in den Schooß. Diese Herrlichkeiten sehen sie nur in den Augen der Alten blitzen, wenn diese ihre verschollenen Märchen erzählt – Märchen aus der Zeit, da die Völker der ligurischen Küste, die Herren von Porto Maurizio, Oneglia, Alassio, Albenga, Savona, Sestri, Genua und Spezia, noch vornehm und reich waren und an Stelle der heutigen morschen Fischerbarken stolze Dreimaster auf das Meer setzten, geführt von weltenentdeckenden Capitainen; denn auch Columbus ist ein Kind dieser Küste.

Damals kleideten sie sich in Seide und trugen echten Goldschmuck in den Ohren, heute umflattert ihre Glieder der dünne, bald verschossene Kattun. Sind sie aber auch schön? Der Dichter möchte es uns glauben machen. Wir Alle haben seine Lieder im Concert gehört oder selbst zu Hause gesungen, die bekannten Lieder: „Wir saßen am Fischerhause“, „Das Meer erglänzte weit hinaus“, „Du schönes Fischermädchen“, „Sternlos und kalt ist die Nacht“, in welch letzterem „die wunderschöne Fischertochter“ am Heerde sitzt, knisterndes Reisig in’s Feuer schüttet und hineinbläst, daß die flackernd rothen Lichter das „blühende Antlitz“ überstrahlen und die zarte weiße Schulter,

„Die rührend hervorlauscht
Aus dem groben, grauen Hemd –“

Heinrich Heine ist es, der mit dem Auge des Poeten die Dinge anschaut, oder durch das verklärende Fernrohr der Erinnerung. Solcher Anschauung entstammt auch sein Liedchen vom toscanischen Meere:

„Augen, sterblich schöne Sterne!
Also mag das Liedchen klingen,
Das ich weiland in Toscana
An dem Meere hörte singen.

Eine kleine Dirne sang es,
Die am Meere Netze flickte;
Sah mich an, bis ich die Lippen
An ihr rothes Mündchen drückte –“

In der Nähe besehen, gleicht diese Schönheit der des gutgebackenen Bauernbrodes: braun und derb, aber kräftig und gesund. Den Teint malte die mächtige Sonne der Riviera, die „nichts Weißes duldet“, keine Bleichsucht kennt; ihn festete und beizte der salzgesättigte Seewind, der Scirocco, die Tramontana, die für Schminke sorgen. Die Hände und Füße formte die harte Arbeit, und wenn diese, wie es der Rasse eigen, klein und zierlich sind, so sind sie doch auch hart und derb. Das Parfüm sodann, das die dürftigen Kleider durchhaucht, entstammt den Algen, dem Tange, dem Fische, dem geliebten Lauche, und der feine moschusduftende Herr Poet, der „seine Lippen an ihr rothes Mündchen drückt“, würde wohl zurückschrecken vor der beißenden Schärfe der gesalzenen Lippen. Aber auch er wäre der Dirne nicht willkommen, denn ihr Wunsch geht seit Jahrhunderten nach einem Schiffer, einem Fischer. Dies drücken ihre Lieder aus, von denen sie eine ganze Schiffsladung vorräthig hat.

„Heil’ge Katharina, laß dich bitten,
Gieb mir einen Fischer doch zum Mann!
Kehrt er Samstag Abends mir zurücke,
Ach, wie riecht er nach dem Meere dann!“

Oder der Gruß, den sie dem zu Meere gehenden Schiffer mitgiebt:

„Der du zu Meer fährst, Knabe, hör’ einmal,
Grüß’ mir den Fischer draußen, meinen Lieben!
Du kennst ihn nicht? O schau nur auf’s Signal,
Auf seinem Segel steht mein Herz geschrieben.“

So schlägt das kräftige Geschlecht nicht aus der Art. Und die Buben im Wasser? Das Volk hat ein Sprüchwort: Chi di gallina nasce, convien che razzoli, das heißt, wer von Hühnern stammt, muß scharren, oder, was ein Angelhaken werden will, krümmt sich bei Zeiten. W. Kaden. 


Fleißige Hände. (Illustration S. 464.) Das ist ein Bild für das Herz. Der Leser wird zum frohen Belauscher des reinsten Glücks, das dem Sterblichen beschieden ist: des Glücks des Seelenfriedens im stillen Fleiß. Ein Blick in die einfache Bauernstube erinnert uns sofort an das Lob, welches selbst der Böse Faust’s Gretchen spendet: „Nicht jedes Mädchen hält so rein.“ Der feste Eichentisch mit der großen Schublade und die Wandbänke sind ebenso Urvätermöbel, wie der Blumenstock und die Katze seit alter Zeit zum Bilde der Häuslichkeit des Landvolks gehören, und zwar nicht blos im Schwarzwald, wo unser Künstler sein Original gefunden, sondern in Deutschland allenthalben. – Der schönste Schmuck der Stube ist aber das Mädchen in seiner einfachen, ruhigen Thätigkeit.

Zufrieden folgt ihr Auge jeder Bewegung der emsigen Hand, und wie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_471.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2024)