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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Blätter und Blüthen.


Das Leipziger Rosenthal. (Illustrationen S. 484 und 485.) Zu den Sehenswürdigkeiten seiner Stadt zählt der Leipziger einen großen Waldpark, genannt, „das Rosenthal“.

Den Bewohnern der Gebirgsländer, ja selbst schon denen, welche sich des Besitzes von bescheidenen Hügeln und Thälern erfreuen, fällt es schwer, sich die weiten ebenen Strecken des deutschen Nordens anders als erschreckend langweilig und trostlos vorzustellen. Und wo die liebe Mutter Natur bei der Vertheilung ihrer Gaben gar zu eilig vorüberlief und den Menschen die Freude vergällte, durch Arbeiten seines Geistes und seiner Hand den sichtlichen Mangel zu verdecken, da hat der glücklichere Gebirgler auch Recht. Anders aber ist’s da, wo die Natur selbst den Ausgleich bot und der Mensch wacker nachhalf.

Der Schmuck der Ebene sind die drei W: Wald, Wiese und Wasser. Was der geschickte Landschaftsgärtner aus einer Ebene herzustellen vermag, wo ihm diese drei Naturschätze zur Verfügung stehen, ist in mancher Gegend, die man einst als des heiligen römischen Reichs Streusandbüchse bedauerte und belächelte, längst offenbar geworden und erregt die Bewunderung der stolzesten Hochgebirgsmenschen. Und wenn die Großartigkeit von Berg und Fels und Schlucht durch Nichts in der Ebene ersetzt werden kann, so vermag sie doch durch die Pracht ihrer Wälder, die klaren und ruhigen Spiegel ihrer Flüsse und Seen und die, den schmucksten Thälern gleich, die Wälder durchziehenden Wiesenflächen an Lieblichkeit und Anmuth sehr Hohes zu leisten und dem Auge darzubieten. Auch der weite, unbeschränkte Himmelsdom ist ein Vorzug der Ebene; gewährt er doch den besonderen Reiz, daß die Wolken uns oft die herrlichsten Hochgebirgsbilder an dem Horizont des Abendhimmels vorzaubern.

Ein Werk dieser glücklichen Landschaftsgärtnerei ist auch das Leipziger Rosenthal, und es hat, wie Alles, was der Mensch in seinen Besitz genommen, auch seine Geschichte. Schon im Jahre 1318 wird das „Rosinthal“ genannt; es bestand aus Aeckern, Gehölz und einer „langen Wiese“, die zu dem Dorfe Pfaffendorf gehörten, das längst untergegangen ist und an welches nur noch ein Oekonomiegut erinnert und der Name einer Straße Leipzigs.

In den Besitz der Stadt kam das Rosenthal erst im Jahre 1663. Schon damals war es ein Lieblingsaufenthalt der Leipziger, denn alte Schriften erzählen uns, „daß in diesem Forste zur Sommerszeit manche Spazierfahrt Ergötzlichkeit halber angestellt wurde, weil selbiger der Stadt sehr nahe läge und man durch ihn bis Gohlis meistentheils im Schatten gehen, oder auch nach Gelegenheit auf dem Wasser fahren könnte.“

Der Park von heute ist ein Werk des 18. Jahrhunderts. Die erste Anregung dazu gab König August der Starke, auf dessen Andeutung Wege durch das Gehölz angelegt und durch Abholzungen nach verschiedenen Richtungen Fernsichten erzielt wurden. Die Vollendung des großen Waldparks kam in die beste Hand: der Schöpfer der Leipziger Promenaden, Bürgermeister und Kriegsrath Müller, vollendete sie. Auch an einem Curiosum mangelt es unserem Lustpark nicht. Im Jahre 1749 erbaute, natürlich mit obrigkeitlicher Erlaubniß, ein alter Sonderling, der Mathematikus und Arzt Dr. Friedrich August Sandel, auf der großen Wiese des Rosenthales sich einen hölzernen Thurm, in welchem derselbe astronomische Studien trieb. In einen langen grauen Rock gekleidet, brachte er die Nächte dort zu und wurde allmählich zu einer so unheimlichen Erscheinung, daß er namentlich in den Köpfen der Fischer, denen er wohl bei ihrer Arbeit in der Elster und Pleiße im Leben manchen Schabernack gespielt, noch lange nach seinem Tode als graues Gespenst umging. Es ist noch kein halbes Jahrhundert her, seitdem der alte Sandel nicht mehr spukt.

Eine andere „wunderbare Erscheinung im Leipziger Rosenthal“ – den Tod des berüchtigten Schrepfer – haben wir unseren Lesern im Jahrgang 1874, S. 662 erzählt.

Unternehmen wir nun, Dotzauer’s Illustrationen in der Hand, einen Spaziergang zu den Stellen des Rosenthals, die wir in denselben vor uns haben! Wir beginnen zur Linken und verfolgen die Bilderreihe nach rechts hin.

Das erste Bild führt uns bei Mondenschein an das Ufer der Elster, welche die linke (westliche) Seite des Rosenthals begrenzt; nach Nordosten und Norden wird es von der Pleiße umschlossen.

Im nächsten Bilde begrüßen wir „Leipzigs gottesfürchtigen Dichter in seinem Lieblingshain“. (Vergl. „Gartenlaube“ 1865, S. 171.) Der alte Gellert steht vor uns, sowie er einst täglich im Rosenthal zu lustwandeln pflegte, für diesen Fall jedoch vom Meister Hermann Knauer im Festgewand dargestellt, wie sich dies nicht anders geziemte. Auf einem hohen Postament von Rochlitzer Porphyr erhebt sich das weiße Marmorstandbild und gewährt mit dem frischen grünen Hintergrund einen wohlthuenden Anblick. Bekanntlich hatte der alte Gellert damals allein die Erlaubniß, im Rosenthal spazieren reiten zu dürfen; Knauer hat jedoch für sein Denkmal von dieser Auszeichnung des Dichters keinen Gebrauch machen können.

Hier erwähnen wir gleich ein zweites Denkmal, welches auf unserer Illustration keinen Raum gefunden: dasjenige Karl Friedrich Zöllner’s, des Liedercomponisten und Gesangvereinsgründers, der, am 17. März 1800 geboren, am 25. September 1860 gestorben ist, und dem zu Ehren seit 1861 der größte Verein von Leipziger Liedertafeln sich „Zöllnerbund“ nennt.

Das dritte Bild der obersten Reihe stellt eine Partie von dem hinteren (sogenannten „wilden“) Rosenthale dar. Auf der Ruhebank unter einer alten Eiche ist der Blick nach Wahren und Möckern hin frei, der berühmten Schlachtfeldstätte, auf welcher am 16. October 1813 Blücher mit den Preußen über die Franzosen unter Marmont siegte.

Im vierten Bilde wandeln wir auf dem dammartigen Hauptwege nach Gohlis. Das Mittelbild stellt die schon genannte „große Wiese“ dar, die von einem Weiher belebt und von dem Kranze des Eichenwaldes umgeben ist, in welchem die Lustwege sich hinziehen. Im Hintergrund sehen wir die Eingangspforte zum Park und den Thurm der St. Matthäi-Kirche. Einen überraschenderen Anblick gewährt vom Eingangsthore selbst diese Wiese mit dem prächtigen Waldhintergrund. – Das sechste Bild zeigt uns eine der Waldlichtungen, und das achte (wieder links unten) eine andere mit dem Durchblick bis zum Gohliser Schlosse. Hier mag Friedrich Schiller, während er (1785) in dem bescheidenen Häuschen in Gohlis wohnte, wohl oft, mit seinem „Don Carlos“ in Kopf und Herzen, geweilt haben.

Im ersten der unteren drei Mittelbildchen führt ein Dammweg von der Leipziger Waldstraße zur Restauration „Moritzburg“. Unter der alten Eiche im Rundbildchen ist ein ernster Ruheplatz für Alle, welchen ein Kämpfer in unserem „letzten Krieg um den Rhein“ – im Siegerheimzug fehlte. Der Blick von hier ruht auf der Friedenseiche, welche „Ihren in den Siegeskämpfen 1870–1871 gefallenen Söhnen die Stadt Leipzig“ hier gepflanzt hat. (Vergl. „Gartenlaube“ 1871, S. 741.) Neben diesem Bildchen hat der schönste Baum der großen Wiese, eine alte frische Eiche, Platz gefunden. Im letzten Bild tritt uns eine Partie des „wilden Rosenthals“ vor Augen. Zeichnete sich dasselbe durch einen besonderen Reichthum an wilden Rosen aus, so gäbe dies eine Erklärung für den Namen „Rosenthal“, dessen Ursprung aber jetzt in seinem Dunkel verharrt. – Die gesellschaftlichen Anziehungspunkte dieses Waldparks sind „Bonorand’s Kaffeehaus“, das „Schweizerhäuschen Kintschy’s“ und neuerdings auch „Ernst Pinkert’s Zoologischer Garten“, der mit dem Rosenthal nunmehr in Zusammenhang gebracht ist. Diese drei Vergnügungs- und Unterhaltungsanstalten werden, wie bisher allen anderen Festgästen Leipzigs, so auch den „Schützengästen“ nicht unbekannt bleiben. Fr. Hfm. 


Der erste Gang in den Kindergarten. (Illustration S. 477.) Ein erster Gang ist für keinen Menschen gleichgültig, in welchem Alter derselbe ihn auch ausführen muß, und jeder erste Gang behält seine Aehnlichkeit mit dem ersten Schrittchen des Kindes: zagend wird es gewagt, und gelingt es, welcher Jubel!

Wer erinnert sich nicht seines ersten Ganges in die Schule? Da muß Allen Muth eingeredet werden, denn die Scheu vor dem Neuen, Ungewöhnlichen, die Angst, zum ersten Male nicht im Schutze der Mutter, sondern, aus dem Elternhause fortgeführt, zwischen anderen fremden Kindern und vor einem fremden Mann und in einem fremden Raum zu sein, – dieses Gefühl der Bangigkeit ist in allen Kinderherzen das gleiche.

In die Kleinkinderschulen und in die Kindergärten kommen die Kinder noch im Alter größerer Unbefangenheit, wie dies auf unserem Bilde auch der Künstler betont hat. Der Knabe zur äußersten Rechten schaut ziemlich keck um sich, das Mädchen zu den Füßen des alten Mannes auf der Linken des Bildes, offenbar des Großvaters, hält harmlos ihre Puppe und zeigt ihrem Gegenüber den geschenkt erhaltenen Ball oder Apfel, ja, der vor dem Fenster stehenden freundlichen Schwester küßt sogar eine der kleinen künftigen Schülerinnen schon ganz vertraulich die Hand! Freilich fehlt es auch an einigen recht zaghaften Gestalten nicht, die jedoch in der Minderzahl sind.

Die Kleinkinderschulen verdanken bekanntlich ihre Entstehung der Sorge für die armen Kleinen, deren Eltern den ganzen Tag der Arbeit nachgehen und ihre Kinder sich selbst überlassen müssen. Das rief in Holland die „Spielschulen“ in’s Leben, die, von Pestalozzi empfohlen und von Oberlin und der Fürstin Pauline von Lippe-Detmold sowie von Robert Owen in England weiter ausgebildet, rasch in Deutschland weite Verbreitung fanden. Ihrer nahmen sich auch die Diaconissinnen in der evangelischen und die weiblichen Orden in der katholischen Kirche an, und beide leisteten auf diesem Gebiete viel Segenbringendes, namentlich, da sie ihre Thätigkeit nicht auf die Städte beschränkten, sondern auch auf ländliche Bezirke ausdehnten. Erst später traten mit ihnen auch die Fröbel’schen Kindergärten in Verbindung.


Leicht entbehrlich. An der Hoftafel Kaiser Joseph’s II. war einst die Rede von einer bevorstehenden Gesandtschaft an den Sultan, die dem Beherrscher der Gläubigen eine nothwendige, aber bedeutungslose Mission zu überbringen hatte; der Kaiser äußerte bei dieser Gelegenheit, daß es ihm schwer falle, den passenden Gesandten für diesen Zweck zu erlesen.

„Warum schicken Euer Majestät nicht den Marquis L* nach Constantinopel?“ meinte ein junger, angehender Diplomat vorlaut; „das ist doch ein geistreicher Cavalier, der den Sultan unterhalten wird.“

„Lieber Graf,“ meinte Joseph lächelnd, „die geistreichen Leute brauche ich selber nothwendig, da ihrer leider so wenig vorhanden; aber wißt Ihr, lieber Freund, – da ich Euch hier weit eher entbehren kann, als den Marquis, so mögt Ihr die Botschaft an den Großherrn in Gottes Namen übernehmen.“ H. H. 


Die Kunst Geld zu machen lautet der Titel eines Artikels, der im Jahrgang 1883, Nr. 50 und 51 unseres Blattes erschien und in dem ein von dem berühmten Reclamenmacher P. T. Barnum verfaßtes gleichnamiges Büchlein besprochen wurde. Es dürfte viele unserer Leser interessiren, daß unser Mitarbeiter Leopold Katscher diese „nützlichen Winke und beherzigenswerthen Rathschläge“ Barnum’s in’s Deutsche übertragen hat. Die Broschüre ist im Verlage von Elwin Staude in Berlin erschienen.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_487.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)