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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Er ging zunächst, um sich und seine 62 Gesellen, „gute Reisige von Adel“, mit einem tüchtigen Reitermahl zu stärken, zum Pfleger Oswald Schönbichler und sprach:

„Lieber Gesell Oswald, thu so wohl und gib mir und den Meinigen zu essen. Denn ich habe wahrlich nicht mehr, als drei Gulden und mein Schwert mit Silber beschlagen. Glaub gewis, daß ich Dir solches vergelten will, als fromm ich ein Fürst von Bayern bin.“

Als die Herzen gestärkt waren, stiegen die Herren zu Pferde und ritten gen Weihenstephan; der Herzog setzte sich auf die Kirchhofsmauer und spähte nach dem Abensberger aus, der auch nicht lange auf sich warten ließ. Beim Abschied in München hatte ihm Herzog Albrecht gesagt:

„Fürcht’ Euch, mein Bruder Christoph ist im Lande, wir wissen aber nicht wo; wenn ihr Uns folgen wollt, so wollen Wir euch 30 Pferde mitgeben, daß ihr also sicherer heim kommt.“

Darauf erwiderte Der von Abensberg:

„Gnädiger Herr, da ist weder bei mir noch bei den Meinigen eine Forcht. Sondern frag Euer Gnaden nur, ob Ihr Euren Bruder Tod oder Lewendig haben wollt, wenn er auf uns stoßt?“

Der Herzog sagte:

„Lieber Herr von Abensberg, nicht Tod, sondern Lewendig.“

Diese Unterredung erfuhr der Harrende auf der Kirchhofmauer von einem vorausgerittenen Späher, und seine Augen flammten vor Zorn. Er rief seine Leute zusammen und hielt eine Anrede, worin er mit heftigen Worten den Abensberger, Rohrbecker und Bogner anklagte, „daß sie ihren natürlichen Herrn und Fürsten von Bayern wider Gott, Ehr und Recht zu München im Baad gefangen und Unsern Bruder, Herzog Albrecht, dahin gebracht, daß derselbe Unsere zugetheilte Erbschaft, die Stadt Landsberg eingenommen, auch sonst große Uneinigkeit zwischen uns angerichtet haben.“ Wer zu ihm stehen wolle, möge thun, wie er. Damit brach er einen Eichenzweig und steckte ihn auf die Sturmhaube.

Die Andern desgleichen. Nur ein Bedächtiger wagte zu sagen: „Gnädiger Fürst und Herr, Euer Gnaden werden uns arme Gesellen auf diesen Tag verführen.“

„Lieber Suntheimer,“ erwiderte der Herzog, „wenn Du Dich förchtest und das Herz, einem frommen Fürsten zu helfen, nit hast, so reite hinweg und bist mir lieber weit von mir, als nahe bei mir.“

Das ging dem Suntheimer doch wider die Ehre, er steckte also auch seinen Eichenzweig an.

Nun wurde der Zug sichtbar. Christoph ordnete die Seinigen, führte sie in gestrecktem Rosseslauf gegen die Anrückenden „und traffen die Armprost-Schützen so gut, daß viel Geul und Reiter wund wurden und des Abensberger’s Zug aus der Ordnung in die Flucht kam.“ Herzog Christoph stach die Herren von Bogner und Rohrbeck von den Pferden, den von Abensberg hatte der Herr von Diessen, und zwar noch lebend auf den Grund geworfen, er gedachte ihn auch zu schonen, wenigstens bis der Herzog, der die Flüchtigen verfolgte, wieder zur Stelle sei, da kam aber Seitz von Frauenburg, der von solchem Vornehmen nichts wußte, und stach ohne Weiteres den Abensberger „von Unten zu Tode.“

„Indem kam der Herzog Christoph wieder zur Wahlstatt: Und als er seine drey Feinde miteinander auf dem Grund Tod gesehen, hat er seine Hände gen Himmel gestreckt und gesagt: Wir wollten, daß allen Falschen des Adels und sonst, welche durch ungetreuen Rath die Fürsten gegen einander aufbringen also geschehen sollte!“

Was Herzog Albrecht seinerseits über diesen Ausgang der Sache empfand, berichtet uns der Chronist nicht, sondern er sieht den Finger Gottes darin, daß gerade die drei da fielen „so cristoffen in Vangnuß namben.“ Albrecht besetzte als Landesherr die erledigten Schlösser des „letzten Abensberger’s“ und nun, nachdem Christoph’s Rache gekühlt war, schlossen sie ein dauerndes Einvernehmen, das endlich, nach siebenzehnjährigem Kampf, Albrecht zum Alleinherrscher machte. Christoph aber „und seine Gesellen beichteten darnach am Auffahrtstag (Christi Himmelfahrt) auf dem heiligen Berg Andechs und empfingen das Sakrament und wurden von allen Todtschlägen geabsolvirt.“ Die Erschlagenen erhielten ein ritterliches Begräbniß und reichliche Seelenmessen unter vielem Volkszulauf, und somit war der Handel für die öffentliche Meinung damaliger Zeit befriedigend erledigt.

Christoph aber hielt es wieder nicht auf seinen Schlössern aus. Das deutsche Wanderblut und der Abenteuersinn jener Zeit, der auch ohne genaue Karten auf den Weltstraßen merkwürdig gut Bescheid wußte, zog ihn zu neuen Fahrten, durch welche er dem bedrängten Maximilian I. Hülfe brachte, und endlich nach dem Ziel seiner gläubigen Sehnsucht, nach Jerusalem. Ein frommer Christ war Christoph immer gewesen, der alle möglichen Kirchen bauen half, nun zog er als Pilger in Gesellschaft mehrerer deutschen Fürsten von der palästinischen Küste landeinwärts. Sein erhaltenes Tagebuch giebt eine Menge höchst charakteristischer Aufzeichnungen. Einige davon mögen hier stehen:

„25. Juni. Item hab ich einem Arabierherzog oder Schekh ein lang stuck scharlachseiden geben, deß war er überaus froh und ein trefflichen Dolch dafür, daß er uns den nechsten Weg gewiesen hatt. Und was der Schekh ein hübsch, tapferlich sehender mann, schier eines helden anblick und woll wert, daß er zum wahren glauben bekehrt wurd. Davon wollt er nichts wissen.

Nachher zu Fuß pilgremt und ließen etlich arminianisch Bischöf auf das kameelthier sitzen, so ihre eselein fast trutzig waren und keine last tragen wöllten.

Item ist die Gegend jäh Gebirg und von einer höh ist woll zu sehen bis Jerusalem.

Und da wir die hochheilig stadt im angesicht hatten, was fast große rührung in jedwedem, als daß wir niederknieten und des danks voll waren. Vnd kunnt ich des keinem beschreiben wie mir zu muth war, vor so viel gnad Gottes, daß ich dies erschauen durfft . . .

27. Juni. Vnd es heißt die erste pforten in der stattmauer von Jerusalem Ephraims. Dahin ließen sie uns nicht, weil wir christenleut wären: Selb schuf mir viel letz und grämte mich bitterlich. Daß ich denn von herzen gern mein gewalt erzeigt hett. Weil ich aber ein demütiger pilgrem und unser Herr viel größeres erlitten, wollt ichs woll in demut tragen.

O hett ich etliche zehen ritter meiner krafft und ein mittler kriegsheer, also möcht ich woll allen künftigen pilgersleut solche schmach benehmen und dem türkischen bluthund eine harte Nuß zu beißen geben, daß er ersticket.“

In tiefer Andacht besucht dann der Herzog alle heiligen Stätten und berührt mit Hand und Mund die Steine, wo der gebenedeite Fuß des Erlösers gewandelt. Dann rüsten die Genossen zur Heimfahrt und hier, des Pilger-Gelübdes entledigt, findet unser Herzog endlich Gelegenheit, dem Drang seines Herzens Luft zu machen und die schweren Schläge wirklich auszutheilen, die er den Türken in Jerusalem so oft in Gedanken aufmaß. Herzog Friedrich von Sachsen marschirte der kleinen Karawane etwas unvorsichtig voraus und wurde von einem Haufen Beduinen angegriffen. Christoph spornte auf das Hülfsgeschrei sein Roß, fiel wie ein Wetterstrahl in die Feinde, hieb die zwei nächsten in der Mitte entzwei, packte, würgte, stieß und schlug dermaßen in lang angesammelter Wuth, daß die entsetzte Feindesschaar aus einander stob, zwölf noch von dreißig. Die Andern rührten sich nimmer. „Wie mir meines schwähers sohn dankt sag ich zu Ime: das verflucht Türkenvolk hatt woll vermeint, ich wollt es halten heimwärts, wie auf der Hinfahrt und Pilgramschaft!“

„Ueber das gefecht und hin und her was mir großer Durst ankommen, daß ich mich an der Cisterne niederkniet und in mein sturmhaub wasser schöpf und trinks begierig. Da ich das gethan, überzog mich ein großer Frost und was um das Herz gar beklommen, daß ich schier vermeinte, ich hätt den Tod getrunken und es wär aus mit mir. Da ist mir nun doch wieder anscheinend besser zu mut worden . . .“

Er hatte sich den Tod getrunken. Bis Rhodus kamen sie noch, dort, in den Armen des Johanniter-Großmeisters gab der Herzog als standhafter Ritter und fromwer Christ seinen Geist auf, seine Gebeine ruhen bis heute auf der Insel.

Sein Schwert aber kam nach München zurück und dient noch heute bei der Cerewonie des alljährlichen Georgi-Ritterfestes.

Wer wehr erfahren will, der nehme Franz Trautmann’s höchst anziehendes Buch: „Die Abenteuer des Herzogs Christoph von Baiern“ zur Hand, dort findet er neben einer Menge urkundlicher Belege, welchen die vorstehenden Notizen zum großen Theil entnommen sind, ein poetisch und patriotisch gezeichnetes Bild des starken Herzogs, auf dem sehr ansprechenden Hintergrund des alten München, seiner Denkmäler und Wahrzeichen.
R. Artaria.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_495.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)