Seite:Die Gartenlaube (1884) 518.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Die Flottenmanöver in der Danziger Bucht.

(Mit Illustrationen von Hans Petersen.)

Unsere Marine hat sich daran gewöhnt, allsommerlich für ihre Kriegsübungen die Danziger Bucht als ihr bevorzugtes Terrain zu wählen. Freilich mögen militärische Erwägungen in erster Reihe bestimmend hierfür sein; denn die malerische Strandgliederung der Bucht umschließt mit der frischen Nehrung ein ruhiges und gesichertes Seebecken, und ihre Küste selbst ist hervorragend zur Ausführung von Landungsmänövern geeignet, welche im Programme der Sommercampagne unserer Marine in letzter Zeit eine sehr bevorzugte Rolle spielen. Die alte Hansestadt Danzig aber faßt die alljährliche Wiederkehr der Flotte gern als selbstverständliche Forderung auf, denn an den Ufern der Weichsel wurzelt die gegenwärtige Größe unserer Seemacht am tiefsten, und nirgends sind die Sympathien für das vaterländische Seekriegswesen so große und aufrichtige, als bei den Bewohnern der altehrwürdigen Weichselstadt.

In größerer Stärke und zahlreicher an Masten denn je war die deutsche Flotte in diesem Jahre auf ihrem Ankerplatze erschienen. Die untenstehende Skizze zeigt die lange Front, in welcher die Flotte vor dem Seebade Zoppot ankerte. Wir sehen auf dem linken Flügel die Schulschiffe mit den Torpedobooten, die Mitte vom Prinzenschiffe „Hansa“ in der Begleitung der Corvette „Sophie“ eingenommen, und sodann nach dem rechten Flügel zu die formidablen Gruppen der beiden anderen Geschwaderdivisionen, die Panzerkanonenboote und Panzercorvetten, sich trotzig ausbreiten.

Der Chef der Admiralität hatte mit großer Suite im Curhause Wohnung genommen, während die Prinzen die Salons der „Hansa“ als dauernden Wohnsitz behielten. Alle Befehle wurden der Flotte von dem Marineminister von Caprivi durch eine Signalstation ertheilt, die am Strande vor dem Curhause etablirt war. Die Befehle der Signalstation richteten sich zumeist an das Flaggschiff des Panzergeschwaders, und von diesem wurden dieselben, sofern sie noch für andere Schiffe maßgebend waren, weiter signalisirt.

Von der ganzen Flotte nahm das größte Interesse des Publicums dauernd die Gruppe der Panzercorvetten in Anspruch; wenn die Schiffe zum Abend von den Uebungsfahrten auf ihren Ankerplatz zurückkehrten, waren diese gewaltigsten Panzer unserer Marine das beliebteste Ziel der zahllosen Besucher, die alltäglich in Schaaren vom Zoppoter Steg oder auf ganzen Flotten von Weichseldampfern aus der Stadt zum Besuche in See aufbrachen. Im tiefschwarzen Gewand, die muskulösen Glieder von einem gewaltigen Panzer im Mittelschiff bedeckt, ruhten die wehrhaften Fahrzeuge schwer und trotzig zwischen den anderen Schiffen, ohne daß sich aus dem massigen Rumpf spielend die pyramidale Takelung eines dreigetheilten Mastenbaues erhob und die schneeige Fülle einer reichen Segellage entfaltete, die selbst einem Kriegsschiffe etwas Anmuthiges und Zierliches zu leihen vermag. Nur wenig aus dem Wasser ragend, aber um den großen mit vier 26 Centimeter-Ringgeschützen schwer gerüsteten Mittelthurm und die vier gewaltigen Schlote ein Gewirr von Platten und Ketten als mächtigen Schutz häufend, glichen diese Corvetten mehr schwimmenden Citadellen, und in ihrem finsteren und starren Angesicht schien sich nur ein Sinn für Kampf und Vernichtung auszuprägen.

Eine Skizze unseres Specialzeichners stellt das Flaggschiff des Geschwaders, eines dieser vier mächtigen Schwesterschiffe, die Corvette „Baden“ dar, auf welcher der Chef des Geschwaders, Contre-Admiral Graf von Monts, die Flotte befehligte. Als Zeichen dieser besonderen Würde führte die „Baden“ im Top ihres Signalmastes die Flagge des Chefs. Aber auch die kleineren Fahrzeuge, wie die Brigg der Schiffsjungen, die Torpedoboote und die für den Kampf auf geringe Entfernung bestimmten, im Mars der Kriegsschiffe aufgestellten Revolvergeschütze (vergl. unsere Anfangsvignette) nahmen das allgemeine Interesse lebhaft in Anspruch.

Von dem Programm der Uebungen war besonders ein großes und breit angelegtes Landungsmanöver, für welches die Zoppot benachbarten Höhen von Steinberg und Arhöft nebst dem zwischen ihnen liegenden Strandthale mit dem Dörfchen Gdingen als Gefechtsterrain gewählt wurden, dazu geeignet, ganz Danzig und eine weite Umgebung in Alarm zu bringen.

Eine diesem Manöver zu Grunde gelegte Gefechtsidee hatte angenommen, daß Danzig von einer feindlichen Armee cernirt war und daß der Feind auch bereits den Hafen Neufahrwasser mit zwei Schiffen besetzt hielt. Bei Hela, auf der gegenüberliegenden Landspitze, war zur Observation von ihm ein Avisoschiff postirt worden. Um einen Transport von Ersatztruppen zu landen, welche einen Vorstoß gegen die Belagerungsarmee unternehmen sollten, war eine Flotte deutscher Schiffe gegen die Danziger Bucht vorgerückt. Diese Flotte war von dem postirten Avisoschiffe so rechtzeitig gemeldet worden, daß der Feind Zeit genug behalten hatte, eine Infanteriebrigade nebst einer Avantgarde nach dem drei Meilen unterhalb Danzig belegenen Strande von Gdingen zu dirigiren und diesen besetzt zu halten, als die Flotte in Staffelformation gegen die Küste herangedampft war und das Feuer auf 800 Meter Distance Morgens um neun Uhr eröffnete. Es war ein prächtiger Tag. Die Bucht prangte unter dem sonnigen Himmel wie ein lachendes Bild. Von den Höhen des Ufers verband sich das dunkle Grün der Waldungen mit dem goldenen Fruchtsegen der Saatfelder zum wohlthuendsten Contraste, und während die grünen Wogen in der blendenden Einfassung des Strandes flutheten, grüßten die weißen Façaden der Villen freundlich aus dem Blüthenflor herüber, der aus hundert Gärten zum Meere quoll.

Auf der Rhede von Zoppot.

Das Signal „Klar zum Gefecht“ war vom Flaggschiff gegeben und mit Trompete und Trommel zum Zeichen des Verständnisses auf allen Schiffen wiederholt worden. Die Verdecke hatten auf Momente ein Durcheinander von Regsamkeit gezeigt, aber eine waffenblitzende Gefechtsbereitschaft war daraus überall ebenso schnell entstanden. Die Geschütze waren ausgerannt, alle Waffen an Deck und die Munition in die Batterien gemannt. Ein Theil der Mannschaften hatte mit aufgestreiften Aermeln die Nummern an den Geschützen eingenommen, ein anderer wurde mit feldmarschmäßiger Ausrüstung auf Oberdeck zu den Expeditionscorps abgetheilt, welche sich in die Boote zur Landung einschiffen sollten. Die ganze Flotte war inzwischen im großen Halbkreise vor Anker gegangen und hatte die Kanonade auf den Strand nachdrücklich fortgesetzt. Es war gelungen, den Feind zur Retraite aus seinen Stellungen am Strande zu zwingen.

Am Maste des Flaggschiffes entfaltete sich zum Signal ein neues Flaggenspiel. Eine fieberhafte Thätigkeit begann sich von Neuem auf allen Schiffen zu regen. Unaufhörliche Signale mit Flaggen und Sirenen wechselten jetzt mit Commandos und Befehlen ab. Wie mit einem Zauberschlage entstand jedoch aus diesem abermaligen Durcheinander hurtigen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_518.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)