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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Hantirens Tausender von nervigen Arnlen aus der leicht bewegten Meeresstäche zu Seiten der verankerten Schiffsfront plötzlich eine geordnete lange Linie von Booten, die, nlit Besatzungen, Ge- schützen und Handwasten gefüllt, sich mit weitausgreifenden Ruder- schlügen ullter Deckung der uuaufhörlich feuerudell Schistsbatterien schnell dem Strallde näherte. Die Boote wnrden mit elnigen letzten krüstlcheil Rnderschlügen allf den Sand gerlldert, die Masten als Lanshrücken benützt, die Landungsgeschütze üder Plallkell an Land gemannt, Fangleinell wnrden ansgeschrrert rlnd all diese die Boote festgelegt.

Schiffsjungenbrigg.

Die Aufnahme unseres Zeichners, der in einer Gig der „Grille“ den Booten an Land gefolgt war, veranschaulicht diesen Moment des Gefechts. Die Bootsbesatzungen traten schiffsweise zusammen und ordneten sich schnell zum Gros und zur Avantgarde, während das Sanitätspersonal unter Leitung des Chefarztes einen Verbandsplatz etablirte, das Rothe Kreuz darüber hißte und Krankenträger dem Expeditionscorps nachsandte.

Der Feind hatte in Folge des schweren Artillerie-Angriffs der Flotte, mit welchem die Küste unausgesetzt unter Feuer behalten wurde, seine Stellungen am Ufer bereits gänzlich geräumt und sich bis auf das Dorf Gdingen hinter starke Deckungen zurückziehen müssen. Hier aber erwartete er nun den Angriff des Landungscorps, welches im Eilschritt unter brütender Sonne durch das sandige Terrain sich zum Sturm anschickte. Das sich nunmehr entwickelnde hartnäckige Gefecht entschied sich nach langem Hin- und Herschwanken zu Gunsten der Angreifer; Gdingen wurde nach einer einstündigen braven Vertheidigung von den Matrosen mit hallenden Hurrahs genommen. Die Landung der imaginären Truppen mit Transportschiffen, welche im Gefolge der Flotte zu denken waren, zum Zweck eines Vormarsches gegen Danzig, und der Unterstützung eines gleichzeitigen Ausfalls der Besatzung, konnte damit als möglich und somit der Erfolg des Manövers als ein vollständiger betrachtet werden. Das an den schönsten Effecten reiche Kriegsspiel hatte ein mächtiges Spalier von Neugierigen heran gezogen, und es war für die Zuschauer ein prachtvolles Bild, wie die Uniformen der Seesoldaten gemischt mit den Blaujacken der Matrosen die steilen Hänge des Ufers erklommen, wie die Bootsgeschütze, von den kräftigen, wettergebräunten Seeleuten selbst gezogen, trotz Dünen und aller Uferhöhen mit unwiderstehlichen Kräften im Sturmlauf gefördert wurden, und hinter den vorgehenden Cameraden die Krankenträger mit Tragbahren und ihrem Verbandzeuge ihres Amtes walteten. Mit dem Admiralitätschef hatten sich die Prinzen Wilhelm und Heinrich von der Flotte an Land ausschiffen lassen, und Prinz Wilhelm nahm zum Schluß noch eine Parade, welche die Capelle des Geschwaders begleitete, über das ganze circa 2000 Mann starke Landungscorps auf dem Gefechtsfelde ab.

Dieses Landungsmanöver der Flotte blieb der Höhepunkt der kriegerischen Unternehmungen auf der Bucht.

Das Flaggschiff „Baden“.

Aus dem Programm der Manöver dürfte indessen noch manche andere Nummer besonders zu erwähnen sein. So z. B. eine Race aller Boote der Flotte auf der Rhede von Zoppot. Ein von den Schiffen geschlossenes Rechteck war der Schauplatz, wo die im häufigen Kampfe mit den Elementen erhärteten Männer im belustigenden Spiele ihre erprobten Eigenschaften verwertheten. Leider schloß sich diesem beliebten „Wettpullen“ nicht jener originelle Mummenschanz an, in welchem unsere Matrosen so gern sich mit der freien, sonst nur einem Kinde eigenthümlichen Lust ergehen, wie er vor mehreren Jahren einmal im Geschwader äußerst gelungen der Bootsragatta unserer Blaujacken zur anziehendsten Staffage diente. Da hatten der Südsee ferne Inseln ihre Völker hergesandt und selbst eine Cohorte von Kanaken, die nur kanakisch sprachen und schwatzten, zeigte ihre Künste. Fritz Käpernick lief als Scheuerprahm den Dauerlauf, Nudelmüller tummelte sich mit einer Schaar Delphine herum, auf deren größtem Neptun gravitätisch mit seinem Dreizacke thronte, und selbst ein Kameel schwamm mit einem Wüstenreiter trotzig in den Fluthen der Ostsee. Ein solches buntes Spiel, in welchem sich immer noch ein großer Rest des Altromantischen im Seemannsleben zeigen kann, fehlte zwar als hübscher Rahmen dem diesjährigen Sport; dennoch aber wurde allerseits die Race als ein gelungenes Fest der Flotte gefeiert. Leider blieb die Trauer um den Tod des holländischen Thronfolgers für die Prinzen ein Hinderungsgrund, sich an den Festllchkeiten zu betheiligen, welche das Seebad Zoppot zu Ehren der Flotte beabsichtigt hatte. So wurde am Lande nichts aus den vielen schönen Plänen, in welchen sich besonders die Damenwelt die Glanzpunkte der Flottenmanöver gedacht hatte, und so schwanden denn schließlich auch die Aussichten dafür, daß unter der Flagge Sr. Majestät das Achterdeck des Geschwaderflaggschiffs zu verlockenden Walzerklängen ein Kranz anmuthig zu schauender Menschenblumen schmücken würde. Dies blieb vielleicht der größte Kummer, denn trotz der stetigen Treibhaustemperatur soll das Sesam schöner Träume nach diesem Ziele das schöne Geschlecht von Zoppot schon wochenlang vorher in Alarm gehalten haben.

Schwimmende Scheibe.

Die letzten Tage der Manöver übten noch mit den Schießübungen eine große Anziehungskraft aus. Dieselben wurden gegen schwimmende Scheiben, wie unsere Skizze dies zeigt, von den Schiffen vorgenommen. Die Scheiben schwammen auf Holzflößen, trugen die Bemalung von Stückpforten und wurden zum Theil von Dampfbarkassen an langen Trossen durch die See an den Schiffen vorübergeschleppt.

Bis zur Beendigung der Uebungen blieb die Rhede vor Zoppot der ständige Ankerplatz der ganzen Flotte. Hatte sich dann das nächtliche Dunkel auf das Meer herabgelassen und deuteten von ferne nur noch die ausgesteckten Nachtlichter die ruhenden Seeriesen an, so geschah es fast täglich, daß die See wie zum Abschiede von dem noch stark besetzten Badestrand sich mit dem Widerschein der Lichtwellen belebte, welche aus den elektrischen Apparaten der Flotte über den Wasserspiegel mit den überraschendsten Effecten flutheten und die Schiffe selbst aus dem Dunkel wie in einer

glänzenden Illumination hervortreten ließen.

Franz Siewert.     
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_519.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)