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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

die Unkenntniß fremder Nationen betreffs deutscher Literatur schließen sollte. Wir Deutschen haben allen Grund, uns mehr in den fremden literarischen Erzeugnissen umzusehen und namentlich die bessere auswärtige zeitgenössische Romanliteratur kennen zu lernen, um nicht auf den einseitigen Standpunkt der Selbstgenügsamkeit und der – Selbstüberhebung zu gelangen. Jedes Bestreben, uns davor zu bewahren, ist lobenswerth, und darum zollen wir der bekannten Stuttgarter Verlagsfirma J. Engelhorn für die Herausgabe der „Allgemeinen Romanbibliothek“ alle Anerkennung und wünschen ihrem Unternehmen die weiteste Verbreitung. Steht der letzteren auch die Unlust des Deutschen, Bücher zu kaufen, entgegen, so wird der beispiellos billige Preis der elegant ausgestatteten Bände, die sich durch deutlichen, klaren Druck und große Schrift ganz besonders empfehlen, das wirksamste Mittel sein, dieser Romanbibliothek Eingang in’s Volk zu verschaffen.

Der uns vorliegende erste Band enthält den ersten Theil des zweibändigen Romans „Der Hüttenbesizer“ von Georges Ohnet, dem bekannten französischen Romancier, der zu den gelesensten Schriftstellern seines Vaterlandes zählt – hat doch „Der Hüttenbesitzer“ 150 Auflagen in kürzester Zeit erlebt. Aus der Wahl dieses Romanes, der den derben, widrigen Realismus eines Zola meidet und dabei doch lebenswahr und überzeugungsvoll das Leben widerspiegelt, kann man auf den Plan des Verlegers schließen, die schmutzigen und giftigen Auswüchse fremder Romanliteratur auszuschließen, ein Plan, der der „Allgemeinen Romanbibliothek“ die Unterstützung aller Gebildeten sowie Popularität sichert. Der Prospect kündet Romane aus dem Englischen, Spanischen und Italienischen für die zunächst folgenden Bände an, und die hierbei getroffene Auswahl der Autoren läßt das Beste erwarten.

Es ist also hier die Gelegenheit geboten, sich für den Preis von 50 Pfennigen einen Roman in guter Ueberseztung anzuschaffen, der sonst – und zwar oft in recht herzlich schlechter Uebertragung – 3 bis 5 Mark kostet. Der Einband ist geschmackvoll und kann jeder Bücherei zur Zierde gereichen.


Ein kaiserlicher Eisenbahn-Baumeister. Der österreichische Ingenienr Gerstner, Erbauer der im Jahre 1838 eröffneten ersten russischen Locomotivbahn von Petersburg nach der kaiserlichen Sommerresidenz Zarskoje-Selo, war von dem Kaiser Nicolaus von Rußland mit der Ausarbeitung des Planes für eine Eisenbahn beauftragt worden, welche die beiden Hauptstädte des Reiches Petersburg und Moskau mit einander verbinden sollte. Nicolaus war gerade in ein Project zur Unterwerfung der aufrührerischen kaukasischen Stämme vertieft, als Gerstner ihm den sorgfältig ausgearbeiteten Plan über die neue Bahn vorlegte.

“Ist das der nächste Weg nach Moskau?“ fragte der Kaiser, nachdem er sich die Karte flüchtig angesehen hatte.

„Der nächste gerade nicht, Majestät, aber der rentabelste; denn die neue Bahn wird volkreiche und handeltreibende Städte berühren; sie wird fruchtbare Gegenden durchschneiden.“

“Ich brauche,“ unterbrach ihn Nicolaus, „den nächsten Weg, auf dem man in einem Tage von Petersburg nach Moskau kommen kann. Geben Sie einmal die Karte her.“ Damit zog er seinen Degen aus der Scheide, legte ihn quer über die Karte und zog mit der Feder zwischen den Endpunkten Petersburg und Moskau einen dicken geraden Strich. „So,“ sagte er, Gerstner die Karte zurückgebend, „das ist mein Plan, und danach soll gebaut werden.

Und es wurde danach gebaut. Schnurgerade, mit alleiniger Umgehung einiger größerer Moräste wurde der eiserne Schienenweg allen Hindernissen zum Trotz durch eine unwirthliche, meistens mit versumpften Waldungen bedeckte Gegend hindurchgeführt, auf einer Länge von 87 deutschen Meilen nur 8 größere Orte berührend! 50,000 Soldaten und zahlreiche zum Frohndienst commandirte Bauern arbeiteten 8 Jahre lang an den ungeheuren bis zu einer Höhe von 60 Fuß erforderlichen Erdaufschüttungen, welche das sumpfige Terrain erforderte; Tausende von Bauhandwerkern schafften an den zahlreichen Ueberbrückungen und Durchlässen, und keine Kosten wurden gescheut, um diese Bahn zu einer der solidesten, zu einer Musterbahn zu machen. Man hat die Kosten der Bau-Ausführung auf 78 Millionen Thaler geschätzt. Aber der Kaiser hatte erreicht, was er wollte die neue Bahnstrecke war noch 14 Meilen kürzer als die alte geradlinige Heerstraße, welche man bis dahin für die kürzeste Verbindung angesehen hatte, und mehr noch: der erste im August 1851 auf der Strecke abgelassene kaiserliche Extrazug durcheilte die ganze Route in der kurzen Zeit von nur 20 Stunden. R. B.     


Allgemeiner deutscher Schulverein. Nach dem Muster des „Deutschen Schulvereins“ in Oesterreich bildete sich im Sommer 1881 in Deutschland ein „Allgemeiner deutscher Schulverein“, dessen Ziel es ist, alle außerhalb des Reiches lebenden Landsleute in ihrem Bestreben, Deutsche zu bleiben, energisch zu unterstützen. Die Verbände des Binnenlandes suchen besonders gegen die in Böhmen, Südtirol, Siebenbürgen und Ungarn drohende Bedrängnis anzukämpfen; die im Frühjahr 1883 gebildete Ortsgruppe Hamburg-Altona faßt dagegen mehr die in überseeischen Ländern lebenden Deutschen in’s Auge und sucht denen, die sich und den Ihrigen deutsche Bildung erhalten wollen, thatkräftig in Allem beizustehen, was zur Pflege deutscher Sprache und Bildung förderlich sein kann. Es braucht wohl nicht betont zu werden, wie ersprießlich der Verband wirken dürfte. Beitrittserklärungen sind an den Schriftführer der Ortsgruppe Hamburg-Altona (Dr. Hugo Toeppen, Hamburg-Borgfelde) zu richten.


Kleiner Briefkasten.


L. O. in D. Freilich, solche Bücher giebt es, sogar in größerer Anzahl, wenn auch alle mehr oder minder von einander verschieden sind. Besonders empfehlen wollen wir Ihnen „Die Kunst des Vortrags von Emil Palleske“ (2. Aufl. Stuttgart, C. Krabbe, 1884). Der durch seine vortreffliche Schiller-Biographie bekannte Verfasser dieses Buches giebt in überaus lebendiger Schilderung ebenso geistvolle wie allgemein verständliche und erfahrungsgemäß bewährte Winke, die Jedem, der für Schönheit eines Vortrages Sinn hat, sehr zu Statten kommen.

Ein Buchhalter. Ein Mittel wünschen Sie, durch welches man „Fliegen, Schwaben, Spinnen, überhaupt alles Ungeziefer, welches sich in Wohnräumen aufhält, radical vertreibt“? Wir kennen keines; ob aber vielleicht einer unserer Leser Auskunft geben kann? – Ihre zweite Frage kann Ihnen nur ein mit den Verhältnissen genau vertrauter Rechtsanwalt beantworten.

V. G. Witten. Eine Lebensbeschreibung Fr. Rückert’s finden Sie im Jahrgange 1863. Zur Erledigung ähnlicher Anfragen empfehlen wir Ihnen das 1882 von Dr. Fr. Hofmann herausgegebene „Vollständige Generalregister der Gartenlaube vom 1. bis 28. Jahrgang“, welches in jeder Buchhandlung zu haben ist.

S. in H. Ihre Frage finden Sie beantwortet in dem einen instructiven Buche A. Dreger’s: „Die Civilversorgung der Militär-Anwärter im Reichs- und Staatsdienste“ (Leipzig, C. A. Koch, 1884), welches Sie durch jede Buchhandlung beziehen können

A. H. in F., Lieblings Glück: ungeeignet.


Allerlei Kurzweil.


Schach.
Problem Nr. 7.
Von Fr. Dubbe in Rostock.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Scherz-Arithmogryph als Kryptonym.

Es ist zu ermitteln, was die Stahlfeder und der Gänsekiet in Liebesentzücken geschrieben und was die Tintenflasche dazu sagt. (Anmerkung: ä und ch sind je als ein Buchstabe zu betrachten.)

Auflösung der zwei Räthsel in Nr. 35. Nr. 1: Beeidigung, Beendigung, Beerdigung. – Nr. 2: Ablaß. – Blaß. – Laß. – Aß.

Auflösung
des
Räthsel-Bilderbogens in Nr. 35:



[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht übernommen.]

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 600. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_600.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)